Heinz Horn zur aktuellen Situation der Textil- und Modebranche

Krise gut gemeistert

Eine schwierige Zeit liegt hinter uns. Während zeitweise schon das Ende der sozialen Marktwirtschaft ausgerufen wurde, hat sich die Lage der Unternehmen wieder weitgehend gefestigt. Branchenbefragungen zur Folge haben die deutschen Textil- und Modeunternehmen die Krise gut meistern können. Dies lässt sich unter anderem auf den hohen Innovationsgrad und den internationalen Wissensvorsprung bei textilen Anwendungen zurückführen. Einige Unternehmen haben sich mit Mitteln wie Kurzarbeit durch die Krise geholfen, nur wenige mussten tatsächlich Personal abbauen.

Bereits seit Beginn 2010 blickt die Branche wieder zuversichtlich nach vorne, gesamtwirtschaftlich stehen die Zeichen für 2011 auf Wachstum. Prognosen von Wirtschaftsexperten und Bundesregierung zufolge wächst die deutsche Wirtschaft so stark wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Dazu soll nicht nur der Export, sondern verstärkt der private Konsum beitragen. Als bedeutende Konsumgüterindustrie sollte es uns gelingen, an diesem Aufschwung maßgeblich beteiligt zu sein. Wir haben die Produkte und die Qualität, in vielen Bereichen verfügen wir über einen technischen Vorsprung, den es auszubauen gilt.

Auch wenn sich - zumindest wirtschaftlich gesehen - eine positive Stimmung über das Land gelegt hat, steht die Textil- und Modebranche vor Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Ich persönlich habe mich dem an mich herangetragenen Anliegen gestellt, mich als Präsident des Gesamtverbandes textil+mode für die Branche zu engagieren. Im Sommer 2010 habe ich das Amt von Peter Schwartze übernommen. Ich komme aus dem Wäschebereich, war lange bei Schiesser tätig und danach über zehn Jahre Geschäftsführer bei Felina. Aber der Bereich Textil ist ja so viel mehr als Bekleidung - und gerade das macht ihn so außerordentlich spannend. Vor diesem Hintergrund ist auch meine Zielsetzung entstanden, die ich innerhalb meiner Präsidentschaft verfolgen werde: Das Image der Textil- und Modebranche in Deutschland muss aufpoliert werden. Die Unternehmen bilden einen zukunftsorientierten und innovativen Wirtschaftszweig, der Impulsgeber in verschiedenen Bereichen ist und interessante Arbeitsplätze bietet. Nur wenn die Branche als das wahrgenommen wird, was sie ist, werden wir uns den Herausforderungen der Zukunft stellen können.

Schon jetzt stehen wir vor vielen Fragen: Wie gehen wir mit der Rohstoffknappheit und den Preissteigerungen um? Welche Belastungen kommen durch erhöhte Energiekosten auf uns zu? Mit welchen Angeboten gehen wir in die neue Tarifrunde? Hier engagiert sich der Gesamtverband textil+mode gegenüber der Politik und anderen Interessensvertretungen, um tragbare Lösungen für unsere Branche zu erwirken.

Neben fairen Produktionsbedingungen, Rohstoff- und Kostensicherheit ist ein weiterer Faktor für unsere Industrie wichtig, um auch in Zukunft auf den internationalen Märkten bestehen zu können: Qualifizierte Fachkräfte. Mit unserer Nachwuchskampagne Go Textile! und der jährlichen Verleihung des textil+mode Innovationspreises lenken wir bereits die Aufmerksamkeit auf unsere Branche. Auch beim Umgang mit dem demografischen Wandel unterstützt der Gesamtverband die Unternehmen. Ich habe mir zum Ziel gesetzt, noch mehr zu tun: In der nächsten Zeit werden wir eine Imagekampagne erarbeiten.

Die Bundeskanzlerin Angela Merkel schrieb in einem offenen Brief, die Welt schaue auf unser Land und spräche von einem Wunder. Sie glaube nicht an Wunder, sondern an die Ideen, die Vernunft und das Engagement der Menschen. Damit lobte Merkel die Anstrengungen jedes Einzelnen, um Deutschland aus der Krise herauszuführen. Auch ich glaube nicht an Wunder. Aber ich habe einen Traum. Ich schlage 2015 die Zeitung auf und lese dort: "Alte Frau von Teppichboden gerettet! Die 80-jährige Elisabeth R. war in ihrer Wohnung gestürzt und lag hilflos am Boden. Trotzdem war nach zehn Minuten der Rettungswagen vor Ort. Induktionsstreifen im textilen Bodenbelag hatten den Sturz der alten Dame registriert und einen Alarm ausgelöst." Und ich wünsche mir, dass auch dann die Welt bewundernd nach Deutschland und auf die Innovationen der Textil- und Modebranche schaut.
aus Haustex 01/11 (Wirtschaft)