Jab Anstoetz: Interview mit Claus Anstoetz

"Kraftvoll und zuversichtlich ins neue Jahr"

Ein Jahr nach der Übernahme des traditionsreichen Textilverlages Wellmann präsentiert Jab Anstoetz die erste Wellmann-Kollektion mit frankophiler Prägung: "Soleil bleu par Wellmann". Durch den Zukauf hat sich das Portfolio der Jab-Anstoetz-Gruppe auf insgesamt neun Unternehmen rund ums Einrichten erhöht. BTH-Heimtex-Redakteurin Birgit Genz sprach mit dem geschäftsführenden Gesellschafter Claus Anstoetz über die Firmenstrategie des Bielefelder Textilverlages, über das Jahr 2009 und die Erwartungen für 2010.

BTH Heimtex: Jab hat in den letzten Jahren sehr geschickt zugekauft und die Unternehmen jeweils gut im Markt platziert - auch durch sehr professionelle Marketingmaßnahmen. Gardisette gilt zum Beispiel als Shootingstar. Jetzt präsentieren Sie die neue Wellmann-Kollektion. Haben Sie keine Angst, dass sich die verschiedenen Töchter kannibalisieren?

Claus Anstoetz: Bei Zukäufen ist es wichtig, die Synergien im Hintergrund nutzen zu können - in der Buchhaltung oder der EDV. Aber nach außen müssen die Töchter natürlich ihre Eigenständigkeit behalten, etwa in der Produktentwicklung und den imagebildenden Designs.

BTH Heimtex: Also würden Sie sagen, dass sich die Gruppenkonstellation Ihres Unternehmens bewährt?

Anstoetz: Ja, auf alle Fälle. Wo es sinnvoll erscheint, legen wir auch den Außendienst zusammen, wie bei Wellmann und Chivasso. Dadurch erhalten wir eine bessere Auslastung. Wir setzen dabei auf eigene Außendienstmitarbeiter, nicht auf Handelsvertreter, sodass wir eine stärkere Identität mit der Marke erreichen.

BTH Heimtex: Können Sie sich weitere Zukäufe vorstellen?

Anstoetz: Grundsätzlich sind wir immer offen für Zukäufe, sie müssen uns allerdings sinnvoll erscheinen. Wir wollen uns ja nicht selbst Konkurrenz machen. Interessant sind für uns daher Anbieter, die in einem anderen Marktsegment zuhause sind, die sich stilistisch in einem anderen Bereich aufhalten oder international neue Märkte damit angehen können.

BTH Heimtex: Was fehlt Jab denn noch im Portfolio?

Anstoetz: Sonnenschutz ist sicherlich ein interessantes Feld, das wir in Zukunft stärker besetzen wollen. Unsere Flächenvorhangkollektion Hemisphere war schon ein erster Schritt in den Sonnenschutz gewesen, mit dessen Erfolg wir außerordentlich zufrieden sind.

BTH Heimtex: Und wie passt Wellmann ins Programm?

Anstoetz: Uns haben schon ein paar Leute gefragt, was Jab mit Wellmann will. Wir möchten Wellmann als gute, alteingesessene Marke fortführen, aber in der Produktaussage verändern - sonst wären wir damit zu nah an Jab. Aus Wellmann wird "Soleil bleu par Wellmann"; im Mittelpunkt steht ein typisch französischer Einrichtungsstil, der sich deutlich vom Jab-Sortiment abhebt. Der Stil ist sehr leicht, farbig und fröhlich und findet seine Liebhaber gerade in den westeuropäischen Märkten, aber bestimmt auch in Deutschland.

BTH Heimtex: Hätten Sie Soleil bleu nicht wie Grandezza als eigene Kollektion herausbringen können? Dafür hätten Sie keinen Wellmann gebraucht.

Anstoetz: Stimmt. Aber innerhalb eines gesonderten kleinen Unternehmens kann man bestimmte Handschriften viel besser darstellen als in einem Teilsegment von Jab. Wir haben segmentiert, um auch für Jab bestimmte Trends besser setzen zu können: Den Hochwertbereich decken wir mit Grandezza ab, das Thema Landhaus mit Four Seasons und das moderne Spektrum mit Showroom. Wenn wir jetzt noch ein französisches und ein englisches Thema dazunehmen würden, hätten wir keine so klare Linie mehr.

BTH Heimtex: Wie sehen Sie die Zukunft der Branche? Einmal auf der Industrieseite, einmal auf Handels- und Vertriebsseite?

Anstoetz: In den letzten Jahren ist keiner der Hersteller verschwunden. Allerdings beobachten wir durchaus, dass die Zahl der Einzelhändler abnimmt - häufig aufgrund fehlender Nachfolgeregelung. Dieser Trend wird sich wohl erst mal halten.

Es gibt auch immer weniger klassische Handwerker. Unsere Kunden müssen sich zum konzeptionellen Einrichter wandeln. Und für uns muss es das Ziel sein, die richtigen Partner zu finden. Wir haben heute weniger Kunden als noch vor zehn Jahren. Darum müssen wir sehen, dass wir mit eben diesen Kunden stabile oder sogar steigende Umsätze durch Fokussierung auf die Marken der Jab Anstoetz Unternehmensgruppe erreichen und somit eine Win-Win-Situation für beide Partner schaffen.

BTH Heimtex: Werden die Möbelhäuser stärker?

Anstoetz: Für Jab ist der Möbelhandel inzwischen ein wichtiger Partner, sofern er sich aber weiter nach oben orientiert. Durch eine professionelle und verkaufsfördernde Präsentation in den Möbelhäusern wird unser Produktportfolio einer großen Anzahl von Konsumenten näher gebracht. Somit wird die rückläufige Präsenz unserer Branche in den 1a-Lagen in den Städten ein wenig kompensiert.

BTH Heimtex: Wird sich etwas in den Vertriebsstrukturen ändern? Inwieweit spüren Sie die Auswirkungen des Internets?

Anstoetz: Das Internet ist sicher wichtig. Ich sehe die Funktion im hochwertigen textilen Bereich aber eher in der Informationsvermittlung. Anfang kommenden Jahres schalten wir übrigens ein Online-Marketingportal. Dort können sich Händler unterschiedlicher Werbemittelvorlagen bedienen, um sich qualifiziert und trotzdem preiswert am Markt darzustellen. Das Angebot reicht von Briefumschlägen, Visitenkarten und Katalogen bis hin zur Plakatwerbung. So profitiert die regionale Marke des Partners von den Werbedruck, der von Jab Anstoetz ausgeht.

Vertrieb übers Internet im hochwertigen Bereich wie bei Jab sehe ich momentan noch als sehr, sehr schwierig an. Im Augenblick glaube ich noch, dass eine hochwertige Seide oder eine Qualität, die über 100 EUR kostet, angefasst werden muss. Problematisch ist auch die Farbwahl am Bildschirm. Und nicht zuletzt will der Kunde, dass die Dekoration perfekt am Fenster hängt; er will den entsprechenden Service vor Ort.

BTH Heimtex: Von manchen Endkunden hört man, dass für bestimmte Qualitäten sehr lange Lieferzeiten gelten. Ist das in einer Wirtschaftkrise nicht paradox?

Anstoetz: Dieses Problem haben auch alle unsere Mitbewerber aus der Industrie. Viele Garnlieferanten mit guter Qualität sind Pleite gegangen. Und die Betriebe, die kurzarbeiten, haben alle Maschinen runtergefahren. Wenn dann größere Aufträge kommen, dauert es erst einmal, bis die Maschinen wieder hochgefahren sind. Heute müssen wir viel mehr Zeit aufwenden, um die Qualität unserer Produkte aufrecht zu erhalten.

BTH Heimtex: Sie gehen jetzt im zweiten Jahr in Folge nicht zur Heimtextil nach Frankfurt. Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Messelandschaft verändern?

Anstoetz: Grundsätzlich finde ich es außerordentlich bedauerlich, dass so viele Verleger nicht auf der Heimtextil ausstellen. Die Regionalmessen sind eigentlich schon nicht mehr existent und Maison & Objet ist letztlich eine französische Veranstaltung. Es muss das Ziel sein, dass die Verleger wieder nach Frankfurt zurückkommen, das Hochwert-Segment ist für viele Kunden nämlich wichtig. Dafür muss man allerdings den Dialog mit der Messe eröffnen und ein interessantes Konzept entwickeln. Aber wenn wir uns für 2010 angemeldet hätten, wären wir auf Verlegerseite relativ alleine gewesen. Und dafür ist es natürlich eine große Investition. Aber die Kunden brauchen natürlich Frankfurt.

BTH Heimtex: Zum Münchner Stofffrühling fährt auch kein Norddeutscher. Das ist im Prinzip eine rein süddeutsche Veranstaltung...

Anstoetz: Es fahren schon einige Norddeutsche hin - solche, die im hochwertigen Bereich sehr engagiert sind. Nächstes Jahr sind wir das erste Mal dabei.

Neben unseren Showrooms in Bielefeld, Berlin und Hamburg werden wir Anfang Februar übrigens mit unserem Münchener Showroom umziehen. Im so genannten "House of Jab Anstoetz" stellen wir auf rund 600 qm in vielen Interieurs unsere komplette Markenwelt dar.

BTH Heimtex: Ihre TV-Kampagnen haben Sie derzeit ausgesetzt. Was planen Sie 2010 an Werbeaktivitäten?

Anstoetz: Da werden wir unser Engagement in der Endverbraucherwerbung wieder verstärken - allerdings nicht im Fernsehen. Stattdessen forcieren wir Aktivitäten mit unseren Handelspartnern, um dichter an unsere Zielgruppe heranzukommen. Dabei ist der Bereich Golf natürlich ganz wichtig: Beim Jab Ladies Cup haben 125 Golfclubs mit über 7.000 Damen teilgenommen. Zu den Schlösserfesten in Bückeburg kommen fast 40.000 Besucher. Außerdem haben wir uns bei den Salzburger Festspielen engagiert. Diese Aktivitäten haben nur geringe Streuverluste. Bei den Golfturnieren arbeiten wir mit unseren Handelspartnern vor Ort zusammen, um auf diese Weise die dortigen Endkunden zu erreichen.

BTH Heimtex: Wie ist das Jahr 2009 für die Jab-Anstoetz-Gruppe gelaufen?

Anstoetz: Unsere Kollektion Grandezza wurde im deutschen Markt sehr gut angenommen und hat sich auch international hervorragend positioniert. Gardisette hat ein schönes Plus erwirtschaftet, auch Jab Teppiche hat im Inland ein leichtes Plus. Jab Stoffe sind plus/minus null im Inland. Chivasso konnte sich im deutschen Markt positiv entwickeln. Grundsätzlich muss man sagen, dass 2009 jedoch kein Exportjahr war. In ausländischen Märkten wie Spanien, England, Russland und den USA, die sehr stark von der Finanzkrise betroffen wurden, mussten wir stärkere Rückgänge verzeichnen.

BTH Heimtex: Mit welcher Konjunktureinschätzung gehen Sie in das kommende Jahr?

Anstoetz: Für 2010 sind wir verhalten optimistisch. Im Moment kann keiner so richtig einschätzen, wie stark die Insolvenzwelle und damit auch die Arbeitslosigkeit um sich greifen wird: in der Automobilbranche, im Maschinenbau, aber auch in unserer Branche. Viele haben 2009 ihre Lagerbestände und Marketingausgaben richtig runtergefahren. Aber wenn die Konjunktur wieder anspringt, müssen sie etwas machen, und dafür fehlen vielfach Gelder.

Im Jahr 2009 waren Deutschland und Österreich im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern noch am konsumstärksten. Der Markt als solches wird nicht wachsen und ist nach wie vor stark auf Verdrängung ausgerichtet. Jeder Anbieter sollte sich weiterhin auf seine Stärken konzentrieren. Im Ausland erwarten wir wieder eine Belebung der Geschäfte.

BTH Heimtex: Wie sehen Sie die Zukunft von Jab?

Anstoetz: Natürlich positiv, wir wollen uns den Herausforderungen stellen. Das allerwichtigste ist eine attraktive und verkaufsstarke Kollektion auf den Markt zu bringen. Darüber hinaus tun wir viel für unsere Kunden und damit auch viel für die Branche. Dazu gehören die Golfturniere, die unterschiedlichen verkaufsfördernden Aktivitäten und unser Shop-in-Shop-System. In einen Shop zu investieren ist ja nur sinnvoll, wenn eine Marke dahinter steckt, die zumindest einen gewissen Bekanntheitsgrad hat. Unser Partner ist natürlich die erste Marke vor Ort, aber wenn er die unterstützenden Marken aus der Jab Anstoetz Gruppe präsentiert, hilft das beim Verkauf.
aus BTH Heimtex 01/10 (Wirtschaft)