Bodenbeläge auf der Bau und auf der Domotex 2009

Strategien für die Zukunft

Der Start des Bodenbelagjahres 2009 war geprägt von der ewigen Konkurrenz der beiden Messeplätze München und Hannover, die alle zwei Jahre die Branche durch die Republik treibt. Tatsächlich hat sich die Bau in diesem Jahr als Treffpunkt für das Objektgeschäft manifestiert, die Domotex bleibt aber unverzichtbar für Handel und Export. Shooting-Star auf Produktseite waren Vinyl-Fertigböden bzw. Designböden. Sogar der Holzhandel springt darauf an. Hier scheint die Industrie eine vielversprechende neue Nische entdeckt zu haben. Bei textilen Belägen sind Hotelkollektionen, Fliesen und Weiterentwicklungen in Webware wichtige Themen. Und beim Dauerbrenner Shag wird versucht, mit neuen Ideen den Produktlebenszyklus zu verlängern. von Claudia Weidt

Vor dem Hintergrund der weltweiten Wirtschaftskrise und der ohnehin gedrückten gesamtwirtschaftlichen Lage war es in diesem Jahr unglücklich, dass mit der Münchner Bau und der Domotex in Hannover gleich zwei internationale Leitmessen stattfanden - und das auch noch direkt nacheinander. Die Folge war, dass sich die Bodenbelagsbranche zersplitterte und nirgendwo den Eindruck vermittelte, geschlossen präsent zu sein.

So waren beispielsweise die Mitglieder des FEB (Fachverband elastischer Bodenbeläge) bis auf Windmöller Flooring komplett in München versammelt. Auch textile Objektspezialisten wie Anker, Interface, Object Carpet, Egetaepper und Carpet Concept hatten die Bau der Domotex vorgezogen, ebenso etliche Unternehmen von Rang und Namen aus der Laminat-, Parkett- und Verlegewerkstoff-Industrie.

Einige wenige Marktgrößen wie Dura, Fabromont, Findeisen und die Norddeutsche Teppichfabrik leisteten sich zwei Stände und beschickten beide Veranstaltungen.

Die mehr auf die Handelstrukturen und den Export fokussierten Anbieter wie die großen Belgier und ihre Kollegen aus den Niederlanden hielten dagegen an der Domotex fest.

Fakt ist, dass die Hersteller, die ihren Lebensnerv im Objekt sehen, nicht an der Bau vorbei kommen. Dura-Geschäftsführer Peter Farber, der an beiden Messen teilnahm und insofern den unmittelbaren Vergleich hatte, brachte es auf den Punkt: "Die Besucher auf der Bau deckten das gesamte Portfolio der bundesweiten Entscheider hinsichtlich Planen und Bauen ab: Architekten, Innenarchitekten, Bauingenieure, Bau- und Generalunternehmen, kommunale Bauämter, Hotelbetreiber, Objekteure und Handwerker - und oft mit konkreten Projekten." Auch Großhandel und Fachhandel waren deutlich stärker vertreten als früher - zwar mit regionalem Schwerpunkt auf Süddeutschland, doch wurden auch vermehrt Kunden aus diesem Kreis von nördlich der Mainlinie gesichtet - bis ganz hoch aus dem Norden. Farbers Fazit: "Die Bau ist das absolute Top-Event der Baubranche und für alle Firmen, die das Geschäftsfeld Objekt aktiv bearbeiten, unverzichtbar."

Denn: Kein Architekt fährt nur wegen Bodenbelägen nach Hannover. Nicht nur das, es ist noch viel erschütternder: Die vielen Architekten, die zum Contractworld Congress in Halle 4 kommen, würdigen die benachbarten Bodenbelagsstände nicht eines Blickes. Diese Ignoranz ist schon erschreckend.

Auf der Bau findet der Architekt dagegen das gesamte Spektrum der für ihn relevanten Produkte - von der Drainage bis zum Dachziegel - und nimmt dabei auch die Gelegenheit wahr, sich über Bodenbeläge zu informieren.

Fakt ist aber auch, dass die Domotex unverzichtbar für das Handelsgeschäft und den Export ist. Zwar hat die Bau an Internationalität gewonnen, kommt aber bei weitem nicht an die weltweite Bedeutung der Konkurrenz aus dem Norden heran. Hier ist der Effekt genau umgekehrt: Die Einkäufer aus Polen, Aserbeidschan, Dubai, Indien, Australien und den USA interessieren sich ausschließlich für Bodenbeläge und nicht für Fassadenelemente oder Waschtische.

Dennoch hatte die Domotex dieses Jahr klar unter dem Erstarken der Bau gelitten. In Verbindung mit den ungünstigen weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen hat sie das spürbar Besucher gekostet. Und auch dazu wollen wir noch einmal Peter Farber zu Wort kommen lassen: "Eine wichtige Erkenntnis aus der diesjährigen Messeteilnahme ist die deutlich abnehmende Besucherzahl, die allerdings sehr differenziert betrachtet werden muss. War die internationale Laufkundschaft subjektiv gefühlt merklich rückkläufig, so waren die Gespräche mit allen strategisch bedeutsamen Ist- und Zielkunden aus allen Bereichen der Distribution national und international sehr viel intensiver und von konzeptioneller und strategischer Natur."

Diese Erfahrung teilen auch andere Aussteller der Domotex. Etliche berichteten von stärkerer Frequenz gegenüber den Vorjahren, trotz des Besucherrückgangs. Und der führende Kopf eines großen Herstellers wollte seinen Namen nicht genannt wissen, als er offenbarte, dass er es eigentlich begrüße, wenn Mitbewerber auf die Domotex verzichten, weil sein Unternehmen davon profitiere...

Wir denken, dass sich die Branche tatsächlich auf einen alternierenden Rhythmus einpendeln wird: In den geraden Jahren pilgert sie zur Domotex, in den ungeraden wandert ein Teil zur Bau ab. Wobei mancher sich nicht zu einseitig auf die Bau stützen sollte: Tarkett beispielsweise, die mit CV, einer ihrer wichtigsten Produktgruppen, ein reines Handelsgeschäft betreiben, gehört auch auf die Domotex.

Die Stimmung auf den Messen war erstaunlicherweise alles andere als negativ, sondern pragmatisch und sogar von einer gewissen Gelassenheit. Und das, obgleich derzeit keine guten Bodenbelagszeiten herrschen; und vor allem keiner weiß oder zu prognostizieren wagt, was 2009 und die weitere Zukunft bringen.

Tatsächlich legt das vergangene Jahr, das sich erst gar nicht so schlecht anließ und dann in der zweiten Hälfte als Konsequenz der Finanzkrise manchen Umsatztraum beendete und manche Planung abrupt Makulatur werden ließ, eigentlich nur die Schwachstellen der Unternehmen bloß. Wer rein kurzfristig umsatz- und mengenorientiert gedacht hat, ohne sich ein Profil und damit einen USP zu schaffen, ohne in die Zukunft vorzudenken, ohne eine Vision zu formulieren... der erhält jetzt die Quittung.

Denn gerade die Märkte, die bislang zwar auch umkämpft, aber immer aufnahmebereit waren, wo sich Quadratmeter um Quadratmeter hinpumpen ließen, brechen am stärksten ein: Russland, die Ukraine und Weissrussland. Dort verteuert zum einen der Währungsverfall die Ware extrem. Zum anderen werden die (Groß-)Kunden, die mit kurzlaufenden Krediten arbeiten, plötzlich von den Banken mit horrenden Zinsen von 30 % und mehr konfrontiert, verzichten zwangsläufig auf das Geld und sind dadurch nicht mehr flüssig. Folge: Der Warenfluss versiegt. Ebenso problematisch ist Großbritannien, traditionell ein bedeutender Abnehmer für die Mengentufter aus Belgien und den Niederlanden.

So sitzen sie nun alle auf ihren Kapazitäten und wissen nicht, wohin damit. Die belgische Teppichboden-Exportstatistik wies allein für die ersten neun Monate ein Minus von 13,6 % in der Menge und sogar 14,9 % im Wert aus. Das dürfte sich im letzten Quartal eher noch verschärft als verbessert haben und verdeutlicht den Druck, unter dem die Unternehmen stehen. Denn es gibt weltweit kein Ventil für ihre Millionen-Volumina. Wer nun glaubt, irgendwann platze der Knoten, der Nachfragestau löse sich auf und die Umsätze sprudeln wieder, verkennt die Situation, in der sich die Bodenbelagswelt befindet - nämlich in einem signifikanten Umbruch, der durch die äußeren Umstände nur schneller und massiver zu Tage tritt. Das erfordert ebenso entschlossenes wie weitblickendes Handeln. Die "guten alten Zeiten" sind endgültig vorbei. Wer morgen und übermorgen noch am Markt existent sein und eine Rolle spielen will, muss sich klar positionieren und profilieren - mit Produkten, mit Marketing und vor allem mit Kundenorientierung. Service ist das Schlüsselwort. Der Kunde muss sich ernst genommen, gut aufgehoben und gut bedient fühlen - zumal es immer weniger Kunden gibt. Denn die Branche wird sich weiter konzentrieren und das auf allen Ebenen: In der Industrie genauso wie im Großhandel, Fachhandel und Handwerk.

Tatsächlich scheinen kleinere, bewegliche (Familien-)Unternehmen für diese Herausforderung besser gerüstet zu sein. Weil sie flexibler agieren können, flachere Hierarchien und damit kürzere Entscheidungswege haben, dichter am Markt und an den Kunden sind und vor allem, weil nicht "Shareholder Value" und kurzfristige Gewinnmaximierung im Vordergrund stehen, sondern das Wohlergehen und die langfristige Existenzsicherung der Firma und ihrer Mitarbeiter.

Eine wesentliche Aufgabe von Messen ist die Präsentation von Neuheiten. Nirgendwo anders hat man die Gelegenheit, einen solch umfassenden Überblick über das aktuelle Marktangebot zu gewinnen. Was die einzelnen Hersteller in München bzw. Hannover vorgestellt haben, lesen Sie bitte auf den folgenden Seiten.

Wir wollen hier aber noch auf die interessantesten Themen hinweisen: An erster Stelle sind das die neuen Design-Fertigböden bzw. Vinyl-Fertigböden mit einem Designbelag als Nutzschicht, HDF-Träger, teilweise mit zusätzlicher Kork-Zwischenlage und selbstverständlich mit Klicksystem leimfrei verlegbar. Bei Handel und Handwerk seien die Beläge hervorragend angekommen, berichten die Anbieter unisono: Sie sehen attraktiv aus, sind leise, gehkomfortabel, da elastisch, pflegeleicht und lassen sich problemlos verlegen. Vor allem entfällt die lästige, aufwendige Untergrundvorbereitung. Das sind eine Menge Argumente, die für diesen neuen Produkttyp sprechen. Sogar der Holzhandel, sonst strikt auf Holzböden, Parkett und Laminat fixiert, hat das Potenzial von Design-Fertigböden erkannt und bereichert sein Sortiment damit.

Aufbau und Prinzip der Design-Fertigböden sind nicht neu; vergleichbare Produkte mit Linoleum als Nutzschicht sind schon seit einigen Jahren auf dem Markt und haben sich dort auch eine Fan-Gemeinde geschaffen. Der Absatz in diesem Nischensegment wird mittlerweile auf 600.000 qm geschätzt. Das dürften Design-Fertigböden deutlich übertreffen - zumal die übergeordnete Gattung der Designbeläge unverändert im Wachsen begriffen ist. Zwar liegen keine offiziellen Daten vor, verschiedene Schätzungen bewegen sich jedoch einstimmig um 6 Mio. qm.

Im textilen Bereich sind die vielen neuen Hotelkollektionen erwähnenswert. Die B.I.G-Gruppe stellt bei ihrer Objekt-Linie Carus ein durchdachtes, leicht verständliches (Chromojet)-Programm vor, die Dura rückt ihre Schurwoll-Marke TWN mit einem Hotelkoffer mehr in Richtung Objekt und Vorwerk richtet mit seinen edlen Castello-Axminsterböden, die höchste Qualitäts- und Designanspruche erfüllen, internationale Luxushotels ein. Zugleich besetzen die Hamelner mit ihrer volltextilen Fliesenkollektion Textiles ein weiteres zukunftsträchtiges Feld, genauso wie Halbmond. Bei Webware sucht die Norddeutsche mit ihrer neuen Kollektion Mezzo Part 1 eine eigenständige Identität, Anker beeindruckt mit raffinierten, kreativen Weiterentwicklungen seines Klassikers Perlon Rips, die teilweise mehrfach designpreis-gekrönt wurden. Und schließlich darf der Dauerbrenner Shag nicht fehlen; hier wird mit verschiedenen Variationen versucht, den Produktlebenszyklus noch einmal zu verlängern: durch Druck, neue Garn-Entwicklungen und -kombinationen, Effektgarne, andere Einstellungen etc. Überzeugen konnte hier vor allem der niederländische Tufter Edel mit seinen gelungenen neuen Qualitäten.
aus BTH Heimtex 02/09 (Wirtschaft)