Serie Schall Teil 4 | Raumgestaltung: Der Boden, der für Ruhe sorgt

Ein geeigneter Bodenbelag kann neben der Reduktion des Tritt- und des Gehschalls einen positiven Beitrag für eine gute Raumakustik leisten. Bei der Verwendung von textilen Bodenbelägen, wie Teppichböden, kann die schallabsorbierende Fläche genutzt werden, um die Nachhallzeiten zu reduzieren und somit zur Lärmminderung und Sprachverständlichkeit im Raum beitragen.

Professionelle Planung ist die Basis für die Umsetzung erfolgreicher Akustikmaßnahmen. Eine erfolgreiche Gestaltung beginnt optimalerweise in der Planungsphase: Nur durch ein umfassendes Verständnis aller Erwartungen und Gegebenheiten kann ein perfektes Ergebnis bei der Umsetzung von Akustikmaßnahmen erreicht werden. Aktives Zuhören und das Erkennen der individuellen Bedürfnisse sind daher für Planer von zentraler Bedeutung. Doch wo genau liegen die Tücken und Herausforderungen?

Die übliche "moderne" Raumgestaltung mit wenig Möbeln und Gegenständen sowie großen Räumen lässt die Ansprüche an die raumakustische Planung steigen. Große und modern gestaltete Räume benötigen schallabsorbierende Flächen. Nur so können zu lange Nachhallzeiten verhindert und eine gute Sprachverständlichkeit realisiert werden. Ein gelungenes Konzept zur Raumakustik berücksichtigt das Innenraumdesign sowie die Gestaltung der Raumakustik.

Empfehlungen zur Raumakustik

Die Empfehlungen bzw. Anforderungen für die raumakustische Gestaltung von Räumen sind in der DIN 18041 benannt und sollten bei der Planung berücksichtigt werden. Die Räume werden hier in die Gruppen A und B unterteilt. Die Räume aus der Gruppe A sollen eine gute Sprachverständlichkeit auf mittlere und große Distanzen bieten, wie z. B. Vortragsräume, Klassenräume etc. Bei den Räumen aus Gruppe B ist die Lärmminderung und die Verständlichkeit im Nahbereich die Zielsetzung. Diese Anforderungen gelten z. B. für Kantinen, Flure und ähnliche Räumlichkeiten.

Raumakustische Flächen müssen in der Planungsphase berücksichtigt werden. Die Auswahl an Produkten und Designs ist mittlerweile sehr groß: von einfachen Zweck erfüllenden Akustikdecken bis hin zu Designobjekten ist alles möglich. Neben der akustisch wirksamen Fläche muss die Positionierung durch einen Akustiker im Raum geplant werden. Neben der Akustikdecke kann am Boden eine große zusammenhängende Fläche zur Schallabsorption verwendet werden. Geeignete Bodenbeläge können neben der Reduktion des Tritt- und des Gehschalls einen positiven Beitrag für eine gute Raumakustik leisten.

Bei der Verwendung von textilen Bodenbelägen kann die schallabsorbierende Fläche genutzt werden, um die Nachhallzeiten im Raum zu reduzieren und somit zur Lärmminderung und auch zur Sprachverständlichkeit im Raum beitragen.

Schallabsorber gestalten Raumakustik

Mit schallabsorbierenden Materialien und Diffusoren lässt sich die Raumakustik gestalten. Schallabsorbierende Materialien absorbieren Schall mit einer frequenzabhängigen Wirkung. Poröse Absorber sind offenporige Materialien, wie beispielsweise Textilien, Schäume und mineralische Platten. Poröse Absorber haben eine ansteigende Absorptionskurve mit höheren Frequenzen, und dies auch abhängig von der Materialdicke.

Bei den porösen Absorbern muss die Offenporigkeit erhalten bleiben, um die Schallabsorption nicht nachteilig zu mindern. Akustikdecken dürfen deshalb auch nicht mit normalen Anstrichen aufgearbeitet werden. Hierdurch wird die akustische Wirkung verändert und im Allgemeinen stark gemindert. Bei Renovierungen wird durch Unwissenheit schnell mit Anstrichen und Spachtelmassen ein erheblicher Schaden angerichtet.

Resonanzabsorber bestehen im Wesentlichen aus einem Masse/Feder/Masse-System. In der Praxis können sie durch Platten oder Membrane aus Textil hergestellt werden. Resonanzabsorber zeichnen sich durch eine schmalbandige Absorption aus. Dieser Frequenzbereich kann durch den Masse- und Feder-Einfluss recht genau angepasst werden. Durch die Kombination verschiedener Resonanzabsorber und/oder auch poröser Absorber kann die Schallabsorption sehr günstig an die entsprechenden Anforderungen angepasst werden.

Resonanzabsorber an trennenden Bauteilen können jedoch einen negativen Effekt auf die Schalldämmung des Bauteils haben. Der Schalldurchgang wird im Resonanzbereich verstärkt, sodass hier die Schalldämmung gemindert wird, analog zu Vorsatzschalen im entsprechenden Resonanz-Frequenzbereich. Selbst ein Laminat- oder LVT-Boden auf einer Unterlage wirkt ggf. sehr nachteilig auf die Schalldämmwirkung im entsprechenden Resonanz-Frequenzbereich, welcher hierbei schon sehr ungünstig im Sprachfrequenzbereich auftreten kann. Eine Nichtberücksichtigung kann hier zu einem erheblichen Problem führen, vor allem wenn sich die Resonanz im oder nahe beim "Haupt-Sprachfrequenzbereich" (ca. 300 bis 500 Hz) befindet. Praktische Versuche haben gezeigt, dass ein Verlust der Luftschalldämmung von bis zu ca. 6 dB erreicht werden kann.

Kennwerte zur Schallabsorption

Die Einzahlangabe "w" ist nur für die grobe Planung ausreichend: Der bewertete Schallabsorptionsgrad w legt eine Bewertungskurve über die messtechnisch ermittelten Schallabsorptionswerte der Oktavfrequenzbandbereiche von 250 bis 4.000 Hz. Hierdurch gehen Details im Frequenzgang verloren. Vor allem können bei höheren Ansprüchen (insbesondere bei Musikdarbietungen) Probleme entstehen. Vor allem Schallabsorber mit einer schmalbandigen Ausprägung werden hierdurch nicht aussagekräftig bewertet.
Durch die Klassifizierung des bewerteten Schallabsorptionsgrades w in 0,05-Stufen sind Produkte, die an einer Klassengrenze liegen, günstig oder auch zu schlecht bewertet. Gerade Produkte, die an einer Klassengrenze liegen, werden hier in die höhere oder tiefere Klasse aufgrund von minimalen Unterschieden eingeteilt. Das führt in der Praxis dazu, dass quasi baugleiche Produkte scheinbar andere - "bessere" oder "schlechtere" - Schallabsorptionswerte aufweisen.

Bei einer genaueren Betrachtung sollte man sich die Schallabsorptionswerte p (gemittelte Werte im jeweiligen Oktavfrequenzbandbereich) oder die Terzfrequenzbandwerte s anschauen, vor allem wenn man Produkte vergleicht.

Fazit:
Bodenbelag beeinflusst Akustik


Durch eine geeignete Wahl des Bodenbelags kann die Raumakustik günstig beeinflusst werden. Textile Bodenbeläge mit einem Akustikrücken, wie z. B. einer Vliesschicht, sind speziell dafür entwickelt worden, um besonders günstige Schallabsorptionswerte (z. B. für Büros und dergleichen) zu erhalten. Durch den funktionalen Unterbau kann das Oberflächen-Design meistens beliebig an die Wünsche der Planer angepasst werden. Werden diese Maßnahmen durch weitere akustische Module an der Decke oder im Wandbereich ergänzt, so steht einer guten bis sehr guten Raumakustik nichts mehr im Wege. Zur Freude der Planer kann dann oftmals sogar auf eine vollflächige Akustikdecke verzichtet werden. Es sollte jedoch beachtet werden, dass die Auswahl eines textilen Bodenbelags zumeist nicht als alleiniges Mittel zur Herstellung einer guten Raumakustik ausreicht.


Die Autoren

Alexander Siebel
Dozent für Bauphysik an der FH Aachen, akkreditiertes Labor von Kiwa für den Bereich Bau- und Raumakustik; Ingenieur für Bau- und Raumakustik sowie Immissionsschutz bei der Schall- und Wärmemessstelle Aachen.


Patrick Thomas
Akkreditiertes Labor von Kiwa für den Bereich Bau- und Raumakustik; Ingenieur für Bau- und Raumakustik sowie Immissionsschutz bei der Schall- und Wärmemessstelle Aachen.
Serie Schall Teil 4 | Raumgestaltung: Der Boden, der für Ruhe sorgt
Foto/Grafik: Kiwa
Das Impedanzrohr kommt bei der Messung der Schallabsorption zum Einsatz.
Serie Schall Teil 4 | Raumgestaltung: Der Boden, der für Ruhe sorgt
Foto/Grafik: Kiwa
Die obere Grafik stellt die Unterschiede in der Schallabsorption bei porösen bzw. Resonanz-Absorbern dar. Die untere Grafik verdeutlicht die Schall-Absorptionsfähigkeiten unterschiedlicher Bodenbeläge.
Serie Schall Teil 4 | Raumgestaltung: Der Boden, der für Ruhe sorgt
Foto/Grafik: Kiwa
Mit Hilfe einer Akustikkamera werden schallabstrahlende Flächen sichtbar gemacht.
aus FussbodenTechnik 04/21 (Handwerk)