Deko und Gardine

Run auf Premium- und Luxusprodukte, vor allem im Ausland

Wenn es stimmt, was Psychologen herausgefunden haben, dass helle Farben die Stimmung heben und ein Signal dafür sind, dass optimistischer in die Zukunft gesehen wird, dann stand die diesjährige Heimtextil unter schlechten Vorzeichen: Die Farbtrends 2008 bei Dekos und Gardinen gehen nämlich eher in die dunkle, dramatische Richtung. Man sah viel Lila, elegante Brauntöne, Anthrazit und Schwarz, akzentuiert durch dezente Glanz- und Metalliceffekte. Erfreulich: Die zunehmende Nachfrage nach hochwertigen Produkten, die vor allem, aber nicht nur aus dem Ausland geschürt wird. von Birgit Genz

Mit etwas mehr Besucher als im Vorjahr (86.378 gegenüber 85.824) und etwas weniger Ausstellern (2.844 gegenüber 2.907) zieht die Messe Frankfurt angesichts der allgemein schwächelnden Messelandschaft eine positive Bilanz der diesjährigen Heimtextil. Dabei hat sich der Internationalitäts-Grad auf Teilnehmer- wie auf Einkäuferseite weiter erhöht, auf 84% bzw. 64%. Zu den größten Besuchernationen gehörten Italien, Großbritannien und Spanien, danach Griechenland, China und USA sowie weitere asiatische Länder. Vor allem Inder waren dieses Jahr viele auf den Gängen zu sehen.

Bei den Anbietern stellen traditionell die europäischen Länder den größten Anteil mit rund 57%, allen voran Deutschland vor der Türkei, Italien, Frankreich, Spanien, Belgien, Großbritannien und Portugal. Aus dem Ausland boten Indien, China und Pakistan die stärksten Fraktionen auf.

Dass das internationale Publikum Hauptmotor der Heimtextil ist hat sich in diesem Jahr noch verstärkt. Besonders boomen die Exportmärkte Osteuropa und China weiter. Vor allem wird dort zunehmend hochwertige Ware nachgefragt - teilweise herrscht ein richtiger Run auf Premium- und Luxusprodukte. Die Aufnahmefähigkeit von Russland scheint unendlich: allein im vergangenen Jahr ist der Export dorthin um 40% gestiegen. Aber auch in Osteuropa, den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem Mittleren Osten nimmt die Nachfrage stetig zu. Für deutsche Anbieter ist Frankfurt daher ein wichtiger Ort, um Neukunden zu gewinnen, gerade aus dem Ausland.

Beispiel Höpke: Für den Textilverlag, dieses Jahr das zweite Mal dabei, sind die Erstkontakte im Export aus dem letzten Jahr inzwischen regelmäßige Kunden geworden, die gut ordern. Nach Portugal, Griechenland, USA, Kanada, Australien, Südafrika und Indien konnten gute Beziehungen aufgebaut werden. Auch Gerster konnte die neuen Kontakte vom letzten Jahr weiter ausbauen: "Auf internationaler Ebene war der Zuspruch der Besucher sehr groß, die Qualität der Aufträge und Anfragen hat sich deutlich gebessert." Jab Anstoetz stieß mehr in Richtung Osteuropa vor, nach Ungarn, Bulgarien und Rumänien, Drapilux-Stoffe schmücken demnächst Fenster in den Arabischem Emiraten und Indes hat Verbindungen in den Iran, Irak und nach Indien aufgenommen. Der internationale Charakter der Heimtextil lässt sogar Ado-Inhaber Andreas Wulf darüber nachdenken, den Zwei-Jahres-Rhythmus aufzugeben und wieder alljährlich in Frankfurt auszustellen. Aber: wo viel Licht ist, gibt es auch Schatten. Und das waren die mangelnden Inlandskunden, insbesondere Raumausstatter und Fachhandel. Ralf Kerstiens von Garotex bringt die Sache auf den Punkt: "Die Zentraleinkäufer kommen natürlich nach Frankfurt, aber die kleineren Einzelhändler fehlen." Gabriele Eckardt schlug daher vor, dieser Kundengruppe Vorteile zu verschaffen, um ihnen den Besuch der Heimtextil wieder schmackhaft zu machen. Hanns Bergmann von Stoeckel & Grimmler regte einen früheren Termin an: "November wäre besser."

Trotz aller Kritik war die Stimmung auf der Messe positiv. Erfreut wird registriert, dass die Kunden optimistischer und motivierter sein, nicht mehr so viel klagen und dafür wieder mehr ordern würden. "Die Stimmung beim Kunden besonders im Hochwertbereich ist sehr gut", konstatieren Ralph Anstoetz von Jab Anstoetz und Diete Hansl-Röntgen von Nya Nordiska. "Wesentlich mehr gekauft" wurde bei Sati, berichtet Hubert Reinermann, und das Drapilux-Team startet nach einem zweistelligen Anstieg der Besucherzahlen "mit viel Optimismus ins Jahr 2008". Allgemein gelobt wurde die hohe Einkaufskompetenz der Besucher. 69 % der Besucher aus Handel, Vertrieb, Export, Industrie und Beschaffung sind in leitender Funktion oder im Management tätig und bringen Einkaufskompetenz mit.

Die positive Stimmung auf der Heimtextil spiegelt allerdings nicht die gesamtwirtschaftliche Lage in der Branche wider. Denn der Aufschwung in der Wirtschaft ist noch nicht bei unserer Industrie angekommen. Nach einem enttäuschenden Jahr 2007 hoffen die Hersteller von Dekostoffen und Gardinen nun in diesem Jahr auf bessere Geschäfte. Zumal der Markt voller ungenutzter Potenziale steckt, wie die Studie "Heimtextil Monitor GFK 2007" zu Tage brachte. So sind Dreiviertel der deutschen Haushalte in der Einrichtung längst nicht mehr auf dem aktuellen Stand, 36% planen für 2008 höhere Ausgaben für textiles Wohnen ein. Die Entscheidungskriterien sind dabei primär auf den praktischen Bedarf, Muster und Design konzentriert. Deutlich war in Frankfurt eine Abkehr von der leidigen Geiz-ist-Geil-Mentalität. Wertigkeit ist gefragt, das Qualitätsbewusstsein der Verbraucher steigt weiter merklich und gewinnt gegenüber dem Preis immer mehr an Bedeutung bei Kaufentscheidungen. Vor allem bei Gardinen und im Dekobereich gab es bereits 2007 eine gute Entwicklung bei wertigen Artikeln mit hohem Servicebedarf. Hier ist primär die kaufkräftige Gruppe der sogenannten "Best ager" von Bedeutung, da diese hohen Wert auf ihre Einrichtung legen - und über die entsprechenden Mittel verfügen.

Die hiesige Industrie reagiert und setzt auf Hochwertprodukte, Marken und Zusatznutzen, um diesen sehr unterschiedlichen Bedürfnissen und Zielgruppen gerecht zu werden. Genau das sieht Euratex, der europäische Verband für Textil und Bekleidung, als richtigen Weg, um sich gegenüber Billigimporten zu behaupten: Weg von Standardprodukten, Commodities, hin zu Spezialitäten, die in High Tech-Verfahren gefertigt werden und Image oder Zusatznutzen versprechen.

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für eine Verbesserung des Konsumklimas sind gut: 2008 soll das reale Bruttoinlandsprodukt um 1,8 % wachsen. Dank der zunehmenden Beschäftigung generiert sich dieses Wachstum wieder deutlich stärker aus dem Zuwachs an Kaufkraft und aus der zunehmenden Konsumfreude. Erwartet wird ein Anstieg des privaten Konsums um 1,5 %. Unwegbarkeiten sind allerdings mögliche weitere finanzielle Belastungen des Verbrauchers, die das konsumfreudige Klima abwürgen könnten. Und mögliche Preiserhöhungen wegen der zum Teil hohen Kostensteigerungen auf der Rohstoffseite.

Auch die Entwicklung des Exportgeschäftes in 2008 ist mit vielen Fragezeichen versehen, sei es die Entwicklung des starken Euro bzw. der schwachen US-Währung. Nicht einzuschätzen sind derzeit auch die weltweiten Auswirkungen der Immobilien- und Finanzkrise in den USA.

Sollten sich die Erwartungen der Wirtschaftsforscher erfüllen und die Verbraucher wieder mehr einkaufen, sei dies "grundsätzlich eine gute Chance für die Nachfrageentwicklung der Heimtextilien im Inland", erklärte der Verband der Deutschen Heimtextilien-Industrie zur Messeeröffnung. Darum blicke die Branche "durchaus vertrauensvoll und mit einem gesunden Quäntchen Optimismus ins Jahr".

Wachstumsmarkt Objektgeschäft

Auch das Objektgeschäft ist und bleibt ein Markt mit Wachstumspotential. Mit dem Angebotsschwerpunkt "Contract Creations" geht die Heimtextil noch gezielter auf die Bedürfnisse des internationalen Objektgeschäftes ein. Das gleichnamige Signet leitete Interessierte gut sichtbar in Halle 3.1. Rund 250 Hersteller von Objekttextilien wurden in einem Pocket Guide gelistet. Zusätzlich kennzeichneten spezielle Abzeichen die Stände der beteiligten Anbieter. Und ein Online-Forum diente der gezielten Kontaktaufnahme und Terminabsprachen. Mit dem Showcase "Outside in" setzte die Messe in halle 3.1 urbane Einrichtungskonzepte effektvoll in Szene: Eingebettet in einen kleinen Stadtgarten verbanden Holzstege vier kubische Pavillons mit Gestaltungsperspektiven für Sleeping, Living und Dining. Eine Bar rundete das Arrangement ab. Und erstmals ergänzten 2008 hochwertige Anbieter aus Asien unter dem Namen "Contract Vision" den Objektbereich in der Halle 6.0. Sie präsentierten Accessoires, Kleinmöbel und Beleuchtung und ergänzten damit das weite Feld textiler Inneneinrichtungen um eine weitere Facette.

Außerdem hatte die Messeleitung die Hallen neu sortiert und das "More"-Konzept eingeführt, unter dessen Dach Premium-Hersteller und Verlage in Halle 3.1 gebündelt wurden, wo ihnen ein exklusives Forum geboten wurde. Dadurch sollte das Angebot transparenter gemacht und ein "differenzierter Zugang" zu den Produkten ermöglich werden. Diese neue Struktur wurde von Ausstellern wie Besuchern gut angenommen. "Damit gelingt es der Messe, Besucher aus aller Welt nach Frankfurt zu holen", sagte Justus Schmitz von Drapilux, die sich gemeinsam mit Ado, sowie Editeuren wie Mira-X, Jab Anstoetz, Nya Nordiska, Saum & Viebahn und Cocoon in dem Areal befanden.

Auch der Umzug des Deco Teams von der Halle 3.1 in Halle 3.0 wurde allgemein begrüßt. "Das Deco Team hat uns gut getan - die Frequenz in der Halle 3.0 war sehr gut," resümierte Peter Lochner.

Zu einer festen Institution der Heimtextil ist inzwischen die Endverbraucher-Aktion "Heimtextil goes City" geworden. Rund 30 Fachhändler und Raumausstatter inszenierten zum vierten Mal zeitgleich zur Heimtextil im gesamten Frankfurter Stadtgebiet den "Samstag der Sinne". Von Quasten, Borten und Dekostoffen über Polsterbezüge, Tapeten und Gardinen - Raumausstatter, Bettenfachgeschäfte, Werkstätten und erstmals auch zwei Buchhandlungen luden ihre Kunden aus Frankfurt und Umgebung ein, die aktuellen Highlights und Trends zu erleben und sich von innovativen Wohnideen inspirieren zu lassen.

Die nächste Heimtextil findet vom 14. bis 17. Januar 2009 in Frankfurt statt.
aus BTH Heimtex 02/08 (Wirtschaft)