Anker will sich wieder als Trendsetter etablieren

"Wir haben noch nie so viele Innovationen gebracht"

Das Geschäftsjahr 2009 war nicht einfach für Anker: Nach vier erfolgreichen Vorjahren mit einem Wachstum um 32 % in allen Vertriebsbereichen bremste die Wirtschaftskrise das Unternehmen aus. Der Objektmarkt, auf dem Anker ausschließlich agiert, brach ein, die Geschäftsführung steuerte mit Restrukturierungsmaßnahmen dagegen. Nicht bremsen ließ sich Anker in Kreativität, Innovationskraft und Produktentwicklung: Mit den neuen Qualitäten Flat, Entree 100, Aera Add, Delta On und einer für Teppichboden völlig neuen Dessinierungstechnologie haben sich die Dürener als das etabliert, was sie angestrebt haben: als Trendsetter.

Der alljährliche Jahresrückblick und Ausblick auf die kommenden zwölf Monate im Spätherbst hat inzwischen bei Anker Tradition. In den letzten vier Jahren hatte das Familienunternehmen gegen den Markttrend stets Wachstum melden können, insgesamt nahm der Umsatz in diesem Zeitraum um 32 % zu. 2009 allerdings erlitten die Dürener einen Dämpfer. Schon gegen Ende 2008 wurde das Geläuf aufgrund der sich abzeichnenden globalen Wirtschaftskrise härter; ab Dezember 2008 legte sie den Objektmarkt völlig lahm, auf den sich Anker konzentriert, und fror die Erlöse ein. Auch das bis dato vielversprechende Airline-Geschäft wurde in Mitleidenschaft gezogen.

Die Geschäftsführung reagierte unverzüglich und beschleunigte die ohnehin angestrebte Strategieumstellung von rohweißen Garnen auf solution-dyed - vorgefärbt. Die Kontinuefärberei, die Strangfärberei und der Chromojet-Spritzdruck wurden stillgelegt. Das war ohnehin geplant, da sich der Bedarf an Nassfärbe-Kapazitäten durch den Strategiewechsel erheblich reduziert hatte und die Chromojet-Anlage technisch veraltet war. Sie stammte noch aus der ersten Generation, aktuell ist die dritte Generation am Markt, die mit fünfmal so vielen Spritzpunkten deutlich feiner arbeitet.

In Verbindung mit Mengeneinbußen durch die nachlassende Nachfrage mussten zum 1. September 83 Arbeitsplätze abgebaut werden - keine einfache Entscheidung für einen Betrieb mit 155jähriger Historie, der fest in der Region verankert ist, und manche Familien schon über Generationen hinweg beschäftigt.

Die ernüchternde Bilanz per 30. September war ein Umsatzminus von 18 % - allerdings rein mengenbedingt; die Durchschnittserlöse per Quadratmeter konnten nämlich gesteigert werden: auf 15,50 EUR/qm (+ 3,9 %) bei Tuftings - zum Vergleich: der durchschnittliche Marktpreis liegt bei 10,50 EUR/qm - und auf 31 EUR/qm (+ 1,4 %) bei Webware. "Wir verzichten lieber auf ein Großobjekt, als das Preisniveau irreparabel zu schädigen", erklärte Vertriebs-Geschäftsführer Erwin Landherr die massiven Einbußen. Zahlen für das vierte Quartal lagen zum Redaktionsschluss noch nicht vor, in Düren war jedoch keine wesentliche Erholung in den letzten drei Monaten 2009 erwartet worden.

Stattdessen blickt man lieber voraus: 2010 bleibt der Objektmarkt nach Ansicht von Anker zumindest in der ersten Hälfte rückläufig, in der zweiten geht man von einer Stabilisierung aus, glaubt aber für 2010 und die Folgejahre nicht an ein Wachstum in Europa. "Wir sehen die Krise als Chance", sagt Markus Schoeller, geschäftsführender Gesellschafter und Sprecher der Geschäftsführung. Soll heißen: Anker will 2010 in den klassischen Objektmärkten leicht wachsen - durch Verdrängung -, im Airline-Bereich geht man von "etwas substanzielleren Steigerungen" aus. Bis 2014 will man sich in den "Kernobjektmärkten" Deutschland, Österreich und Schweiz "kontinuierlich weiter entwickeln", in anderen Märkten auch zulegen, allerdings nur "selektiv, dabei konsequent unter Ergebnisaspekten".

Eine Schlüsselposition kommt dabei in den D-A-CH-Ländern dem Großhandel zu - "der wichtigste Bereich unserer kaufenden Kunden". Sein Anteil soll von aktuell 42 % auf 50 % ausgebaut werden. "Der Großhandel ist ein verlässlicher Partner und kommt außerdem an Kunden heran, die wir nicht erreichen können".
2008 hatte Anker noch einen Umsatz von 65 Mio. EUR erzielt, und dabei auch "einen kleinen Gewinn geschrieben". Durch die Restrukturierungsmaßnahmen sei das Unternehmen jetzt auf den "worst case" eingerichtet und auf ein Kostenfundament gestellt, das es erlaube, auch mit nur 50 Mio. EUR Umsatz "substanziellen Gewinn zu erwirtschaften", sagt Landherr. "Wir wollen unsere Investitionen problemlos aus dem Cash flow finanzieren."

Unbeirrt hält das Unternehmen an der weiteren Ausprägung seiner Kernkompetenzen fest: Das sind die Weberei, Solution-dyed, Nachhaltigkeit, Beratungsservice, die Neuausrichtung des Marketings und die Innovationskultur. Letztere muss sich nicht allein auf die Produkte beschränken: "Es ist noch zu kompliziert, mit Anker Geschäfte zu machen - für den Architekten genauso wie für den kaufenden Kunden", bemerkt Landherr selbstkritisch, "das wollen wir vereinfachen."

Ungeachtet der Wirtschaftskrise und ihrer Folgen wurde in Düren 2009 bei Produktentwicklung und Marketing nicht gespart - im Gegenteil: "Wir haben noch nie so viele Innovationen gebracht". Noch nie so viele - und noch nie so bahnbrechende. "Wir sind mit unseren neuen Artikeln wieder da, wo wir hingehören und hoffen, dass das andere auch sehen: Wir sind wieder Trendsetter", sagt Schoeller nicht ohne Stolz - und hat Recht. Unter den vielen Neuheiten - im Original zu sehen auf dem Anker-Stand in der Contractworld auf der Domotex - sind einige, die "innovativ" im besten Sinne des Wortes sind und neue Dimensionen für das Produkt Teppichboden eröffnen, das mancher längst kreativ und technisch ausgereizt glaubte.

Beispiel Flat, ein Produkt, mit dem Anker sein Webprogramm nach unten abrundet. Die Webware zeigt die trendige Flachgewebe-Optik, ist aber kein Flachgewebe und benötigt deshalb keinen stabilisierenden Zweitrücken. Drei Fadensysteme und das solution-dyed Marken-Polyamid Invista Lumena, die präzise Noppenstellung und feste Einbindung sorgen für beste Gebrauchseigenschaften. Flat ist kein klassischer Teppichboden mehr. Er verkörpert eine neue Generation mit einem neuen, technischen Look, der durch die bewusst sichtbare Konstruktion geprägt wird - erhältlich in drei Dessins in jeweils neun Farben, alle ab Lager.

Entre_e, die einzige Objektqualität aus recyceltem Garn, Anfang 2009 erfolgreich eingeführt, wurde gleich mit vier weiteren Varianten zur Kollektion ausgebaut: einer melangierten Schlinge, einem Melange-Velours und zwei COC-Konstruktionen. Das Polmaterial ist das solution-dyed-Garn Econyl 70 von Aquafil, das zu 70 % auf recyceltem Polyamid basiert, der Träger besteht aus 90 % recyceltem PET, der Rücken gar zu 100 %.Bislang wurde das Recycelgarn nur für Tuftings eingesetzt, im ersten Quartal 2010 will Anker mit der jacquardgewebten Strukturschlinge Entre_e 100 die erste Webqualität vorstellen. Alle drei Fadensysteme sind hier musterbildend, wobei das Dessinspektrum von der geometrischen Figur bis zur Ornamentik reicht.

Weitere Standardartikel sollen auf Recyclingmaterialien umgestellt werden, kündigte Technik-Geschäftsführer Gerhard Hoffe an. "Wir fordern die Faserindustrie und bringen weitere neue Produkte auf Recyclingbasis, sobald die Materialien dazu bereitsgestellt sind."

Auf den ersten Blick gar nicht mal spektakulär, dennoch ganz neu, ganz anders ist Aera Add, eine Tuftingkonstruktion, die Velours und Schlinge auf besondere Art verbindet. CL + = Cut (Velours) + Loop (Schlinge) nennt Anker diese Technologie. Den Fond bildet ein feiner, monochromer Velours, zu dem auf kunstfertige Weise Schlingen-Elemente addiert werden, die für das Design und die Farbe sorgen. Es entsteht eine sehr dichte, kompakte Struktur. Vorteil dieser speziellen Oberfläche: Sie ist nicht nur als Bahnenware geeignet, sondern auch als Fliese, weil sie optimalen Kantenschluss ergibt. CL + ist ebenfalls zum Patent angemeldet.

CP = Cut Point, auf Deutsch "Gestaltung durch Perforation" bei Delta On - auch das ist neu und doch nur einfach ein bestehendes Erfolgsprodukt weitergedacht. Die Anker-Klimaboden-Technologie war der Ausgangspunkt für diese Idee, bei dem Luftlöcher im Teppichboden das Design formen und zugleich durch ihre Anzahl die Luftdurchlässigkeit bestimmen.
Dass es noch neue Dessinierungstechnologien für Teppichboden gibt, hätte sicher niemand gedacht. Anker hat mit TG +, der Thermogravur, eine gefunden.

Das Prinzip stammt aus der Bekleidung: Das Material wird erhitzt und chemisch verändert, dadurch entsteht das Motiv - ohne Farbauftrag, rein durch den Kontrast hart-weich, matt-glänzend, hoch-tief. Dabei sind alle Musterungen möglich, auch äußerst filigrane. "Ein neuartiges Gestaltungsfeld für einzigartige Formensprachen, die dritte Schiene des individuellen Designs - und völlig losgrößenunabhängig", begeistert sich Hoffe. Als Produktbasis dienen zunächst die melangierte Schlinge Aera Deco und der Melange-Velours Delta Deco. Auch TG + ist zum Patent angemeldet.

Im Frühjahr sollen aus einem Idee-Baukasten Standardprodukte abgeleitet werden, die dann ab Lager erhältlich sind.

Dafür, dass alle diese Neuheiten adäquat präsentiert werden, sind Karl Heinz Werker, als Mitglied der Geschäftsleitung für Marketing verantwortlich, und sein Team um Stephanie Keindl-Zimmermann und Silke Wammers zuständig. Auf der Domotex haben sie die Anker Box 02 mit allen Aera- und Deco-Varianten samt Broschüre und Farbdocken im Gepäck, außerdem die Anker Box 03 mit Entree 100 und die bereits 2009 fertiggestellte Anker Box 01 mit der kompletten Perlon-Familie.
aus BTH Heimtex 01/10 (Wirtschaft)