Domotex, Hannover

Was gibt es außer Langflor-Teppichen?

Selten war es so schwer ein objektives Domotex-Fazit zu ziehen, wie in diesem Jahr. Echte Trends waren kaum auszumachen, der Langflorteppich war in unzähligen Variationen allgegenwärtig und ließ echte Produktinnovationen vermissen. Die Stimmung der Aussteller war in zwei Lager gespalten: Die Anbieter moderner Teppiche der Hallen 2, 3 und 5 waren überwiegend zufrieden mit dem Besucherinteresse. In den Orienthallen 14-17 hingegen war die Stimmung angespannt, die Gespräche drehten sich mehr über Sinn und/oder Unsinn der erneut hinzugefügten Halle 18, als um die aktuelle Marktsituation.

Auffällig auf der Domotex, wie auch den meisten anderen Messen der letzten Wochen und Monate: Der Fachhandel ist messemüde, die Gänge waren deutlich leerer. Die Einkäufer, die da waren, waren vorsichtig. Viele haben sich nur über die Neuheiten informiert, gekauft wird später oder nur das, was gerade wirklich gebraucht wird: Lagerbestände sind out, Ersatzkäufe liegen dafür klar im Trend. Beim Farbspektrum dominieren in diesem Jahr Naturfarben, Kupfer, Lila und Aubergine; der Terracotta-Trend ist endgültig vorbei.

Zufrieden waren vor allem Aussteller mit gut durchdachten Konzepten und gutem Service oder zugkräftigen Lizenzen à la Esprit Home oder Schöner Wochen. OCI aus Coesfeld beispielsweise hat den Messeauftritt bewusst auf die Vermarktung seines Shopkonzeptes ausgelegt, denn: "Wir wollen unsere Teppiche durch eine exklusive Präsentation vor Ort besser darstellen.", erläutert OCI-Geschäftsführer Heinrich-Jürgen Deutmeyer sein Konzept. Walter Aigner, Geschäftsführer von Tisca Textil ergänzt: "Die Zurückhaltung beim Lagergeschäft sollte eine weitere Stärkung des Kollektionsarbeitens mit sich bringen."

Nachgefragt wurden in allen Preisklassen vor allem die hochwertigen Varianten, einfach "billig" wurde eindeutig nicht bevorzugt. "Hochwertige Artikel in höheren Preisklassen sind gut gelaufen", bestätigt Jürgen Hemsel von Reinkemeier-Rietberg. Seine Begründung zu diesem Trend: "Die Nachhaltigkeit der Teppiche steht im Vordergrund, die Teppiche sollen einfach länger halten." Nachhaltigkeit ist nicht nur beim Thema Werterhalt und Qualität von Teppichen wichtig, sondern auch aus Sicht des Umweltschutzes. Denn stammen die Fasern aus nachwachsenden Rohstoffen, Viskosegarnen und viskoseartigen Garnen wie Bananenseide ist das ein wichtiges Verkaufsargument im Gespräch mit den Endverbrauchern.

Die vielen Besucher an den Ständen der Maschinenwebteppich-Anbieter zeigten deutlich, dass dieses Segment derzeit die Marschrichtung im Bereich der abgepassten Teppiche vorgibt. Vor allem ist der Shaggy noch immer das Maß aller Dinge. Ein Ende dieses Trends ist nicht abzusehen, in allen Produktgruppen werden fleißig neue Langflorqualitäten entwickelt. Fachhändlerin Nathalie Rieth-Aach von Tapis Hertz aus Luxemburg bringt es auf den Punkt: "Obwohl Shaggy schon seit zwei, drei Jahren in ist, war das Angebot in diesem Jahr extrem. Auf fast jedem Stand wurden Shaggy oder Kombinationen von Kurzflor mit Shaggy angeboten."

Verkauft wurden Langflorteppiche in allen Gewichtsklassen - von sehr günstigen leichten Qualitäten bis zum Schwergewicht mit über 7 kg / m2. Auch bei den verwendeten Garnen gab es nichts, was es nicht gab, gern auch in allen erdenklichen Mischungen. "Dabei beschränken wir uns nicht mehr auf ein Material," so Jürgen Hemsel von Reinkemeier-Rietberg, "sondern kombinieren zum Beispiel Acryl mit Fell oder Acryl mit Leder." Beim Shaggy ebenfalls beliebt: dezente Muster, glänzende Materialien, metallischer Look. Und was kommt nach dem Bestseller Shaggy? Das dürfe die "Eine-Millionen-Dollar-Frage sein", ein Nachfolger ist bislang nicht in Sicht.

Bei modern gemusterten Maschinenwebteppichen setzen sich immer mehr Muster mit von Hand nachgeschnittenen Konturen durch, diese Carvings lassen die Teppiche fast wie handgetuftet aussehen.

Die Farbbänke in diesem Segment folgen ganz klar dem allgemeinen Trend nach Beige, Kupfer, Braun, Aubergine und etwas kräftigem Rot. Weiterhin beliebt sind klassisch gemusterte Maschinenwebteppiche, gelten sie doch als günstige und solide Alternative zu echten Orientteppichen.

Einfache Handttuftteppiche haben im Vergleich zu den Vorjahren verloren, hier macht sich das immer hochwertiger werdende Erscheinungsbild der Webteppiche bemerkbar. Trotzdem: Anbieter, die sich stark für die Weiterentwicklung ihrer Kollektionen engagierten, durften sich über gute Verkäufe freuen. Neben den immer sehr kreativen Designs von Arte Espina, ist beispielsweise Stepevis Mienterra aus der Kollektion Stepevi Deep aufgefallen: Er gewann den Innovationswettbewerb von Wools of New Zealand als bester abgepasster Teppich, wie überhaupt alle platzierten Stücke handgetuftet waren.

Noch immer sind es Handtufts aus Acryl, die in dieser Produktgruppe den Ton angeben, Wollhandtufts werden wichtiger, setzen sich aber vor allem in Deutschland nur langsam durch. Jeremy Nichols, Sales und Marketing Director bei Asiatic Carpets aus London bestätigt: "Unsere Wollhandtuft-Kollektion Matrix haben wir in Europa sehr gut verkauft, in Deutschland jedoch war die Nachfrage schwach."

Und auch in dieser Produktgruppe wurden ausgesprochen viele Langflorteppiche gezeigt. Sogar Arte Espina ist mit der Lounge Collection dem Trend gefolgt.

Bei den Handwebteppichen geht der Trend immer mehr zu lebendig strukturierter Ware. Walter Aigner, Geschäftsführer von Tisca Textil bestätigt: "Handwebteppiche mit Struktur wurden in diesem Jahr stark nachgefragt." Bei Paulig waren ähnliche Tendenzen zu erkennen, hier wurde mit den stark nachgefragten Handweb-Qualitäten Heaven und Velvet außerdem der Trend zu Fellteppichen aufgenommen. Überhaupt waren flauschige Fellteppiche beliebt. Ebenfalls nicht zu vernachlässigen war das Interesse an Kuhhäuten und Patchwork-Lederteppichen, ob in Natur oder mit - gern glänzenden - Prägedrucken.

Die Nische Berberteppich wächst kontinuierlich, hier dominiert weiter wollweiß als Farbe, auch wenn die Anbieter zumindest etwas mutiger geworden sind und auch mal Grau- oder Brauntöne ins Sortiment aufgenommen haben. Dessins mit Ornamenten sind fast komplett aus den Programmen verschwunden, praktisch alle Teppiche sind uni durchgefärbt.

Den allgemeinen Trend bei Nepalteppichen, ob in Nepal oder Indien gefertigt, beschreibt Manfred Barfuss so: "Bordüren werden weniger, reduzierte Designs und Naturtöne sind gefragt. Möglichst hochwertig sollten sie sein, aber zu einem reduzierten Preis." Auch wenn die allgemeine Nachfrage in diesem Segment stagniert, ist der Nepalteppich nach wie vor ein bedeutender Umsatzträger. Das gilt vor allem für Teppiche, die nach Kundenwunsch gefertigt werden.

Eine Sonderstellung im Markt nehmen die Kreationen der Teppichdesigner ein, die sich abseits der Mainstream-Pfade bewegen. In diesem Bereich sind hier außerordentlich kreative und umtriebige Designer unterwegs. Innovationen bei den Nepalteppichen gehen vor allem von Designern wie Jan Kath, Jürgen Dahlmanns (Rug-Star) oder Michaela Schleypen (Floor to Heaven) aus. Mit ihren Arbeiten sprechen sie besonders junge, gut verdienende Menschen an, die sich sehr bewusst einrichten und leben und die in einem Teppich mehr sehen, als nur einen beliebigen Einrichtungsgegenstand.

Die Bestseller im Bereich der klassischen Orientteppiche sind weiterhin Ziegler, Gabbeh und Loribaft. Der Trend geht hier generell zu schlichteren Mustern, die Farbskala verschiebt sich von Rot zu Braun/Beige und Ton in Ton.

Der Mengenmarkt im Orientbereich, die preisliche Mittelklasse, ist fest in indischer Hand: Kollektionierte - und natürlich Qualitativ ansprechende - Nachknüpfungen aus Indien passen zum Trend kleiner Lagerbestände im Handel. Ein Dauerbrenner sind dezent dessinierte Kaschmir-Seidenteppiche.

Punkten können Teppiche aus dem Iran, wenn Individualität und Authentizität gefragt sind. In den unteren Preisklassen waren das individuelle Bauern- und Nomadenteppiche aus den Provenienzen Hamedan oder Shiraz. Bei den hochwertigen Manfakturteppichen waren besonders die Seidenteppiche, sowie die Proveninzen Nain und Täbriz gefragt, etwas weniger Bidjar. Im klassisch modernen Bereich sind echte Loribaft aus Südpersien nach wie vor hoch in der Gunst der Kunden.

Auch wenn der Markt für Orientteppiche seit Jahren rückläufig ist - als Renditebringer ist er für den Handel noch immer immens wichtig. Er wird schlechter geredet, als er wirklich ist, wie zum Beispiel Lutz-Einkäufer Ewald Schlögl findet: "Wenn den traditionellen Teppichen in den Wohnzeitschriften, Einrichtungsprospekten und diversen anderen Plattformen nur halb so viel Platz und Aufmerksamkeit geschenkt würde wie dem Shaggy, bräuchten wir uns um die Entwicklung in unserer Branche keine Sorge machen."

Während immer mehr Händler die Domotex scheinbar abgeschrieben haben, sieht der Österreicher eine Menge positiver Aspekte: "In Hannover treffen sich komprimiert Produzenten aus aller Welt, gibt es mehr Klasse statt Masse durch den Wettbewerb untereinander. Und wo gibt es noch einen so intensiven Gedankenaustausch mit Branchenkollegen?"
aus Carpet Magazin 02/09 (Wirtschaft)