Salone Internazionale del Mobile, Milano

Viel Vintage, wenig Patchwork


Menschenmassen, die sich in den Hallen durch die Gänge schieben und für überfüllte Stände sorgen und die Standmitarbeiter mit Fragen bombardieren - ein Traum sowohl für Messeaussteller, als auch Messebetreiber. Das Image, die Trendmesse der internationalen Einrichtungsbranche zu sein, entsteht nicht innerhalb weniger Jahre. Dazu braucht es Zeit und konsequente Weiterentwicklung sowie Weitblick der Veranstalter. Beim Salone Internazionale del Mobile in Mailand ist das der Fall und so hatte er sich selbstbewusst zu seiner 50. Ausgabe den Leitspruch "50 years young" auf die Fahnen geschrieben. Die Creme de la Creme der gehobenen Möbelhersteller genießt das Privileg, hier ausstellen zu dürfen. Ebenso einige Anbieter von Wohnaccessoires, zu denen auch abgepasste Teppiche zählen.

Den Wunsch, im Salone Internationale del Mobile auszustellen, haben viele: derzeit stehen angeblich 400 Unternehmen mit 50.000 m potenzieller Ausstellungsfläche auf der Warteliste. Diese Hürde ist nur durch Vorlage eines genialen Ausstellungskonzepts zu meistern, womit die Messebetreiber überzeugt werden müssen. Dann darf der Aussteller sich freuen, von der Zugkraft von Möbelgrößen wie Moroso, Natuzzi, Hülsta, Minotti oder Kartell zu profitieren.

Die allermeisten Stände waren aufwändig und ansprechend gestaltet. Einige Teppichanbieter brillierten mit besonderen Eyecatchern. Web- und Handtuftanbieter Kasthall beispielsweise zeigte in Halle 16 mithilfe eines überdimensionalen Stammbaums, dem "magical tree", die Entwicklung seiner Kollektion. Sie zeichnet sich durch lebendige Musterungen und einen abgestimmten Materialmix aus. Die Erfahrungen aus über 120 Jahren Firmentradition werden lebendig.

Nanimarquinas neueste Kollektion Losanges der designenden Brüder Bouroullec wurde in einen begehbaren, rot gestrichenen Würfel gehängt, der die Konzentration allein auf das Produkt lenkte. Der Aufwand der geometrischen Musterung sowie der Einsatz von 13 Farben machten eine Entwicklungszeit von sechs Jahren notwendig, um dann in Nordpakistan ein in Nanimarquinas Augen perfektes Produkt zu präsentieren.

Der Großteil der Teppichanbieter war in den Designhallen 16 und 20 untergebracht, unter ihnen beispielsweise Casalis, Limited Edition, GT Design, i+i und Woodnotes. Weitere waren vereinzelt in den restlichen Hallen zu finden. Moderne Knüpfteppiche machten in Summe die größte Produktgruppe aus, gefolgt von auffallend vielen Flachgeweben und Handtuftteppichen. Patchworks, die auf der Domotex und in Paris auf der Maison & Objet in großen Mengen gezeigt wurden, spielten in Mailand hingegen kaum eine Rolle, sie waren auch kaum in Dekorationen zu sehen.

Die modernen Möbelaussteller in den Hallen 16 und 20 hatten, sofern überhaupt Teppiche als Dekoelement eingesetzt wurden, eher Flachgewebe und Teppiche im Vintage-Look in dezenten, wohnlichen Pastellfarben ausgelegt. Knallig bunte Farben waren die Ausnahme. Mit viel Liebe ist dekoriert worden. Bei einigen Anbietern lagen gleich mehrere Vintage-Teppiche aus - und zwar nicht wohl geordnet nebeneinander, sondern orientalisch angehaucht, in Teilen überlappend.

Unpassend war die Teppichauswahl von vielen - zum Glück nicht allen - hochwertigen klassischen Möbelausstellern in den Hallen 5 und 7. Denn dort lagen vielerorts sehr preiswerte Maschinenwebteppiche von mäßiger Qualität als Deko vor Sofas, Schrankwänden und Kommoden, die jeweils viele Tausend Euro kosten. Dahinter dürfte wohl kaum der Versuch stehen, die eigenen Ausstellungsstücke vor billiger Deko noch hochwertiger aussehen zu lassen. Die Ursache ist vermutlich eher Sparsamkeit. Die Aussteller, die sich mehr Mühe bei der Auswahl ihrer dekorierten Teppiche machen, wirkten kompletter, authentischer. So hatte zum Beispiel Walter Knoll in sämtlichen Wohnbeispielen für seine Polstermöbel ausnahmlos Jan Kath-Teppiche.

Auf dem Salone Satellite in den Hallen 22 und 24 durften auch in diesem Jahr wieder Designer und Architekten unter 35 Jahre ihre Kreationen präsentieren. Vor allem Studenten zeigten hier ihre durchaus erfrischenden Arbeiten und hatten so die Chance, Kontakte zu Herstellern oder Vertrieblern zu knüpfen.

Auf das Messegelände kamen über 320.000 Besucher, was im Jubiläumsjahr einen kleinen Rückgang im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Im vergangenen Jahr zählte allerdings die gut besuchte Messe Eurocucina als Parallelmesse mit. In diesem Jahr waren es die Messen Euroluce für Licht / Leuchten und Salone Ufficio für Büroeinrichtung, die ebenfalls auf der Fiera Milan Rho veranstaltet wurden - eine Konstellation, die es zuletzt 2009 gab und zu der im direkten Vergleich 2% mehr Besucher auf das stylische Messegelände kamen.

Übrigens: Wer mit dem Auto zum Messegelände fuhr, musste für die Rückfahrt nach 17 Uhr viel Zeit einplanen. Denn die ansonsten gut organisierte Messe hatte hier eine Schwachstelle. Beim Verlassen des Geländes mit dem eigenen PKW musste man durch ein Nadelöhr. Endlose Schlangen quälten sich die einspurige Ausfahrt entlang. Es blieb einem nichts weiter übrig, als die Wartezeit nach einem anstrengenden Messetag mit einem Espresso - für bemerkenswert günstige 1,20 EUR -oder mit einem Nickerchen im Auto zu überbrücken.


Kreativ auch abseits der Messe


Auch im gesamten Stadtgebiet war die Messe mit diversen öffentlichen und kostenlosen Ausstellungen vertreten und versuchte so, die Menschen für hochwertiges Design zu begeistern. Allein die Ausstellung "Principia - Rooms and Substance of Next Arts" in der Nähe des Mailänder Doms wurde von über 50.000 Menschen besucht. Zusätzlich präsentierten einige Teppichanbieter ihr Sortiment in ständigen oder temporären Showrooms, entweder, weil sie keinen Messestand zugewiesen bekommen hatten, nicht ausstellen wollten oder als Ergänzung zum Messeauftritt. So konnte in privaterem Rahmen über das Geschäft gesprochen werden. Oder sie nutzten die Gunst der Stunde und zogen durch Aktionen die Aufmerksamkeit der vielen Design interessierten Menschen in der Stadt auf sich. Als Beispiel sei Jan Kath angeführt: Seine Carpet Monsters "zerstörten" neue Teppiche mit Sägen, Messern und Bohrmaschinen. Sie zeigten sehr eindrucksvoll, wie Teppiche der Erased-Kollektion entstehen.
aus Carpet Magazin 03/11 (Wirtschaft)