Caparol: Interview mit Horst Tietjen, Vorsitzender der Geschäftsführung

"Die intensive Zusammenarbeit mit dem Großhandel zahlt sich aus"

Die weltweite Farben- und Lackbranche ist durch gewaltige Firmenakquisitionen gekennzeichnet. "Auch Deutschland ist davon am Rande betroffen", räumt Horst Tietjen ein, Vorsitzender der Geschäftsführung von Caparol, der Nr. 1 in Deutschland und Nr. 3 in Europa. "Eine deutliche Veränderung des Profi-Bautenanstrichmittelgeschäftes wird daraus jedoch nicht resultieren", gibt er sich gelassen. Mit welchen Mitteln das Familienunternehmen der Kapitalmacht der global agierenden Chemiekonzerne sowie den übrigen Wettbewerbern trotzt und welche Rolle dabei der Farben führende Großhandel spielt, wollte Ulrich Baumert, stellvertretender Chefredakteur von BTH Heimtex, von Tietjen wissen.

BTH Heimtex: Herr Tietjen, 2006 verzeichnete Caparol einen enormen Geschäftserfolg. Konnte dieser Kurs fortgesetzt werden?

Tietjen: 2006 war ein ganz tolles Jahr im Allgemeinen für die gesamte Branche, und im Speziellen für Caparol. 2007 ging richtig gut los, weil wir keinen Winter hatten und darüber hinaus in den ersten vier Monaten Überhänge abzuarbeiten waren. Dann gestaltete es sich schwieriger. Das hohe Niveau aus 2006, das speziell in der zweiten Jahreshälfte entstanden war, konnte nicht gehalten werden. Damit war auch zu rechnen, zumal es 2006 in manchen Monaten Zuwachsraten von 50% gegeben hatte. Insgesamt verlief 2007 zufriedenstellend. Aus der Sicht von 2005 hätte ich gesagt "ein richtig gutes Jahr".

2008 begann klimabedingt ebenfalls recht gut. Im März flachte das Geschäft leicht ab, wofür es einfache Gründe gibt: Zum einen war das Wetter nicht durchgängig schön, und dazu kamen drei Feiertage, die einluden, Brückentage zu nehmen. Kurzurlaube nehmen inzwischen überall zu, so dass solche Wochen nicht unproblematisch sind. Seit April ist die Nachfrage wieder erfreulich und berechtigt zu vorsichtigem Optimismus.

BTH Heimtex: Als Marktführer auf dem Sektor Bautenfarben sieht sich Caparol einem starken Wettbewerb ausgesetzt. Kann das Unternehmen seine Position behaupten?

Tietjen: Durch eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit dem Großhandel haben wir unsere Position behaupten und in Teilbereichen auch ausbauen können. Festzustellen ist, dass sich der farbige Elefant zunehmender Beliebtheit erfreut. Da unser Haus sehr viel für seine Marktpartner tut, lehnt sich der Großhandel durchaus gern bei Caparol an, um eine solide Basis für sein Gesamtgeschäft zu haben.

BTH Heimtex: Wie stellt sich für Caparol das Auslandsgeschäft dar?

Tietjen: Weltweit beschäftigt die Caparol-Firmengruppe rund 4.500 Mitarbeiter und erwirtschaftete 2007 einen Umsatz von 980 Mio. EUR. Damit ist das Unternehmen der drittgrößte Farbenproduzent in Europa. Im vergangenen Jahr machte das Auslandsgeschäft etwa 35% aus - Tendenz steigend. Als Deutschland-Verantwortlicher von Caparol kann man schon ein wenig neidisch auf die Zuwachsraten im Export werden. Zu einem Riesenmarkt hat sich Osteuropa entwickelt. Auch dort werden wir zusätzliche Produktionsstätten benötigen, denn es gibt eine ganze Reihe von Produkten, die zu hohe Transportkosten nicht vertragen. Massenware bedingt eine Fertigung vor Ort. Der Standort Ober-Ramstadt wird dadurch in keiner Weise geschwächt.

BTH Heimtex: Wie beurteilen Sie die aktuelle Entwicklung im Farben- und Lackgeschäft?

Tietjen: Gewaltige Firmenübernahmen prägen derzeit das weltweite Farben- und Lackgeschäft. Auch Deutschland ist davon am Rande betroffen, ohne dass sich das Profi-Bautenanstrichmittelgeschäft dadurch deutlich verändern wird.

BTH Heimtex: Nach wie vor hat Caparol das Image eines Familienunternehmens, was am Markt für einen nicht zu unterschätzenden Sympathiebonus sorgt. Dagegen sehen Sie sich im unmittelbaren Wettbewerbsumfeld mit Konzernen wie Akzo Nobel und Sigma Kalon / PPG konfrontiert. Ist das ein Nachteil?

Tietjen: Wer sich in Deutschland das Bautenanstrichgeschäft genau anschaut, dem wird im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern auffallen, dass sich die Bedeutung der Konzerne in Grenzen hält. Es gibt ja darüber hinaus noch zwei namhafte und recht bedeutende Direktanbieter, die ebenfalls mittelständische Strukturen aufweisen und inhabergeführt sind. Wenn sich Caparol weiterhin darauf konzentriert, den Großhandel mit richtungweisenden Produkten und einem adäquaten Service effizient zu unterstützen, bin ich zuversichtlich, dass wir unsere Position beim Handwerk stärken und im Wettbewerb gut bestehen.

BTH Heimtex: Wie beurteilen Sie generell die Situation im deutschen Großhandel?

Tietjen: Der manchmal schon totgesagte Großhandel erfährt seit einigen Jahren eine Wiederbelebung. Gerade im Zeitraum 2005 bis 2006 wurde deutlich: Wenn der Großhandel im Vergleich zum Direktanbieter in der Lage ist, ein attraktives Leistungspaket zu bieten, macht er den Markt. Wir sind uns zudem sicher, dass das Geschäft in den kommenden Jahrzehnten noch mehr durch Menschen entscheidend gestaltet wird, weil es immer schwieriger wird, sich über das Produkt zu differenzieren. Dazu kommt die Kundennähe: Dass sich in den letzten zweieinhalb Jahren die Anzahl der Großhandelsstandorte erhöht hat, spricht für sich.

BTH Heimtex: Diese Strategie wird allerdings auch von der Akzo-Großhandelssparte verfolgt...

Tietjen: ...mit einem gravierenden Unterschied: Wir sehen den Großhandel als jemanden, der nicht nur eine Marke vertreibt, sondern bei dem der Handwerker aus einem breiten Sortiment wählen kann. Sowohl bei den Caparol Marketingpartnern als auch bei den CMS-Großhändlern stehen dem Maler Alternativen zu unseren Profimarken Caparol und Alligator zur Verfügung. Dagegen wollen andere den Absatz ihrer eigenen Produkte fast ausschließlich vorantreiben - abgesehen von einigen Ergänzungen.

BTH Heimtex: Wie stellt sich die Wettbewerbssituation von Caparol gegenüber den Direktvermarktern dar, den sogenannten Kofas?

Tietjen: Das Handwerkergeschäft bei Malern und Stuckateuren hatte sich über viele Jahre aus Lieferersicht stärker den Direktanbietern zugewendet, so dass die Malereinkaufsgenossenschaften und der Farbengroßhandel mehrheitlich Marktanteile abgeben mussten. Viele Direktanbieter stellten sich zudem erfolgreich den Herausforderungen in Ostdeutschland. Nachdem Mitte der 90er Jahre ein deutlicher Nachfragerückgang auf dem Sektor Bautenanstrichmittel eintrat, begannen die Malereinkaufsgenossenschaften und Farbengroßhändler ihre Leistungsangebote zu überarbeiten, um wieder offensiver zu werden.

Im Jahr 2000 begann Caparol als wichtiger Lieferant für Bautenanstrichmittel und Wärmedämm-Verbundsysteme, die Zusammenarbeit mit den Malereinkaufsgenossenschaften und Farbengroßhändlern nochmals zu intensivieren und konzentrierte sich auf leistungsstarke Großhandelsunternehmen, die unabhängig von ihrer Gesellschaftsform seit einigen Jahren wieder Marktanteile zurückgewinnen konnten. Die besonders kundenorientierte, auf den Handwerker ausgerichtete Zusammenarbeit und die vorbildliche Kundennähe unter anderem wegen der vielen Standorte bilden die Basis für die Verbesserung der Marktposition der zweistufig aufgestellten Anbieter für Maler und Stuckateure.

Alle Caparol-Marketing-Partner sowie einige weitere Großhändler bieten an über 300 Lieferstandorten Produkte aus unserem Hause an. Diese Kundennähe ist in Deutschland einzigartig und kann von den Direktanbietern sicherlich nicht so schnell erreicht werden. Was wir immer wieder beobachten: Wenn ein Großhändler seine Region engagiert bearbeitet, haben es neue Niederlassungen von Direktanbietern enorm schwer, Fuß zu fassen. Seit 2005 ist die rückläufige Marktbedeutung des Großhandels gestoppt. Immer mehr Grossisten sind wach geworden und entwickeln Konzepte, um ihr Leistungsspektrum auszubauen. Diese Tendenz zeigt sich auch 2008.

Mittelfristig sehen wir ein weiteres Erstarken der Lieferposition der Malereinkaufsgenossenschaften und des Farbengroßhandels, die wir seitens Caparol durch eine weitere Optimierung der Aufgabenteilung im Profi-Markt fördern werden. Im Mittelpunkt steht für uns der Kunde, der Maler- und Stuckateurbetrieb, für den einfach zwei Partner, nämlich der Handel und Caparol, mehr leisten können und auch wollen. Caparol ist und bleibt also aus historischen und strategischen Gründen aufs engste mit dem Großhandel verbunden. Mit ihrem umfassenden Sortiment bieten die guten Händler an ihren Standorten darüber hinaus eine nahezu konkurrenzlose Auswahl an Materialien, Werkzeugen und Maschinen. Die Malereinkaufsgenossenschaften besitzen bei ihren Mitgliedsfirmen eine natürliche enge Kundenbindung, die die Farbengroßhändler als Unternehmer vor Ort zu ihren Kunden erreichen.

BTH Heimtex: Wie halten Sies mit Eigenmarken?

Tietjen: Man kann nicht gerade sagen, dass wir als Unterstützer von Eigenmarken verschrien sind, wobei wir sie aber auch nicht grundsätzlich ablehnen. Die Eigenmarke ist oft eine sinnvolle Ergänzung des Großhandelsgeschäfts. Allerdings möchten wir unsere enormen Vorleistungen bei der Entwicklung sowie beim Service in der Caparol-Produktwelt durch entsprechende Verkaufsmengen honoriert sehen.

BTH Heimtex: Auf der Farbe - Ausbau & Fassade haben Sie den Malern und Stuckateuren wie kaum ein zweiter Anbieter die Referenz erwiesen.

Tietjen: Damit sollte dokumentiert werden, wie sehr wir uns den Verarbeitern unserer Produkte verbunden fühlen. Darüber hinaus sieht es Caparol als eine vorrangige Aufgabe an, das Fachhandwerk zu stärken, um Konkurrenten aus anderen Gewerken auf Distanz zu halten. Möglich ist das nur durch hohe Qualität. Die Caparol-Akademie ist die Bündelung all dessen, was wir zur Unterstützung der von uns bearbeiteten Zielgruppen anbieten - nicht nur handwerklich, sondern auch unternehmerisch. Nach zehn Jahren sind unsere Chefseminare fast schon eine Institution.

BTH Heimtex: Welche Einstellung haben Sie zu Einkaufskooperationen?

Tietjen: Diese Gruppierungen tun sich schwer, ihren Mitgliedern die Service- und Marketingleistungen zu bieten, die sie benötigen. Caparol ist dazu übergegangen, seine Großhandelskunden auf dem direkten Wege zu unterstützen und weniger indirekt über Einkaufsverbände.

BTH Heimtex: Warum sieht sich Ihr Haus gefordert, sich unmittelbar im Großhandel zu engagieren?

Tietjen: Für Caparol ist es wichtig, die Verarbeiter in Deutschland flächendeckend zu beliefern. Dazu müssen wir verlässliche Partner im Großhandel haben. Durch eine Beteiligung am Unternehmen kann man mitunter die Verlässlichkeit etwas klarer darstellen. In der Regel gilt für uns ein Großhändler als zukunftsfähig und berechenbar, wenn die Nachfolgeregelung gesichert ist. Sollte das nicht der Fall sein, müssen wir wachsam sein, dass nicht schon morgen eine Vertriebsstruktur wegbricht.

BTH Heimtex: Kann es eigentlich vorkommen, dass ein CMS-Großhändler und ein Caparol-Marketingpartner in eine Wettbewerbssituation kommen?

Tietjen: Das kommt durchaus vor, wobei Caparol, und dazu stehe ich, Chancengleichheit walten lässt - auch in preislicher Hinsicht. Es ist allein die Entscheidung des Verarbeiters, bei wem er kauft. Unsere Möglichkeiten der Einflussnahme werden völlig überschätzt. Entscheidend ist die Beziehung, die der Handwerker zu seinem Großhändler hat.

BTH Heimtex: Beliefern Sie auch kleinere Großhändler, die nicht die Leistungskriterien eines Caparol-Marketingpartners erfüllen?

Tietjen: Selbstverständlich, viele machen einen ausgesprochen guten Job. Ein wichtiges Kriterium für den Umfang der Zusammenarbeit ist, ob es dort noch genügend Raum für unsere Produkte gibt. Wenn andere Marken völlig im Vordergrund stehen, würde es zwangsläufig zu Kollisionen kommen, die unsere Chancen für Zusammenarbeit einschränken.

BTH Heimtex: Die Fassade ist wieder ein großes Branchenthema, nachdem 1999 der so genannte Lotus-Effekt großes Aufsehen erzeugte. Was hat Caparol auf diesem Sektor zu bieten?

"Mit der Nano-Quarz-Gitter Technologie haben wir hier jetzt den neuesten Stand der Technik definiert - ein wirklicher Quantensprung"

Tietjen: Bevor 1999 das besagte Produkt eingeführt wurde, gab es die Silikonharz-Fassadenfarben bereits. Diese Technologie kam in der Schweiz schon vor 30 Jahren zur Anwendung und schwappte dann in den 80ern auf den deutschen Markt. Von der sehr aufwendigen Marketingkampagne für Lotosan hat quasi die gesamte Branche profitiert, denn Silikonharz-Fassadenfarben, die am leistungsstärksten in diesem Anwendungsbereich sind, haben sich seither sehr gut entwickelt.

Mit der Nano - Quarz - Gitter Technologie haben wir hier jetzt den neuesten Stand der Technik definiert - ein wirklicher Quantensprung. Hierbei handelt es sich um unsere jüngste und zugleich anspruchsvollste Generation im Bereich Fassadenfarbe. Die Technologie verbindet die Vorteile von Nanostruktur, Kapillarhydrophobie und Photokatalyse in einzigartiger Weise und kommt bei den Produkten Amphisilan und Thermosan zur Anwendung. Zu den Vorteilen zählen unter anderem eine äußerst geringe Verschmutzungsneigung, die von den Mineralfarben bekannte Härte und Langlebigkeit sowie die für Dispersionen typische Kreidungsstabilität und Flexibilität - das alles bei hervorragenden Verarbeitungseigenschaften. Nicht zu vergessen die höhere Farbtonbrillanz und Ausbesserungsfähigkeit.

BTH Heimtex: Eine Sonderstellung können Sie für die Nanotechnologie allerdings nicht beanspruchen, da es noch einen Wettbewerber gibt, der eine ähnliche Entwicklung vorweisen kann.

Tietjen: Wie Sie schon sagen: Die Produkte sind ähnlich, aber nicht identisch. Wir meinen, die bessere Rohstoffauswahl getroffen zu haben. Darin bestärkt uns eine langjährige Praxiserfahrung mit der neuen Generation der Bindemittel sowie der Rezeptur der Farben. Hinzu kommt noch ein weiterer entscheidender Faktor: Das Material lässt sich mit dem Nespri-Tec-Verfahren nebelfrei auf die Fassade spritzen. Die Resonanz auf diese leistungsstarke Konzeption ist enorm - auch im Ausland.


Caparol Facts

Caparol Farben Lacke Bautenschutz GmbH & Co. Vertriebs KG
Roßdörfer Straße 50
D-64372 Ober-Ramstadt
Telefon: 06154 / 71-0
Telefax: 06154 / 71-13 91
E-Mail: info@caparol.de
Internet: www.caparol.de

Angebot: Farben, Lacke, Lasuren, bauchemische Beschichtungen, Materialien für Fassaden- und Dämmtechnik, Hobby- und Künstlerfarben
Markennamen: Caparol, Capatect, Capacoustic, Disbon
Muttergesellschaft: Deutsche Amphibolin-Werke von Robert Murjahn Stiftung & Co KG
Tochtergesellschaften/Beteiligungen: CMS Caparol Marketing Services GmbH
Verbandsmitglied bei:
- Bundesausschuss Farbe und Sachwertschutz e.V.
- Fachgruppe Putz & Dekor im Verband der deutschen Lackindustrie e.V.
Mitarbeiter CaparolFirmengruppe weltweit: 4.500
Umsatz 2007: 980 Mio. EUR
Vorsitzender der Geschäftsführung: Horst Tietjen
Geschäftsführer: Manfred Dondorf
Marketing: Alexander Hornikel
Presse-/ Öffentlichkeitsarbeit: Dr. Franz Dörner, Ute Schader
aus BTH Heimtex 06/08 (Wirtschaft)