Johannes Schulte, Vorsitzender des Verbandes der Deutschen Heimtextilien-Industrie e.V.

Positive Impulse wecken

Das Neue Jahr ist erst wenige Tage alt - Anlass genug, einen Rückblick auf das gelaufene Jahr zu werfen und einen Ausblick zu wagen auf das, was kommen wird. Da für unsere Branche die wichtigsten Leitmessen gleich zu Jahresbeginn stattfinden, haben sich die meisten Unternehmen seit Wochen mit der Planung und Vorbereitung ihrer Auftritte auf der Heimtextil und/oder der Domotex beschäftigt.

Das Jahr 2007 war ein Jahr, in dem viel von Aufschwung die Rede war. Trotz der Erhöhung der Mehrwertsteuer zum Jahresauftakt zeigte der Konjunkturpfeil geradezu überraschend konsequent nach oben, was die Wirtschaftsinstitute offensichtlich zu überaus positiven Prognosen für den Geschäftsverlauf des Gesamtjahres veranlasste. Da war die Rede davon, das Bruttoinlandsprodukt werde um 2,6 Prozentpunkte wachsen. Und auch für die positive Entwicklung des Privatkonsums sahen die Experten genügend Indikatoren, um einen Anstieg zu prognostizieren - so beispielsweise die tatsächlich verbesserte Situation auf dem Arbeitsmarkt. Doch die "gefühlte" Konjunkturstimmung bei den Verbrauchern kam zu anderen Ergebnissen und letztlich mussten auch die Wirtschaftsinstitute ihre Vorhersagen korrigieren. Konkret: Zum Jahresende hin erfuhr das Konsumklima immer stärkere Dämpfer. Hier fielen vor allem die drastisch gestiegenen Kosten für Lebensmittel und die weiterhin exorbitant hohen Energie- und Spritpreise deutlich negativ ins Gewicht. Auch die nach wie vor zurückhaltenden Einkommenserwartungen und die Unsicherheiten mit Blick auf den Arbeitsplatz tragen dazu bei, dass die Menschen eher verunsichert sind und ihr Geld lieber sparen als ausgeben.

Dass vor dem Hintergrund dieser gesamtwirtschaftlichen Entwicklung auch die Hoffnungen unserer Branche nicht erfüllt werden konnten, liegt auf der Hand: Wer hat schon Lust auf Shopping, wenn er nicht weiß, wie hoch die nächste Heizkostenabrechung ausfällt und wie kostspielig das Autofahren künftig noch wird. Wir dürfen also gespannt sein, ob und inwieweit das Weihnachtsgeschäft noch für positive Impulse sorgen konnte. Gleichwohl gehen die führenden Wirtschaftsinstitute in ihrem kürzlich veröffentlichten Herbstgutachten davon aus, dass der Aufschwung anhält. Lassen wir uns überraschen!

Anstatt mich jedoch hier in weiteren Zahlenbeispielen zu verlieren oder zusätzliche Prognosen heranzuziehen, liegt mir weit mehr daran, dieses Forum zu nutzen, um an dieser Stelle auch einmal positive Gedanken über unsere Branche allgemein anzustellen. Besinnen wir uns also auf unsere Stärken, als Menschen, als Branche und als Industrienation. Denn aus der Position der Stärke heraus ist bei weitem mehr zu bewegen. Wir sollten uns als Branche allerdings auch den Gefallen tun und uns selbstkritisch einige Fragen stellen. Beispielsweise die Frage(n), was wir tun können, um unsere Produkte beim Verbraucher bekannter zu machen. Wie können wir Begehrlichkeiten wecken, wie können wir unsere Produkte in den Reigen der "Must haves" befördern?

Wir werden - leider - vermutlich nie in die Situation kommen, dass die Verbraucher um Mitternacht Schlange stehen, um das neueste Angebot zu erwerben - wie jüngst geschehen, als Apple sein erstes Telefon, das iPhone, auf den Markt brachte. Was zeigt uns dieses Beispiel? Apple macht schulbuchmäßig vor, wie ein Unternehmen mit einer zukunftsorientierten Markenführung gesellschaftliche Trends aufgreift und damit so genannte No-Brands zu Star-Brands macht. Ich betone das an dieser Stelle bewusst, denn oftmals reden wir unsere eigenen Produkte schlecht, indem wir sie als weniger begehrenswert einstufen, indem wir sie sozusagen den "Preis-Wölfen" zum Fraß vorgeworfen haben und indem wir sie seit Jahrzehnten anonym und weitgehend markenlos vermarkten. Was also macht dieses iPhone so attraktiv, dass die Menschen sich nächtens vor den Verkaufsstellen anstellen? Das durch kluge Marketingstrategen gezüchtete Gefühl, mit dem Erwerb dieses Produktes etwas ganz Besonderes sein eigen zu nennen.

Kommen wir zurück auf unsere Produkte. Heim- und Haustextilien sorgen für Wohlbefinden, Behaglichkeit und Lebenskomfort. Sie machen unser Wohnumfeld schöner, lebenswerter und überzeugen zudem mit einer ganzen Reihe praktischer Vorzüge. Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir künftig flexibler im Umgang und in der Vermarktung unserer Produkte sein müssen. Wenn heute die Kommunikation mit der Überschrift "Heimtextilien helfen Heizkosten zu senken" erfolgreich ist, können morgen oder übermorgen ganz andere Themen in den Vordergrund rücken. Dazu müssen wir den Trendscouts und Experten zuhören. Sie eruieren Entwicklungen, Trends und Tendenzen am ehesten. Als Hersteller sind wir dann aufgefordert, mit eigenen Strategien entsprechend mit diesen Informationen umzugehen.

Einige dieser Trends möchte ich hier kurz aufführen, da sie besonders gut veranschaulichen, dass sich die Ansprüche an das Wohnumfeld ändern und auch die Bedürfnisse der Menschen an ihr individuelles "Naherholungsgebiet" Zuhause in Zukunft einem starken Veränderungsprozess unterliegen. All das wird gravierende Auswirkungen auf unsere Produkte und die Art und Weise von deren Vermarktung haben - deshalb sollten wir uns heute schon damit befassen. Harry Gatterer, Gründer der Trend- und Designschmiede Lifestylefoundation, beschäftigt sich intensiv mit solchen Entwicklungen. In einem Vortrag zum Thema "Wie werden wir in Zukunft wohnen" führte er vor Augen, dass es bereits jetzt eine Entwicklung weg vom Eigenheim und hin zum Mietobjekt geben wird - benutzen statt besitzen heißt die neue "Wohn-Formel". Ein neues Denken, das die Wohnwelt und die Einstellung der Menschen dazu grundlegend verändern wird. Auch das Thema Wohnen im Alter, das Gatterer sehr freundlich als "Graue Wohnrevolution" bezeichnet, birgt ein unglaubliches Potenzial, das bis dato weitgehend ungenutzt ist. Es ist an der Zeit, dass wir uns wieder intensiver und kreativer mit Visionen und unserer Zukunft beschäftigen.

Gestatten Sie mir an dieser Stelle einen sehr kurzen Ausflug in die Politik: Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust hat Anfang November letzten Jahres eine bemerkenswerte Antrittsrede als Präsident des Bundesrats gehalten. Er rief seine Politiker-Kollegen auf, sich endlich wieder konkret mit den Menschen, den Bürgern im Lande, zu beschäftigen und ihre wirtschaftlichen Ängste, Sorgen und Bedenken wieder ernst zu nehmen. Gute "Politik", so von Beust weiter, "erkennt man an der Fähigkeit, Gefühle wahrzunehmen und an dem Eingeständnis, in Zeiten der Globalisierung nicht alles regeln zu können." Wenn wir den Begriff "Politik" durch Heim- und Haustextilien ersetzen, kommen wir dem sehr nahe, was ich uns allen an dieser Stelle für das neue Jahr mit auf den Weg geben möchte: Besinnen wir uns wieder gemeinsam auf die Stärken unserer Unternehmen und unserer qualitativ hochwertigen Produkte. Sie halten jedem internationalen Vergleich mühelos stand. Schauen wir etwas genauer auf den Konsumenten. Er ist es, den wir mit unseren Produkten erreichen wollen. Und lassen wir als Unternehmen wieder etwas mehr Platz für frische und mutige Ideen, die sich fernab der ausgetrampelten Gedankenpfade bewegen - so können wir alle gestärkt und motiviert ins Jahr 2008 gehen!
aus Haustex 01/08 (Wirtschaft)