A. S. Création: Interview mit Lars Contzen

"Der Wohnbereich ist Spiegel der Persönlichkeit"


Der Designer Lars Contzen arbeitet erfolgreich für A.S. Création. Bereits vier Kollektionen verdankt der Tapetenhersteller seiner Kreativität. Derzeit entwickelt Contzen die dritte grafische Kollektion für das Gummersbacher Unternehmen. Dabei stützt er sich auf sein selbst entwickeltes Konzept Colourcourage, dem sich inzwischen sieben Hersteller aus der Inneneinrichtungsbranche angeschlossen haben. Wie die Farbharmonien entstehen und warum Designtapeten verstärkt nachgefragt werden, erläutert Contzen im nachfolgenden Interview.

BTH: Was hat Sie zu dem Colourcourage-Konzept inspiriert?

Lars Contzen: Als studierter Bildender Künstler mit Schwerpunkt Malerei habe ich mich schon vor vielen Jahren intensiv in Theorie und Praxis mit dem Thema Farbe auseinandergesetzt. Dabei ist mir aufgefallen, dass es neben den Gesetzmäßigkeiten der bekannten Farbtheorien und den Regeln der Farbpsychologie eine Komponente der Wahrnehmung von Farbe gibt, die sich im stetigen Wandel befindet, nämlich der aktuelle kulturelle Einfluss auf unser Farbempfinden. In der Rückbetrachtung lässt sich, so denke ich, jedem Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts eine bestimmte Farbigkeit zuordnen, die sich über kulturelle Entwicklungen in dieser Zeit ausgeprägt hat. Beispielsweise stehen die 50er Jahre für Pastelltöne, die 70er Jahre für Braun, Orange oder Moosgrün, die 80er Jahre für Schwarz, Weiß, Rot und Neonfarben. Der Auffassung folgend, dass sich unsere intuitive tiefenpsychologische Farbwahrnehmung mit den aktuellen zeitgeistlichen Strömungen von Farben zu einem neuen Verständnis verknüpft, habe ich mich mit dem Thema Colourcourage darauf konzentriert, Farbe und Wechselwirkungen von Farben vor diesem Hintergrund neu zu beleuchten.

BTH: Sie setzen bei Colourcourage zum Teil extreme Farben ein. Warum glauben Sie, dass der Endverbraucher tatsächlich die Courage hat, mit diesen Tapeten zu gestalten?

Contzen: Es ist richtig, dass sich in der 24 Farben umfassenden Kollektion auch sehr farbintensive Töne befinden. Da sich das Colourcourage-Farbsystem aber auf Farbharmonien und nicht auf Einzelfarben stützt, werden zu jeder intensiven Farbe wiederum gemäßigte Töne empfohlen, um den Farbklang in einer harmonischen Balance zu halten. Colourcourage-Farbharmonien bestehen aus bis zu fünf Farben, die sich miteinander kombinieren lassen, ohne dass das Resultat aus der Balance gerät. Für acht dieser markanten Harmonien haben wir im Rahmen der Marke Colourcourage sogar einen Geschmacksmusterschutz für die Anwendung im innenarchitektonischen Bereich erwirken können.

BTH: Welche Produkte wird es außer Tapeten noch in den Colourcourage-Farbwelten geben?

Contzen: Zunächst einmal ist es nicht selbstverständlich, dass sich verschiedene namhafte Unternehmen dieser Farbsystematik angeschlossen haben. Mittlerweile besteht das Partnernetzwerk für Colourcourage-Produkte bereits aus sieben Herstellern. Es war von Beginn an unsere Philosophie, dass der Farbklang eines Raumes aus verschiedenen Materialien oder Produkten erzeugt werden sollte, um dem Anwender eine gestalterische Freiheit zu bieten. Die Materialien und Produkte aller beteiligten Hersteller mussten allerdings im Vorfeld exakt aufeinander abgestimmt werden, um einen sicheren Farbverbund gewährleisten zu können. Hier dienten jeweils Originalmuster der anderen Netzwerkpartner der genauen Farbfindung des jeweiligen Produktes. Das Gestalten im Colourcourage-Farbraum bedeutet für den Anwender eine farbliche Übereinstimmung zwischen folgenden Produkten: Tapete (A.S. Création), Textilien (Indes), Teppiche (Otto Golze & Söhne), Möbel (Schneeweiss), Bodenbeläge und Schichtstoffe (Resopal), Architekturglas (Glas Trösch), textile Homing Produkte (Femo Brands) und Lichtobjekte (Contzentrade).

BTH: Wann kommen aus Ihrer Sicht die ruhigeren Farben zurück? Ist die Zeit von Rot, Lila und Grün nicht langsam vorbei?

Contzen: Ich bin der Auffassung, dass unser Jahrzehnt vor allem geprägt ist durch computertechnische Innovationen. Seit einigen Jahren ist die Quelle unserer Wahrnehmungen eine Mischung aus realer und digitaler Welt geworden. Über die neuen visuellen Kommunikationsmedien wird die Welt nicht nur sprichwörtlich bunt. Die Präsenz des Internets und die Nutzung neuer mobiler Kommunikationsgeräte bedeutet eine zunehmende Frequenz an optischen Reizen in Form von Bildern, Videos und Grafiken. Insbesondere die jüngeren Generationen gehen dadurch unbefangen und angstfrei mit Farbe um. Colourcourage reagiert auf diese Prozesse mit dem Ansatz, mutige Farbtöne in eine ästhetische Ordnung zu bringen. Das Ergebnis sind stimmungsgeladene Wohnräume, die in die heutige Zeit passen. Ein wirkliches "in" oder "out" wird es durch den stetig wachsenden Stilpluralismus ohnehin nicht mehr geben. Der medieninformierte Individualist von heute versucht sich einen unikaten Lebensraum zu schaffen, der seiner Persönlichkeit entspricht.

BTH: Warum sollte der potenzielle Colourcourage-Kunde eine einfarbige Colourcourage-Tapete verwenden anstatt die Wand im gewünschten Farbton zu streichen?

Contzen: Ein farbiger Anstrich intensiver Farbtöne erfordert in der Regel einen Farbauftrag in mehreren Schichten, um eine gleichmäßige und deckende Wirkung zu erzielen. Dies kostet nicht nur viel Zeit, sondern auch viel Farbe. Zudem ist das Anmischen der Wunschfarbe ein kompliziertes Unterfangen. Zwar finden sich in Baumärkten und im Fachhandel Farbmischstationen, jedoch wird dort keine wirkliche Farbberatung angeboten. Entscheidungshilfe sollen die vor Ort ausliegenden kleinen Felder der Farbkarten bieten. Die Erfahrung aus Theorie und Praxis der Farbenlehre zeigt jedoch, dass die Wirkung einer Farbe in unmittelbarem Verhältnis zu ihrer Flächengröße steht. Eine Beurteilung im kleinen Maßstab setzt demnach viel Erfahrung voraus. Ist der Farbton dann einmal angemischt, ist dieser auch bei Nichtgefallen vom Umtausch ausgeschlossen. Um den Weg zur farbigen Wandfläche zu vereinfachen, wurde im Falle der Colourcourage-Kollektion die Farbe bereits produktionsseitig auf die Tapete aufgebracht. Das Produkt kann also hinsichtlich der Farbwirkung in Verbindung mit der Oberflächenstruktur sofort vom Kunden auf großer Fläche im Laden beurteilt werden. Zur Auswahl stehen zwei unterschiedliche Oberflächenprägungen, auf denen die Farbwirkungen brilliant und gleichmäßig sind.

BTH: Wie erklären Sie sich den momentanen Erfolg von Designtapeten? Warum ist Tapete nicht verstaubt und langweilig, sondern angesagt?

Contzen: Designtapete bietet einen sehr unkomplizierten und kostengünstigen Weg der Individualisierung von Lebensräumen. Der private Lebensraum ist Erholungs- und Rückzugsstätte aus dem Arbeitsalltag geworden. Vielfach ist seine Gestaltung geprägt von Impressionen aus Urlauben in anderen Kulturen oder Eindrücken aus Bars, Clubs oder designorientierten Gastronomien. Der persönliche Wohnbereich ist heute gleichzusetzen mit einem Modeoutfit und gilt als Spiegel der eigenen Persönlichkeit.

BTH: Was können wir von Ihnen in der Zusammenarbeit mit A.S. Création in Zukunft noch erwarten? Gewähren Sie uns bitte einen Einblick in Ihre Ideen-Pipeline.

Contzen: Ich bin gerade mit der Entwicklung der dritten grafischen Tapetenkollektion für A.S. Création beschäftigt. Mein Ziel ist es, Formensprachen und Kompositionen zu kreieren, die Bestand haben und nicht von kurzfristigen Modetrends abhängig sind. Bereits in den beiden aktuellen im Markt befindlichen Kollektion zeichnen sich einige Klassiker ab, bei denen die Verkaufsmengen auch noch drei Jahre nach der Markteinführung stabil bleiben. Darum würde es mich freuen, wenn sich aus den Erfolgsdesigns eine eigenständige Kollektion entwickelt, die als eine Art Contzen Basis Kollektion verstanden wird, die es auch noch in zehn Jahren zu kaufen gibt.
aus BTH Heimtex 10/10 (Wirtschaft)