Schmitz-Werke: Interview mit Justus Schmitz

Die Heimtextil braucht mehr Profil

Zahlreiche namhafte Firmen werden 2010 nicht auf der Heimtextil ausstellen. Justus Schmitz, geschäftsführender Gesellschafter der Schmitz-Werke, nannte BTH Heimtex Redakteurin Birgit Genz die Gründe für sein Fernbleiben.

BTH Heimtex: Sie gehen erstmals seit mehr als drei Jahrzehnten nicht zur Heimtextil nach Frankfurt. Warum?

Schmitz: Ausschlaggebend sind in erster Linie vertriebspolitische Gründe. So hat sich Drapilux in den vergangenen Jahren zunehmend auf das Objektgeschäft konzentriert. Neumusterungen erfolgen heute mit den Verwendungsschwerpunkten Hotel, Schiff, Krankenhaus, Reha-Klinik, Seniorenheim und Büro; für diese Marktsegmente entwickeln wir Stoffe mit intelligenten Funktionen - zum Beispiel bioaktive Textilien, die Infektionserreger reduzieren.

BTH Heimtex: Was planen Sie statt der Heimtextil-Teilnahme?

Schmitz: Für das Jahr 2010 plant Drapilux, sich mit seinen Vertriebsstrukturen und Aktivitäten noch stärker auf die eben genannten Zielgruppen zu konzentrieren und sich auf den Special-Interest-Messen zu präsentieren. Gerade in den Hauptsegmenten unseres Objektgeschäftes, den Bereichen Hospitality und Health & Care, gibt es mittlerweile eine Vielzahl an spezialisierten Veranstaltungen, zum Beispiel die Altenpflege in Hannover, die Gastro in Rostock, die Intergastra und die Pflege & Reha in Stuttgart, die Hogatec sowie die Reha-Care in Düsseldorf. Dort wird Drapilux im kommenden Jahr präsent sein. Neu hinzugekommen ist auch die Sleep-Messe in London.

Auf diesen Veranstaltungen besteht jeweils eine größere Aussicht, direkt die Entscheider im Objekt zu treffen. Noch ist allerdings nicht entschieden, ob wir in den folgenden Jahren nicht doch wieder in Frankfurt ausstellen.

BTH Heimtex: Wie beurteilen Sie die Entwicklung der Heimtextil-Messe?

Schmitz: Unbestreitbar hat die Heimtextil unter der weltweit flauen Konjunktur zu leiden. Andererseits geht jede Krise auch einmal vorbei, und es gibt weltweit immer mehr Menschen, zu deren Lebensstil die Ausstattung mit edlen Heimtextilien gehört. Die Verbrauchergewohnheiten werden sich nach meiner Auffassung durch die Krise langfristig nicht ändern. Deshalb ist die Messegesellschaft gut beraten, die Heimtextil als internationale Plattform zu erhalten und auszubauen.

BTH Heimtex: Viele namhafte Anbieter und damit auch Publikumsmagneten kommen 2010 nicht...

Schmitz: Aus meiner Sicht tut die Messegesellschaft gut daran, sich aus dem Blickwinkel der Aussteller zu fragen, welches Profil sie haben will. Ich stelle es mir schwierig vor, unter einem Dach den amerikanischen Einkäufer zu bedienen, der nach chinesischen Stoffen sucht, und zugleich den deutschen Raumausstatter, der bei "seinen" Verlegern die neuen Farbtrends erkundet. In der Tat finde ich es problematisch, wenn einzelne Verleger auf dem Zweijahresrhythmus bestehen. Stellen Sie sich einmal vor, was es bedeuten würde, die Heimtextil nur alle zwei Jahre stattfinden zu lassen: Dann könnten andere Messeplätze, wahrscheinlich außerhalb Europas, das sich öffnende "Loch" sofort schließen. Am Ende müssten wir als Aussteller rund um die Welt ziehen.

BTH Heimtex: Inwieweit glauben Sie, dass sich die Messelandschaft verändert? Vier regionale Messen allein im September - plus verschiedene Hausmessen - kann das eine Lösung sein?

Schmitz: Ich bin kein Messefachmann, aber durchaus nicht messemüde. Die Regionalmessen der Vergangenheit haben mich allerdings nicht überzeugt. Ist nicht die Heimtextilmesse auch eine "Regionalmesse innerhalb Europas"? Inzwischen unterhalten nur noch wenige Kunden eigene Lager, und dazu haben wir als Anbieter durchaus beigetragen. Also haben wir als Hersteller auf Messen nur noch die Chance, Markenpflege zu betreiben, persönliche Kontakte zu pflegen, Neuheiten vorzustellen und Muster zu subventionierten Preisen zu verkaufen. Alles Dinge, die auch ein guter Außendienst übernehmen könnte. Jedenfalls glaube ich, dass für uns die Regionalmessen keine sinnvolle Alternative sind.

BTH Heimtex: Wie ist das Jahr 2009 für die Schmitz-Werke gelaufen?

Schmitz: Die ersten drei Monate waren für das Unternehmen verheerend. Seitdem bessern sich die Zahlen langsam. Wenn es so weitergeht, werden wir 2009 ein Umsatzminus von ca. 10 % und ein ausgeglichenes Ergebnis haben. Negative Sonderentwicklungen haben vor allem die maritimen Anwendungen unserer Produkte, denn die Werftindustrie leidet zurzeit besonders stark - ob bei privaten Yachten oder Containerschiffen.

BTH Heimtex: Mit welcher Konjunktureinschätzung gehen Sie in das Jahr 2010? Was erwarten Sie für Ihr Unternehmen?

Schmitz: Es sieht so aus, als hätten wir den tiefsten Punkt der Krise bereits hinter uns. Gleichzeitig nimmt man allgemein an, dass sich die Wirtschaft nur langsam erholen wird. Entsprechend haben wir bei unserer Planung nur ein sehr geringes Wachstum für 2010 angesetzt. Wenn das auch in den Folgejahren so weiterginge, würde es noch lange dauern, bis wir Umsätze von 2007 wieder erreicht haben. Wir setzen weiter auf Besonderheiten aus der eigenen Entwicklungsküche.

BTH Heimtex. Glauben Sie, dass die Finanzkrise mit ihren Auswirkungen 2010 überwunden werden kann?

Schmitz: Ich bin weder Volkswirt noch Mitglied des Sachverständigenrats, und selbst dann könnte ich Ihnen die Frage wahrscheinlich nicht zuverlässig beantworten. Sicher ist wohl, dass es in den Bankbilanzen noch Etliches zu korrigieren gibt.

Andererseits müsste ich zurückfragen, was "überwunden" heißen soll. Schön wäre es, wenn sich die Wachstumsraten langsam wieder vergrößern würden.

BTH Heimtex: Erwarten Sie, dass die Versprechungen - von Maßnahmen kann man ja noch nicht sprechen - der neuen Regierungskoalition die Nachfrage beleben werden?

Schmitz: Versprechungen werden die Nachfrage nicht beleben. Ich habe aber den Eindruck, dass die neue Koalition ein recht vernünftiges Programm vorgestellt hat.

Ich finde die Reaktion der Presse schon etwas merkwürdig: Einerseits wird die neue Regierung dafür gescholten, dass sie auf Pump Steuern verringern will, andererseits wird nach Maßnahmen zu Konjunkturbelebung gerufen. Sind denn die Steuern, die der Staat nicht einnimmt, und die hohen Ausgaben, die er zugleich schultert, kein Konjunkturprogramm?
aus BTH Heimtex 12/09 (Wirtschaft)