Jab Anstoetz: Interview mit Claus Anstoetz und Lars Puschmann

"Wir brauchen den starken Partner vor Ort"

Ein Partner von Jab Anstoetz will in diesem Monat in Hamburg ein Raumausstattergeschäft eröffnen. Es soll den Namen House of Jab Anstoetz tragen. Eine weitere Neuigkeit betrifft das Sortiment: Im Internet-Shop bietet Jab jetzt auch Kerzen und Morgenmäntel an. BTH Heimtex sprach mit dem Geschäftsführenden Gesellschafter Claus Anstoetz und Vertriebsleiter Lars Puschmann über neue Vertriebsstrategien des Bielefelder Textilverlages, das abgelaufene Jahr und die Erwartungen für 2011.

BTH Heimtex: Herr Anstoetz, Sie suchen offenbar neue Wege, um den Endverbraucher anzusprechen und Ihre Marke weiter zu profilieren. Sie sind offen für modernste Kommunikationsformen wie Twittern, Bloggen und soziale Netzwerke wie Facebook. Jetzt bieten Sie auch noch Fertigprodukte via Internet an. Was versprechen Sie sich davon?

Claus Anstoetz: Über den Webshop verkaufen wir nur Produkte, die wir in unserem klassischen Vertriebsweg nicht anbieten, die mit den klassischen Produkten unserer Kunden nichts zu tun haben: Handtaschen, Kartenspiele, Kerzen, Morgenmäntel. Der Webshop hat wirklich nur die Zielrichtung, dass man die Marke Jab in einem Fertigprodukt transportiert. Wir betreiben damit Imagepflege. Das kann man natürlich mit einem Fertigprodukt viel besser als mit einem Halbfertigprodukt. Darum ist es wichtig, dass wir von Zeit zu Zeit ein Fertigprodukt unter unserem Namen präsentieren und über den Webshop verkaufen. Aber wir konzentrieren uns auf unser Kerngeschäft, und das sind hochwertige Stoffe und Teppiche.

BTH Heimtex: Und was sagen Ihre Kunden dazu?

Lars Puschmann: Der Jab-Fan findet ein Sortiment an Fertigprodukten vor, was der klassische Raumausstatter so in der Menge gar nicht führen kann. Produkte wie etwa die Grandezza Tasche nutzen wir auch für Marketingaktionen und unsere Händler setzen die Tasche gerne selbst ein, etwa bei einer Gutscheinaktion zu einem Jubiläum, einer Firmengründung oder einer Herbstaktion. Verbunden mit einem Kauf unserer Produkte bekommt der Endkunde diese Tasche dann vielleicht sogar kostenlos.

Anstoetz: Mit Rabatten können wir nicht werben, damit wollen und können wir auch nicht anfangen. Und damit sollte auch unser Kunde nicht werben. Mit den Fertigprodukten kann er anstelle von einem Rabatt einen Natural-Rabatt, ein Geschenk übergeben. Unsere Kunden sehen, dass es keine Konkurrenzprodukte sind, die ihnen keinen Umsatz wegnehmen. Deshalb ist unser Webshop für den Handel kein Problem. Jeder engagierte Kunde kann natürlich die Produkte haben, die wir übers Internet vertreiben.

Puschmann: Wir wollen die Produkte aus unserem Jab-Shop unseren Kunden nicht im großen Stile verkaufen, weil der Endkunde nicht in ein Raumausstattergeschäft geht, um Taschen und Accessoires zu kaufen. Mit einem tollen Geschäft in einer Fußgängerzone würde das wahrscheinlich sogar Sinn machen. Aber es gibt nur sehr wenig Raumausstatter in Fußgängerzonen - zumindest in Großstädten. Und es werden immer weniger.

BTH Heimtex: Kauft der Endverbraucher die Produkte über Ihre Webseite?

Anstoetz: Das ist überschaubar. Wenn man aktiv einen Internetshop betreiben wollte, müsste man dafür auch Werbung machen. Die Werbegelder investieren wir aber lieber in die Endkundenansprache, davon partizipiert dann auch unser Kunde.

BTH Heimtex: Können Sie sich vorstellen, irgendwann einmal Stoff übers Internet zu verkaufen?

Anstoetz: Im Hochwert-Bereich sehe ich wenig Chancen. Wie soll man solche hochwertigen Stoffe im Internet darstellen? Und dann muss das Fenster auch noch ausgemessen werden. Der Endkunde kann nicht per Computer eine hochwertige Seide ergreifen oder begreifen. Wenn er sich dann eine Probe kommen lässt, würde man drei Seiden fertigen und zwei kämen zurück; das wäre dann ein schlechtes Geschäft. Nach meiner Überzeugung hat das Internet im hochwertigen Stoffbereich auch mittelfristig keine massgebliche Vertriebschance. In diesem Fall ist es gut, dass wir kein Fertigprodukt haben wie Möbel oder Elektronik. Zwar ist es ein Nachteil, dass man die Marke nicht so gut kommunizieren kann. Aber unsere Kunden sind im Internet relativ gut geschützt - im wertigen Bereich. Im preiswerten Bereich ist das anders.

Puschmann: Letztlich findet ja auch häufig der Abschluss nicht bei unserem Raumausstatter im Geschäft statt, sondern beim Endkunden vor Ort. Schließlich soll der Stoff zum Teppichboden, zur Einrichtung, zur Wandfarbe passen. Danach werden dann die textilen Strukturen ausgesucht. Für einen Kauf im Internet ist das Produkt zu emotional. Das ist eben der große Vorteil der Branche.

Anstoetz: Das Ziel ist es, auch jüngere Käuferschichten an unsere Fachgeschäfte zu binden. Da der jüngere Kunde sich öfter schon im Internet informiert, ist eine professionelle Präsenz zur Darstellung des Angebotsspektrums auf diesem Marktplatz enorm wichtig.

BTH Heimtex: In der Branche wird kritisch beobachtet, dass Sie Ihre Präsenz im Möbelhandel immer mehr verstärken.

Anstoetz: Im Möbelhandel kann man sich in Ruhe und anonym informieren - anders als in kleineren Fachgeschäften. Dort wird man sofort angesprochen, wenn man den Laden betritt. Viele wollen sich erst einmal informieren, damit sie ein Gefühl für Preislagen bekommen. Sicher wird von manchem kritisch gesehen, dass wir auf der Großfläche präsent sind. Aber unsere klassischen Kunden profitieren auch davon: Auf der Großfläche gehen im Jahr Tausende durch eine gute Abteilung und holen sich Geschmack, Anregungen, holen sich in gewisser Weise auch Einrichtungskultur.

BTH Heimtex: Für Jab sind also die klassischen Vertriebswege unverändert wichtig?

Anstoetz: Richtig. Mit ihnen machen wir den größten Teil des Umsatzes. 90 % gehen sicher über den Raumausstatter und den hochwertigen Einrichtungshandel.

BTH Heimtex: Wo entstehen neue Distributionsstrukturen?

Anstoetz: Außer der Großfläche, die etwas stärker geworden ist, sehe ich im Augenblick keine neuen Kanäle.

Puschmann: Die Marke braucht auch Frequenz. Und die erreichen wir über den klassischen Facheinzelhandel, den Raumausstatter mit einer geringen Zahl an Tagesbesuchern nicht mehr. Auf der Großfläche wird sich informiert, da lebt die Marke, wird sie bekannter - zum Wohle aller.

Der Wettbewerber des Raumausstatters ist ohnehin nicht die Großfläche, sondern das Autohaus und der Elektronikfachmarkt. Die Anzahl der Gardinen- und Fachgeschäfte in unserem Bereich nimmt ab. Und je weniger der Verbraucher das Produkt noch sieht, desto weniger hat er Lust darauf.

Anstoetz: Für uns gilt deshalb eindeutig die Zielrichtung, mit weniger Kunden Umsätze zu machen, enger und partnerschaftlich mit den ausgewählten Kunden gemeinsam den Weg zu gehen.

Unsere Strategie geht in Richtung House of Jab - Shop in Shop. Es wird immer wichtiger, dass Händler und Industrie stärker zusammenarbeiten. Aber dann muss sich unser Kunde natürlich auch konzentrieren. Lieber weniger Anbieter, aber dafür ein "Partner" sein.

BTH Heimtex: Sie wollen das Modell so ausbauen, dass ein Raumausstatter quasi ein House of Jab Anstoetz führt.

Anstoetz: Wir brauchen den starken Partner, die Marke vor Ort, den Raumausstatter, der auch eine Infrastruktur hat. Ich glaube nicht, dass wir mit einem eingesetzten Geschäftsführer in einem Jab-Geschäft erfolgreicher sein können als mit dem Unternehmer vor Ort, der abends Kundenbesuche macht.

BTH Heimtex: Welche Voraussetzungen muss ein Raumausstatter mitbringen, um ein House of Jab Anstoetz zu eröffnen ?

Anstoetz: Die Hauptvoraussetzung muss sein, dass er hinter Jab und der Unternehmens- und Produktphilosophie steht, dass er sich quasi auf Jab Anstoetz einlässt. Es muss schon eine gelebte Partnerschaft sein. Und man macht das eher mit Partnern, mit denen man schon seit Jahren gut zusammenarbeitet.

Puschmann: ...weil ein gutes Zusammenarbeiten Vertrauen schafft. Es muss natürlich die Persönlichkeit stimmen, wenn man diesen gemeinsamen Weg geht. Wir wollen auf der Einzelhandelsebene nicht selbst aktiv werden, aber unseren Partnern stärkere Unterstützung bieten.

Da hat das House of Jab Anstoetz Modellcharakter: auf kleinerer Fläche diverse Wohnmarken aus einem Haus zusammenfassen und in einer Handschrift zu präsentieren. Dabei werden die Marken von uns stark beworben.
Diese Strategie macht Sinn. An verschiedenen großen und kleineren Städten - etwa in Hamburg in der Hafencity oder in Fulda - entstehen bereits in Zusammenarbeit mit uns derartige Jab-Shops.

BTH Heimtex: Werden die Raumausstatter von Ihnen finanziell unterstützt

Puschmann: Wir unterstützen sie natürlich konzeptionell und beim Ladenbau. Und dann bieten wir Mitarbeiterschulung sowie Werbeunterstützung, suchen das passende Sortiment für den Standort aus.

Anstoetz: Über Finanzierungs- und Amortisationsmodelle erleichtern wir für unseren Partner diese Investition in die Zukunft.

BTH Heimtex: Und wie passt Ihr Wohnmagazin Interia in das neue Konzept?

Anstoetz: Das ist für den engagierten Kunden von uns, der eine kompetente Werbung machen will. Er hat die Chance, die Zeitschrift sehr leicht zu personalisieren.

Bewusst ist dieses zeitgemäße Magazin nicht so aufgebaut, dass überall nur Jab steht. Ein Betrachter von außen wird es nicht als Firmenmagazin, sondern als ein Hochglanzmagazin sehen, in dem ein breites Spektrum der Branche vertreten ist und welches grundsätzlich Lust auf textiles Einrichten machen soll. Wir sind so souverän, sogar Produkte unserer Wettbewerber abzubilden.

Puschmann: Es wird auch Handwerksstrecken geben, wo neben der handwerklichen Qualität auch der Geschmack und die Geschmacksvermittlung ein Thema sind. Unsere Klientel, der Endverbraucher, ist anspruchsvoller geworden.

Anstoetz: Für unseren Kunden ist es wichtig, dass er sich breiter aufstellt. Wir selbst zeigen deshalb auf der Möbelmesse in Köln Präsenz, die sich immer mehr zur Einrichtungsmesse entwickelt. Natürlich ist es wichtig, die Textiltrends zu kennen. Aber der Kunde muss auch die Möbeltrends kennen, damit er konzeptionell den Endkunden einrichten kann.

Natürlich sollte die Heimtextil auch weiterhin fester Bestandteil seiner Messeplanung sein.

BTH Heimtex: Sie gehen jetzt im dritten Jahr in Folge nicht zur Heimtextil. Welche Voraussetzungen müssten erfüllt sein, damit die Jab-Gruppe wieder nach Frankfurt geht?

Anstoetz: Durch ein längerfristiges Engagement der Editeure in Köln stellt sich diese Frage für uns zur Zeit nicht.

Puschmann: Wir haben in Köln noch den großen Vorteil, dass Freitag, Samstag und Sonntag für den Endverbraucher geöffnet ist. Die Messe ist sehr attraktiv, die Besucher kommen aus dem gesamten Bundesgebiet, weil das Produkt eine schöne Plattform bekommt. Da gerät natürlich auch die Textilie im Bereich des Einrichtens in den Fokus des Endverbrauchers. Und die Medienwirksamkeit nach außen hin ist in Köln mit Sicherheit sehr stark.

BTH Heimtex: Wie sehen Sie die Zukunft der Branche?

Anstoetz: Eines der Hauptprobleme des nächsten Jahres wird die Rohstoffsituation werden.

Im Zuge der Wirtschaftskrise sind die Industrieläger verkleinert worden, aber es geht auch sehr viel nach China. Durch die massiven Aufkäufe der Chinesen bei Baumwolle, Seiden, Leinen und Leder entsteht ein Mangel, und der Preis geht nach oben. Zusätzlich verstärken schlechte Ernten den Engpass.

Ein weiteres Problem für die Webereien und damit auch für uns ist, dass die Garne von der Qualität her schlechter geworden sind. Um unseren Kunden weiterhin den guten Qualitätsstandard zu bieten, haben wir mittlerweile im Wareneingang Warenschaumaschinen zur Kontrolle im Einsatz.

BTH Heimtex: Und auf der Handels- und Vertriebsseite?

Anstoetz: Die Konzentration beim Handel, aber auch bei der Industrie, wird sich weiter fortsetzen. Aber unser Vertriebskanal wird sich in Zukunft nicht ändern: Wir sprechen auch weiterhin vor allem den Raumausstatter, aber auch die hochwertigen Möbelhäuser an.

Puschmann: Ich glaube, dass wir vom reinen Stofflieferanten zunehmend zum Dienstleister und Partner unserer Kunden werden. Und dass diese Partnerschaften enger und zahlreicher werden.

BTH Heimtex: Wie ist das Jahr 2010 für die Jab Anstoetz-Gruppe gelaufen?

Anstoetz: Unterm Strich erwarten wir in Deutschland ein einstelliges Plus. Nach einem schwächeren Start gewann das Jahr zunehmend und verstärkt in den letzten 5 Monaten an Wachstumsdynamik. In Deutschland war es dennoch kein richtiges Gardinenjahr. Das Thema muss wieder ein bisschen belebt werden, damit wir wegkommen vom allzu puristischen Einrichten.

Für die Bielefelder Werkstätten und für JAB Teppiche ist das Jahr sehr positiv gelaufen.

Soleil bleu par Wellmann wurde mit seiner neuen Handschrift vom Markt sehr positiv aufgenommen. Chivasso ist im In- und Ausland hervorragend aufgestellt.

Im Export spüren wir in einigen Ländern noch stärker die Auswirkungen der Krise.

Aber wir gehen von einer positiven Entwicklung in 2011 auch in diesen Ländern aus, natürlich auch durch unsere erfolgreichen Sortimentserweiterungen im Bereich des textilen Sonnenschutzes.
aus BTH Heimtex 01/11 (Wirtschaft)