Dr. Ulrich Leifeld, Geschäftsführer des Fachverbandes der Matratzen-Industrie e.V.

"Botschaft an Konsumenten muss deutlich verbessert werden"

Leider vernehmen wir gegen Ende des Jahres 2008 nahezu täglich Meldungen in den Medien, die uns bestätigen, dass wir uns in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit 1929 befinden. Das verwundert, denn im ersten Quartal hatte die deutsche Wirtschaft noch um 1,4 Prozent zugelegt. Plötzlich häufen sich die Negativmeldungen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sank das Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal 2008 um 0,5 Prozent gegenüber dem vorangegangenen Quartal. Bereits im zweiten Quartal war die Wirtschaftsleistung in Deutschland um 0,4 Prozent gesunken. Ökonomen definieren als Rezession, wenn die Wirtschaft eines Landes mindestens zwei Quartale in Folge schrumpft. Es ist also keine Frage, Deutschland befindet sich in einer Rezession.

Gerade Krisenzeiten können uns helfen, unser wirtschaftliches Handeln zu überdenken und ganz genau hinzuschauen. Leider stehen wir als Matratzenindustrie mit einem Produkt da, in das der Konsument ohnehin nur investiert, wenn er noch etwas Geld übrig hat. So bekommen wir die Krise sicherlich mit voller Wucht zu spüren. In unserer Branche sind im zweiten Halbjahr 2008 etliche Dinge passiert, die uns zeigen, wie schwierig diese Zeiten speziell für uns sind. Die Rohstoffpreise sind im Jahresverlauf drastisch gestiegen, glücklicherweise hat sich das etwas beruhigt. Wachstumsimpulse kamen in der deutschen Wirtschaft lediglich durch den Konsum der Bundesbürger, denn sowohl der Staat als auch die Bundesbürger haben ihre Ausgaben durch Konsum leicht gesteigert.

Für unseren Verband führen wir eine Statistik, deren Zahlen natürlich geheim sind, die aber den Mitgliedern untereinander ermöglicht, sich zu vergleichen und zu betrachten, wie stehe ich im Kontext meiner Wettbewerber im Markt da? Unter unseren Mitgliedern verzeichnen einige drastische Einbußen, wenn ich das 1. Halbjahr 2008 mit dem 1. Halbjahr 2007 vergleiche. Die noch interessanteren Zahlen für das 2. Halbjahr liegen noch nicht vor. Doch schon jetzt zeichnet sich eine ganz unterschiedliche Lage je nach Unternehmen ab. Bei einigen gibt es gute Zuwächse, bei anderen die genannten drastischen Verluste und bei einer kleinen Gruppe auch fast keine Veränderungen. Im Durchschnitt haben unsere Verbandsmitglieder etwa 2 Prozent weniger Matratzen an Menge und ca. 3 Prozent weniger an Erlösen erzielt. Dies betrifft lediglich das erste Halbjahr. Für das zweite Halbjahr werden die Zahlen voraussichtlich noch deutlich schlechter aussehen.

Wie es für uns alle im Jahr 2009 nun weitergehen wird, weiß niemand so genau. Nach Meinung etlicher Experten steht der Wirtschaft in Deutschland nun ein langer, harter Prozess bevor, der sich zur größten zyklischen Krise entwickeln kann, die der Kapitalismus je durchgemacht hat. Eins steht bereits fest: Das einzige, was demnächst steigen wird, sind die Arbeitslosigkeit und die Firmenpleiten. Von der Wucht und der Dynamik des Untergangs sind selbst pessimistische Volkswirte überrascht. Angesichts dieser Tatsachen verwundert die völlige Hilflosigkeit der Politiker, die versuchen, die Krise klein zu reden oder mit verzweifelten Durchhalte-Parolen die Stimmung zu retten. Der viel befürchtete Dominoeffekt hat schon längst begonnen, und niemand kann ihn stoppen. Der Ausgang ist ungewiss.

Wir können aber da ansetzen, wo wir als Industrie stehen. Uns ist sehr genau bewusst, dass wir ein Produkt herstellen, das nicht besonders imageträchtig ist und das auch gerne mal verspätet gekauft wird. In der Branche wissen wir, dass eine Matratze aus mikrobiologischen Gründen etwa sieben bis zehn Jahre (je nach Pflege, Raumklima, Qualität) hält. Auch eine gut hergestellte Qualitätsmatratze, die ergonomisch möglicherweise 30 Jahre halten könnte, ist aus hygienischen Gründen nach der genannten Zeitspanne am Ende ihrer Nutzungsdauer angekommen. Hier sehe ich einen natürlichen Ansatzpunkt, dem Endkunden glaubhaft zu vermitteln, dass es jenseits wirtschaftlicher Faktoren unumgänglich ist, sich etwa zehn Mal im Leben eine neue Matratze zu kaufen. Leider erreicht den Konsumenten diese Botschaft nicht oder nur unklar. Wir verkaufen ein eigentlich einfach zu verstehendes Produkt, verwenden aber Begriffe, die den Endkunden irritieren. Hier müssen wir viel umfassender und besser informieren. Es erreichen uns etliche Kontaktversuche verzweifelter Endkunden, die sagen, sie wollen in ihre Gesundheit investieren, aber nicht wissen, wie. Sie haben erkannt, dass die Volkskrankheiten Rückenleiden und Allergien einen ganz engen Bezug zum Schlafen und zur Wahl des richtigen Schlafsystems haben.

Wir in der Branche haben aber noch nicht immer richtig erkannt, wie wichtig es ist, die nach Informationen Suchenden entsprechend zu bedienen. Vom Marketing wissen wir, dass sich die meisten Ansätze zur Werbewirkungsforschung auf die Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen konzentrieren. Es ist wichtig und gut, diese Gruppen anzusprechen, aber gerade die ersten Wohnungseinrichtungen verschlingen soviel Geld, dass an der Matratze gespart wird. Sie wird zumeist vor allem nach einem Kriterium gekauft: dem Preis. Wenn wir Qualität und besondere Eigenschaften von Matratzen kommunizieren möchten, dann müssen wir auch ganz gezielt die Menschen ansprechen, die dafür empfänglich sind und über die entsprechende Kaufkraft verfügen. Besonders interessant sind für uns deshalb Menschen ab 50. Durch den demografischen Wandel und weitere Erkenntnisse rückte im letzten Jahrzehnt die Gruppe der "Best Ager" und "Silver Ager" mehr in den Fokus. Diese Personen (ab 50 Jahre) sind für die Matratzenindustrie besonders interessant, denn sie haben einen gewissen Qualitätsanspruch und sind bereit, tatsächlich Geld für die Erfüllung dieses Anspruchs auszugeben. Nach einer Studie der Werbeagentur Grey kann man die Konsumenten ab 50 in drei Gruppen einteilen:

Der "Master Consumer" ist 50-59 Jahre alt, überwiegend noch berufstätig, auf seinem Karrierehöhepunkt mit entsprechendem Einkommen, aktivem Lebensstil und Neuem gegenüber aufgeschlossen. Teilweise leiden diese Personen schon unter beginnenden gesundheitlichen Einschränkungen. Dies sind also genau die Menschen, die wir zum richtigen Zeitpunkt "erwischen" können, um auf die Vorteile der richtigen Matratze und des passenden Schlafsystems aufmerksam zu machen. Wenn der Vorteil und Nutzen, insbesondere für Gesundheit und Wellness deutlich wird, haben wir auch in der Krise Konsumenten für unser Produkt.

Zur Gruppe der "Maintainers" gehören Menschen im Alter von 60-69 Jahren. Überwiegend im Ruhestand und finanziell abgesichert genießen sie die neu gewonnene Freiheit. Sie leiden teilweise unter stärkeren gesundheitlichen Einschränkungen und sind von daher für das Thema "gesundes Schlafen" sensibilisierbar. Zudem haben sie Zeit, sich zu informieren, Produkte auszuprobieren und verfügen über die finanziellen Möglichkeiten, sich das Leben komfortabel zu gestalten.

Die "Simplifiers" als dritte Konsumentengruppe sind über 70 Jahre alt, verfügen über klare Rollenvorstellungen, leben eher zurückgezogen und leiden unter stärkeren gesundheitlichen Einschränkungen. Sie sind eher weniger konsumfreudig.

Nachdem wir uns im Verband ganz genau überlegt haben, warum wir vor allem die Menschen zwischen 50 und 70 Jahren ganz gezielt ansprechen wollen, haben wir in einem zweiten Schritt überlegt, wie wir das am besten machen. Der Vollständigkeit halber soll nicht unerwähnt bleiben, dass wir auch allen anderen gerne Informationen geben, aber wir stellen uns in unserer Kommunikation auf die besagte Zielgruppe ganz genau ein, zumal diese Personengruppe stetig wächst.

Unsere Mitglieder haben investiert, denn ab dem 1. Januar 2009 präsentieren wir uns mit einem neuen, umfassenderen und informativen Internetauftritt. Das halten wir für eine sehr gute Möglichkeit, unsere Informationen weit zu streuen. Wir als Verband sind in keiner Weise am Vertrieb und Verkauf von Matratzen beteiligt, und können deshalb ausgewogene Informationen zu den Matratzentechnologien und Schlafsystemen geben und verraten, worauf man beim Matratzenkauf achten sollte. Dabei unterstützen wir gleichzeitig den Handel und insbesondere den Fachhandel, indem wir immer wieder auf die Wichtigkeit der individuellen Beratung und des Probeliegens hinweisen. Die Informationsversorgung kann also über das Medium Internet erfolgen, wir warnen aber indirekt davor, Matratzen ebenfalls auf diesem Wege zu kaufen. Gleichzeitig fordern wir aber auch vom Handel die Beratungsqualität ein, die dem Kunden beim Kauf zusteht. Hier zeigen viele Erfahrungen in Möbel- und Warenhäusern, dass viele Verkäufer noch nicht da stehen, wo wir sie gerne sähen. In Bettenfachgeschäften ergibt sich oftmals ein anderes, besseres Bild. Wir müssen - gerade in Zeiten der Krise - auch in unsere Fähigkeiten investieren. Ein gut informierter Berater ist der beste Verkäufer. Wer unter www.matratzenverband.de nachschaut, wird sehen, dass unser Auftritt eher nüchtern und zurückhaltend ist. Das haben wir im Hinblick auf unsere Wahrnehmung als "neutrale Institution Verband" und unsere primäre Zielgruppe ganz bewusst so gestaltet. Wir möchten ruhig, elegant, aber nicht verschlafen mit einem informativen Auftritt im Internet wahrgenommen werden.

Gleichzeitig haben wir verbesserte Möglichkeiten eingebaut, die Presse und Fachpresse zu informieren. Uns freut besonders, dass unsere ersten Bemühungen fruchten und die Medien (Zeitungen, Zeitschriften, TV) nun verstärkt über das Thema "Schlafen" und "Matratze" berichten. Hier sind wir nun in der Lage, mit einer Online-Pressemappe interessierte Journalisten mit bereits für ihre Zwecke aufbereiteten Informationen zu versorgen. Vielen Journalisten fehlt heute einfach die Zeit, über dieses Thema gründlich genug zu recherchieren. Manchmal entstehen dadurch keine oder fehlerhafte Beiträge. Auch hier setzen wir verstärkt an. Bei der Pressearbeit fällt auf, dass Journalisten gerne "Alt-Bewährtes" noch einmal erzählen. Anstatt des überholten Irrglaubens "auf harten Matratzen schläft man besser" möchten wir hören, dass eine Matratze nach sieben bis zehn Jahren das Ende ihrer Nutzungsdauer erreicht hat und dass daran auch mit einer härteren Matratze nichts zu ändern ist. Die meisten Journalisten interessieren sich für das, was im Trend ist. So wird viel und gerne über Matratzen aus Schaumstoff berichtet, aber es gelingt kaum, Informationen über Federkern- und Latexmatratzen in die Presse zu bekommen. Hier ist die Industrie dringend gefragt, zusätzliche Anstrengungen zu unternehmen, damit der Endkunde ausgewogen über alle diese drei Technologien informiert wird.

Die IMM Cologne hat mit dem Fachverband Matratzen-Industrie e.V. ebenfalls schnell auf die Zeichen der Zeit reagiert. Wir wollen am Messesamstag und -sonntag den Endkunden, der sich in Halle 9 "sleep" einfindet, erstmalig mit einem bunten Programm unterhalten. Es liegt uns fern, Messebesucher zu belehren, aber wenn sie unterhaltsam auf die Wichtigkeit guten Schlafens und die Bedeutung des Schlafsystems hingewiesen werden, dann tragen wir zu einer konsumfreudigen Haltung bei. Neben der traditionellen Party in der Halle 9 am Messedienstag für die Fachbesucher haben wir konzeptionell nun noch daran gearbeitet, auf der Fläche des Verbandes in diesem Jahr auch unsere Endkunden anzusprechen.

Zusammenfassend betrachtet ist es schlimm, dass wir momentan von einer Krise dieses Ausmaßes überrumpelt werden. Als Matratzenhersteller sollten wir aber nicht wegen der Plötzlichkeit erstarren, sondern nicht müde werden, dem Endkunden unsere Produkte und ihren Nutzen zu erklären. Den Handel möchten wir motivieren, ebenfalls entsprechende Verkaufsinitiativen zu starten und gemeinsam zu agieren. Die Handelsverbände bitte ich inständig, den Preisdruck auf die Industrie nicht noch stärker werden zu lassen. Auch für die Hersteller von Matratzen wünsche ich mir für 2009 eine größere Geschlossenheit. Bitte überdenken Sie vor allem die Qualität in den unteren Preislagen. Kann noch als gute Matratze bezeichnet werden, was bereits für um die 100 Euro im Discounter zu kaufen ist? Wollen und können wir selbst dazu beitragen, dass der Ruf der Matratzenqualität immer schlechter wird, weil letzten Endes nur über den Preis agiert wird? Sie stehen zwar in einem wirtschaftlichen Wettbewerb, aber nur gemeinsam kann man daran arbeiten, dass unsere Branche die wirtschaftlichen Turbulenzen relativ unbeschadet übersteht - und der Endkunde weiterhin gut und sicher schläft.
aus Haustex 01/09 (Wirtschaft)