Tendence Internationale Frankfurter Herbstmesse

Orderlust trotz weniger Aussteller / Besucher

Frankfurt - Besonders am ersten Messetag, Freitag dem 3. Juli, erregte und belebte ein Thema gleichermaßen Aussteller und Besucher der immerhin für die wichtige Herbst/Winter-Saison Ton angebenden und die Saison eröffnenden Konsumgütermesse: deutliche Minuszahlen. Dr. Michael Peters, Geschäftsführer der Messe Frankfurt, gab sie im Vorfeld über die Presse bekannt. 788 Aussteller weniger als im Vorjahr und um ca. 30.000 qm weniger Flächenbelegung ließen sich nicht mit Standkosmetik retuschieren. Die Branchen ums Schenken, Wohnen und Einrichten waren eng zusammengerückt auf die Hallen 4, 5, 6 und 3 (jeweils teilweise belegt) und ließen großzügig Laufzonen. Doch die von der Messeleitung erwähnte Maxime "Mit Innovationen unbedingt dabei sein" war nicht erfolglos. 317 Aussteller stellten neu aus auf der Tendence. Fazit der Messe nach fünf Tagen: Sie hat in konjunkturell extrem schwierigen Zeiten ihren Kurs beibehalten. Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen auf Aussteller- und Besucherseite empfinden die gegenwärtige Branchenkonjunktur als gut bis befriedigend.

Über 50.000 Fachbesucher aus 97 Ländern nutzten die Chance zur Inspiration und zum Ordern in den Segmenten Wohnen und Schenken bei den 2.091 Ausstellern aus 63 Ländern. Während das Inland mit einem leichten Besucherminus von rund acht Prozent auch in Krisenzeiten vergleichsweise stabil präsent war, fehlte ein Drittel der Einkäufer aus dem Ausland, besonders aus den Überseeländern. Der Internationalitätsgrad lag bei 27 Prozent und das spürten die Aussteller neben der an manchen Tagen sehr holprigen Besucherfrequenz. Insgesamt beläuft sich der Besucherrückgang zur Tendence auf rund 20 Prozent.

Während dieser Rückgang als logische Konsequenz der allgemeinen wirtschaftlichen Schieflage verständlich schien, wurde heftig diskutiert über das Ausbleiben wichtiger Aussteller in so großer Menge. In erster Linie fehlten die namhaften Tisch- und Küchenanbieter, das heißt, ein Großteil der GPK-Branche, die in eigener Halle Feststände hatten, blieben fast geschlossen weg und somit auch eine große Besucheranziehung. Neben der wirtschaftlichen Situation, die dazu geführt haben kann, wurden natürlich bei den lebhaften Gesprächen auf den einzelnen Ständen messepolitische Gründe herangezogen. Ein kritischer Punkt ist noch immer - wenn auch von der Messeleitung nicht so gesehen - die Collectione in Halle 8 mit Frühjahr- und Sommerneuheiten der kommenden Saison für Großeinkäufer aus dem großvolumigen Marktsegment. In der Halle 9 präsentierten sich im Bereich Passage rund 800 Aussteller aus Übersee. Bei den Chinesen gibt es kaum Rückgänge bei den Ausstellern, hingegen waren 77 Prozent weniger amerikanische Hersteller auf der Tendence vertreten.

Die zwei hinteren Hallen trugen also wahrscheinlich wenig bei zur Info- und Orderfrequenz in den Kernsegmenten Wohnen und Schenken, die auf der diesjährigen Tendence im Blickpunkt standen. Auch die Zahl der deutschen Aussteller sank von 1.200 in 2008 auf 913 im Jahr 2009. Der Angebotsbereich Giving umfasste das variationsreiche Angebot von rund 800 Ausstellern. Neben den Geschenkartikeln - klassisch, ausgefallen trendig oder witzige Schnelldreher - fanden Produkte aus Kunsthandwerk, Papeterie, Spielzeug, Gourmetgeschenke und besonders modischer und echter Schmuck viel Interesse und Zuspruch. Produkte rund um das moderne Interior Design standen bei Living im Mittelpunkt. 360 Aussteller zeigten hier Accessoires für den Wohnbereich, Haustextilien, Bilder, Rahmen und Leuchten.

Wenn auch das Angebotsspektrum radikal verkleinert war, in jeder der belegten Hallen Ebenen und Standflächen frei blieben, sorgten zahlreiche Trend-Inszenierungen für Belebung. Zum Thema Personal Shopper inszenierten die Designbüros Polka aus Wien und Doshi/Levien aus London jeweils eine Warenwelt für einen speziellen Lifestyle. Seit 2006 stellen auf der Tendence nach Vorbild aus der Modebranche persönliche Stilberater neueste Trends individuell für Kunden zusammen und geben damit Anregungen für die Sortimentsgestaltung und eine stilgerechte Präsentation im eigenen Laden.

Seit 2001 unterstützt die Messe Frankfurt Jungdesigner aus aller Welt mit dem Förderprogramm "Talents". Der jungen Avantgarde bietet sich auf den beiden Konsumgütermessen Ambiente und Tendence kostenfrei die Chance, sich einem Fachpublikum zu präsentieren und Partner aus Industrie und Handel zu finden. So mancher Jungdesigner startete hier seine Karriere und ist seither auf internationalen Messen vertreten. "Next" hingegen spricht junge Firmen mit Designhintergrund an, die bereits unternehmerische Erfahrungen sammeln konnten und sich fest in der Konsumgüterbranche etablieren möchten. Beide Inszenierungen waren in Halle 6.1, seit Jahren als Loft begehrte Anlaufstelle, zu sehen und der Weg lohnte sich auch diesmal, um spezielle Eindrücke und interessante Kontakte mitzunehmen. Das Ideenpotential dieser Inszenierungen ist erfrischend unkonventionell, aber ebenso oft klarlinig produktbezogen praktisch.

Müssen Alternativen zur Tendence gesucht werden?

Im Bereich der Haustextilien in Halle 4.1 hatte sich nicht viel verändert. Es fehlten kaum Aussteller, allerdings gab es auch keine besonderen Neuzugänge. Die Stimmung wurde zum Ende der Messe besser, war aber von Anfang an abwartend positiv. Natürlich wurde die schwache Besucherfrequenz bedauert. An manchen Ständen herrschte zeitweise gähnende Leere. Und natürlich wurde gefragt: wie geht es weiter mit der Tendence? Warum steckt sie überhaupt derart in der Klemme? Das Angebotsbild selbst zeigte keinerlei Müdigkeit, sondern deutlich das Gegenteil. Ein namhafter internationaler Aussteller betonte: "Wir können sicher nicht auf die maison & objet Anfang September in Paris verzichten, aber brauchen ebenso in Deutschland für die zweite Jahreshälfte eine internationale Orderbühne!"

Dennoch waren die zur Tendence versandten Einladungskarten stärker als bisher bestückt mit weiteren Orderterminen. TrendSet München und Early Bird in Hamburg folgen, während Innowa in Dortmund wenig auffiel, dafür Mailand, Verona, aber auch Messen in Dänemark und in den Niederlanden. "Wir müssen jede Möglichkeit nutzen, soweit es uns möglich ist!" Das gilt vor allem auch für das Aktivieren des Außendienstes und der Verbesserung des Internetauftritts. Die Möglichkeiten, wie sie bisher die international ausgerichtete Konsumgütermesse Tendence zu bieten versuchte, sind nicht so leicht einzuholen. Darüber ist man sich bei aller spürbaren Unzufriedenheit im Klaren. Also packen sich gerade die Textiliten nach bewährter Methode erst wieder am eigenen Schopf, arbeiten kreativ an ihrem Erscheinungsbild und versuchen möglichst nah an den Verbraucher zu kommen, um ihn so individuell wie möglich zu bedienen.

Die deutschen Besucher zogen erkennbar mit. Wie Thomas Grothkopp, Geschäftsführer des Bundesverbands für den gedeckten Tisch, Hausrat und Wohnkultur (GPK) feststellte, kamen in diesem Jahr mehr kleine und mittlere Facheinzelhändler zur Tendence. "Das schwache Exportgeschäft konnte durch die bessere Präsenz und Orderbereitschaft deutscher Fachhändler etwas abgefangen werden." Die Aussteller sehen darin den Mut und Unternehmergeist dieser kleinen, meist inhabergeführten Firmen. Der Fachhandel war in Frankfurt präsent, allerdings meist nur ein oder zwei Tage. Das Interesse galt Neuheiten und neuen Trends und man war auf der Suche nach neuen Lieferanten und Kontakten. Ein wichtiges Anliegen aber war für beide Seiten immer wieder das Thema Warenpräsentation und individuelle Kundenansprache - gerade für den kleineren Einzelhändler eine aufwendige Aufgabe, bei der er oft auf die Unterstützung des Lieferanten angewiesen ist.

Trends

Es war heiß in Frankfurt während der Tendence - und zusätzlich wurden die Fachbesucher zum Kuscheln und wohlig Verhüllen animiert. Decken und Plaids in wunderbar weichen und wertvollen Naturmaterialien und in lebhaften oder heimelig ruhigen Farben. Neben den Spezialisten wie Eagle Products, Elvang, Giesswein, Steiner, die mit ihrem eigenen Stil entsprechenden Feinheiten überzeugten, auf dem keine Decken oder Tagesdecken zu sehen waren - viel in grob- oder feinmaschiger Strick- oder in langhaariger Felloptik. Für diesen Produktbereich werden laufend dekorative und nachhaltig wertvolle Materialoptiken entwickelt, die eine eigene Wohnmode kreieren. Das Weihnachts-Angebot, das unverändert im Wohnbereich eine große Rolle spielt, in den letzten Jahren aber etwas mehr farblich den modernen Designtrends angepasst wurde und weniger stark auf traditionelle Emotionen setzte - man könnte sagen, es wurde "ent-sentimentalisiert" -, wurde wieder liebevoll in Rot, Grün und Weiß getaucht und zeigte im textilen Bereich viele Kleinigkeiten, die sich harmonisch ins Ambiente einbauen lassen, ohne kitschig oder überladen zu wirken. Es gab neue Stoff- und Druckideen, nostalgisch angehaucht und heiter. Sanfte Rückkehr zur deutschen Weihnacht mit viel Natur! Vor allem der altmodische Skiläufer mit langen Holzbrettern, weiter Hose und kraftvollen, breitbeinigen Schwunggebärden hatte es den Stilisten und Designern angetan, kam aber auch entsprechend gut beim Publikum an.

Ein wirkliches Langzeit-Programm, das sich zu einer eigenen Stilwelt entwickelt, der sich Haus- und Heimtextilien wie Tischwäsche oder Fensterdekoration fast unterwerfen, stellen Kissen dar - für Hersteller und Handel, vor allem auch für Möbelhäuser und Einrichter ein erfreuliches Kapitel, das Überlegungen für entsprechend übersichtliche und wirksame Präsentation fordert. Da hapert es noch ein bisschen. International werden besondere Stoffe gesucht und kreiert, wobei im festlichen Rahmen luxuriöse Stoffe mit metallischem Glanz in Schwarz, Silber und Gold, tiefen Rot- und Violetttönen auffielen. Die meisten Textilaussteller zeigten im gegebenen Rahmen ganze Wohnbilder, herkömmliche Einzelteile werden eingebettet in Themen. Auch Küchenwäsche wird nicht nebenbei gezeigt, sondern durchaus thematisch aufgegriffen.

Bettwäsche, wie sie bei einigen Manufakturen auf der Tendence zu sehen war, ist ein Edelprodukt für hohe und höchste Ansprüche, das seinen Kundenkreis hat: feine Satin- und Leinen-, aber auch Seidenqualitäten in Weiß, Grau, sanften Naturtönen, aber auch in sportlich-maskulin anmutenden Karos und Streifen, Stickereien und Spitzen werden kontrastreich und individuell kombiniert. Natürlichkeit, das Spiel mit Kontrasten, der Mix von zart und rustikal, heimisch und exotisch, das aber alles ruhig und eher dezent in nicht aufgeregter oder überladener Form, sind Trendmerkmale dieser Konsumgütermesse. Kontrast spielt auch im Farbbild eine Rolle, vor allem Schwarz/Rot- oder Schwarz/Weiß-Effekte. Daneben schmeicheln sich herbstliche Rotbraun- und Schokonuancen ein, aufgehellt durch Grün und angenehm dramatisiert durch Violett.

Die nächste Tendence findet vom 2. bis 6. Juli 2010 statt.
aus Haustex 08/09 (Wirtschaft)