Carl-Ernst Mummenhoff zum Bereich Frottier

Angesagt sind Lifestyle und Ambiente


60 Jahre Information, Fachkompetenz und Branchennähe - dafür herzlichen Dank und herzlichen Glückwunsch der Haustex und deren Mitarbeitern. Bei der Frottierbranche handelt sich um einen Bereich, der gerade in den letzten 60 Jahren eine dramatische Entwicklung durchlebt. Erst drei Jahre, nachdem die erste Ausgabe der Haustex am Markt erschien, wurde der Frottierbereich von der amtlichen Statistik geführt bzw. veröffentlicht. Die Mengen der Inlandsverfügbarkeit (= inländische Produktionsmenge + Import - Exporte) sind über viele Jahre gestiegen und liegen heute bei ca. 34.000 t; rechnet man die Menge nur auf Handtücher in einer mittleren Qualität (450g/qm) um, würde das eine Stückzahl von über 150 Mill. entsprechen. Auch die inländische Produktion stieg bis 1970 auf ca. 19.000 t (in den alten Bundesländern), ging dann aber von Jahr zu Jahr zurück und lag vor zehn Jahren bei 6.000 t und heute bei nur noch 1.700 t (in den alten und neuen Bundesländern). Die deutschen Produktionsstätten kamen also insbesondere seit 1970 stark unter den Importdruck, dem über die Zeit immer weniger Unternehmen standhalten konnten. Insbesondere folgende namhafte Firmen, deren Namen nur noch am Markt existieren, haben ihre ursprüngliche Produktion in Deutschland eingestellt; Triumph (Solfina) 1989, Florex 1990, Möve 1992, Fraling 1995, Vosssen 1997, Egeria 2000. Dies hat zur Folge, dass heute keine fünf bedeutenden Produktionsstätten in Deutschland existieren und es nur noch einen Hersteller, der sowohl Web- und auch Wirkfrottier in Deutschland herstellt, gibt.

Auch bei den Importmärkten hat eine starke Verschiebung stattgefunden; waren vor Jahren noch die Türkei, Portugal und Brasilien die wichtigsten Importländer, so ist heute Asien auch für Frottier die Werkbank für Europa. Neben Indien, Indonesien, Pakistan hat sich insbesondere China stark entwickelt; gerade hier sind in den letzten 20 Jahren Produktionsstätten in gigantischen Ausmaßen entstanden. Aktuell produziert z.B. eine Produktionsstätte in China über 20 mal soviel wie hier in Deutschland alle verbliebenen Frottierweber zusammen bzw. mehr als die gesamte europäische Frottierproduktion.

Der Schrumpfungsprozess auf der deutschen Produktionsseite ist heute fast abgeschlossen, jedoch versuchen sich auf der Importseite immer wieder Handels- oder Markenunternehmen aus anderen Produktbereichen an Frottier. Weiter wurden die noch als deutsche Produzenten am Markt agierenden Unternehmen immer mehr in die Rolle des Importeurs gedrängt, um auch untere Preislagen mit anzubieten. Solch ein Schrumpfungsprozess hatte natürlich auch massive Auswirkungen auf den maschinentechnischen Entwicklungsprozess. Früher war die Kooperation in der Entwicklung zwischen deutschen Produzenten und Maschinenlieferanten sehr ausgeprägt. Die erste Frottiergreifermaschine wurde z.B. in der Schlosserwerkstatt eines westfälischen Textilunternehmers entwickelt. In der heutigen Zeit sind die wichtigsten Kunden der Maschinenindustrie im Ausland, und deshalb sind die Anforderungen von immer geringeren deutschen Produktionsmengen und damit verbundenen häufigen Artikelwechseln usw. nicht optimal gelöst.

Bevor nun weiter auf die Entwicklung der Produkte aus Frottier in dem angesprochenen Zeitraum eingegangen wird, möchte ich zunächst auf den Begriff "Frottee" eingehen. Im normalen Sprachgebrauch wird Frottee häufig für Frottier verwendet, obwohl es eigentlich etwas völlig anderes bedeutet. Frottee ist die Bezeichnung für Erzeugnisse, bei denen die Ähnlichkeit zur Frottierware durch Effekt -, Kräuselzwirne oder Noppengarne erreicht wird. Es ist also ein Gewebe, jedoch kein Schlingengewebe. Das besondere Merkmal der Frottierware ist, dass diese eine vergrößerte Warenoberfläche und Warendichte durch den Flor besitzt. Durch diese Beschaffenheit ist die Ware besonders saugfähig, aber auch wärmend und weich. Gewünscht wird dieses insbesondere bei Handtüchern, Liegetüchern, Bademänteln und zum Teil bei Bettwäsche, Bettlaken, Steppbetten, Matratzenbezügen und Schuheinlegesohlen.

In den sechziger Jahren entstanden zunächst aus relativ groben Garnen gefertigte Zwirnfrottiertücher mit kurzen Schlingen, wie z.B. bei den Grubenfrottiertüchern, die aus den seinerzeit glatten Grubentüchern entwickelt wurden. Ansonsten waren die ersten Musterungen sehr einfach gehalten, wie z.B. geometrische Flormusterung, geschärte Streifen sowie waffelähnliche Strukturen. Feinere Zwirne in hohen Fadendichten und höheren Schlingen ließen von 1970 bis 1978 das Feinfrottier mit edler Optik entstehen. Hier hatte man zum einen im Florbereich anspruchsvollere Musterungsmöglichkeiten. Zusätzlich entstanden die schaftgewebten Glattbordüren mit Köper- oder Fischgratmustern. Die Farben und Formen passten sich dem Trend der 70er Jahre an (z.B. Grün/Orange, Gelb, Türkis/Violett, Gelb/Braun usw.). Parallel dazu entwickelte sich auch der Zwirnvelours, der insbesondere als Jacquard oder auch bedruckt im Strand- und Liegetuchbereich ein "Eyecatcher" wurde.

Im gleichen Zeitraum, erstmals ab 1969, entwickelte man in einem westfälischen Textilunternehmen das Wirkfrottier. Nachdem zunächst die 3-schienigen Maschinen den einseitigen Flor herstellen konnten, war später die Ware mit beidseitigem Flor durch die 4-schienige Maschine mit zwei Baumwoll- und zwei Polyesterketten möglich. Der Vorteil dieser Gewirke lag insbesondere in der Schlingenzugfestigkeit und Maßstabilität und vor allem in der Möglichkeit, leichtere Frottierwaren herzustellen. Das Einsatzgebiet dieser Ware ist bis heute in erster Linie bei Bettwäsche, Bademänteln, Bettüchern und Steppbetten zu finden. Der Handtuchbereich wurde bisher aufgrund der Defizite bei Musterungsmöglichkeiten gemieden.

Qualitativ gab es ab 1978 beim Webfrottier einen Meilenstein mit dem erstmaligen Einsatz von Einfachgarnen mit geringer Drehung in der Florkette. Dieses bedeutete, dass die Schlinge höher wurde und die Ketten nunmehr geschlichtet werden mussten. Das Gewebe benötigte jedoch im Gegensatz zum Zwirnfrottier eine zusätzliche Nassausrüstung (Walken). So entstand das "Walkfrottier", welches sich insbesondere durch einen verbesserten Griff sowie eine stark erhöhte Saugfähigkeit auszeichnet. Weiterhin wurden die Dessins "aufwendiger" und man hat in der Flormusterung Schattierungen, Kreppbindungen und Mischeffekte eingesetzt. Außerdem wurde ab 1980 durch die technische Weiterentwicklung der Webmaschinen die Jacquardbordüre erstmals entwickelt. Diese nun doch schon recht aufwändigen Musterungsmöglichkeiten sowie der Einsatz von Einfachgarnen mit geringer Drehung ließen ein wirklich neues Frottierprodukt entstehen.

In den Jahren 1986/87 kamen dann die ersten Glanzborten mit Viskose auf den Markt, die noch vielen Fachhändlern, aber auch Endverbrauchern negativ in Erinnerung sind. Durch den Einsatz falscher (nicht vorgekrumpfter) Garne entstanden Handtücher, die nach der Wäsche einen sehr hohen Bortenkrumpf aufwiesen - man sprach von einer "Raffgardine" oder "Röckchen". Generell herrschte zu dieser Zeit ein Uni-Boom, wobei die Produkte im Laufe der Zeit durch Stickereien und Applikationen eine zusätzliche Aufwertung erfuhren.

Anfang der 90er Jahre gab es dann aus maschinentechnischer Sicht weitere Meilensteine. Mit Vorstellung der voll elektronischen Jaquardwebmaschine, die heute bis zu 15 Farbgeber für den Schuss haben kann (1980 waren es maximal vier) und den dazu parallel entstandenen CAD-Anlagen gelang es, völlig neue Gestaltungen zu realisieren. Unterschiedliche Florhöhen machten es z.B. möglich, nun Velourshandtücher herzustellen, die nur zum Teil geschert waren. Weitere Innovationen waren das Wellenfrottier sowie die Schussunterlegungstechnik. Neben der Anwendung der neuen zur Verfügung stehenden Technik setzte man dann auch immer mehr neue Materialien (wie z.B. Chenille, Lurex, Polyester oder Leinen) im Bortenbereich ein. Nachdem im Bortenbereich also nun schon seit 15 Jahren baumwollfremde Garne erfolgreich eingesetzt werden, wird seit den letzten Jahren auch versucht, solche Garne im Flor einzusetzen. Hier sind besonders Lyocell, Modal und Mikromodal, die entweder wegen ihres besonderen Glanzes bzw. Griffes oder der erhöhten Funktionalität verwebt werden, zu nennen. Gerade in den letzten Jahren versucht man immer wieder mit neuen Namen wie Bambus (Viskose) oder Micro Cotton den Markt zu begeistern, was jedoch nur zum Teil gelang. Es ist festzustellen, dass der Konsument gegenüber neuen Fasern immer offener geworden ist. Wegbereiter ist hier sicherlich auch die Bekleidungsindustrie, die durch ihre funktionellen Bekleidungstextilien und den damit verbundenen "Hightechfasern " Vorreiter war. In diesem Zusammenhang sind die Polyester-Mikrofasergarne zu nennen, die sich jedoch nur als Nischenprodukt etabliert haben.

Um in dem immer härter werdenden Wettbewerb zu bestehen, versucht man auch immer wieder durch Lizenzen oder durch einen Markentransfer das Produkt aufzuwerten und es hierdurch besser an den Markt zu bringen. Durch den erzeugten Imagetransfer wird also versucht, einen Bekanntheitsgrad von z.B. produktfremden Markenartikeln auszunutzen und zu vermarkten. Die Vergangenheit hat nun aber gezeigt, dass auch hier Grenzen gesetzt sind. Es lässt sich längst nicht jede Marke oder Lizenz auf ein Handtuch übertragen. Generell kann man festhalten, dass heute in einzelnen Marktsegmenten sehr zielgruppenbewusst gearbeitet wird und so Bereiche wie Fanartikel oder "Öko-Artikel" (Produkte aus KbA-Baumwolle) bedient werden.

Die Preise im Handel sind und werden auch in Zukunft hart umkämpft bleiben. Sie beginnen mit Anfangspreislagen von weit unter 1 Euro bis hin zu Spitzenpreisen von 30 Euro und mehr. Das zeigt auch, wie unterschiedlich der Konsument offensichtlich das Produkt sieht. Es macht auch deutlich, dass für eine Vielzahl von Kunden das Handtuch nicht nur ein reiner Gebrauchsartikel, sondern zunehmend auch als dekoratives Bad-Accessoire gesehen wird. Der Anspruch der Kunden und Endverbraucher setzt auf Form- und Farbgebung aus dem Badbereich. Es ist dem deutschen Produzenten wichtig, modisch aktuelle Dessins und Farben mit dem immer mehr unverzichtbaren, positiv ökologischen Hintergrund anzubieten. Auch die sozialen Standards, unter denen die Frottierwaren hergestellt werden, sind bei immer mehr Handelsunternehmen in den Vordergrund gerückt worden; dieses hat natürlich Auswirkungen auf die Kosten/Preise und ist deshalb leider noch nicht überall im Fokus. Ein immer und ewig diskutiertes Thema ist auch die Frage nach der Qualität und dem Volumen des Tuches. Dabei geht es nicht nur darum, ob man mit dem Frottierhandtuch die Ohren trocknen kann oder nicht. Genauso entscheidend ist der immer stärker werdende Einsatz von innovativen Garntypen wie Corgarne, Hohlfasergarne oder Zero- bzw. Lowtwist, die beeindruckende Wirkung auf Optik, Wasseraufnahme und Weichheit der Frottiertücher haben. Die vergangenen 60 Jahre haben uns gezeigt, dass Frottier nicht durch Innovation, wie elektrisch betriebene Lufttrockner oder Papierhandtücher völlig ersetzt werden konnte und sich im Gegenteil sogar durch viel modische Elemente im Markt breit etabliert hat. Lifestyle und Ambiente werden in Zukunft den Frottierartikel weiter prägen. Diese must have- Impulse sind wichtig, denn sie fördern die Bereitschaft, neue Ware zu kaufen.
aus Haustex 08/09 (Wirtschaft)