Expo 1200 Grad für keramische Fliesen und Zubehör

Digitalisierungsschub mit Signalwirkung

Die Expo 1200 Grad, eine neue Online-Fachmesse für keramische Fliesen und Zubehör, feierte im Februar 2021 ihr erfolgreiches Debüt. An drei Tagen schalteten sich insgesamt 1.000 Besucher zu. Zu sehen gab es vieles: virtuelle Messestände ausgewählter Aussteller, ein Kongressprogramm und Expertengespräche an den Messeständen im 1:1-Live-Chat mit Ansprechpartnern der eigenen Wahl. Zudem warteten Videos, Produkt- und Verarbeitungsinfos sowie Fachvorträge auf das Publikum. FussbodenTechnik hat mit den Messe-Veranstaltern Ralf Schanze und Ulrich Griesar gesprochen.

Die Verantwortlichen des Onlinemagazins 1200 Grad haben mit ihrer digitalen Fachmesse für keramische Fliesen und Zubehör echtes Neuland betreten - und sind rundum zufrieden. Etwa 15 Aussteller nahmen vom 19. bis 21. Februar 2021 teil und präsentierten ihre Neuheiten. Das Angebot war sehr niedrigschwellig: Der Besucher wurde in eine Lobby geleitet, von wo aus er jederzeit mit wenigen Klicks zu den Ständen der Hersteller oder zu den Fachvorträgen gelangen konnte. Im Gespräch mit FussbodenTechnik ziehen die beiden Messe-Veranstalter Bilanz.

FussbodenTechnik: Wie kamen Sie auf die Idee, eine digitale Messe für keramische Fliesen und Zubehör auf die Beine zu stellen?

Ralf Schanze: Im September 2020 hatten wir die entsprechende Messe-Software entdeckt und dachten uns, das wäre auch etwas für Fliesen und Zubehör. Hinzu kam, dass die großen etablierten Präsenzmessen der Branche corona-bedingt ausfielen, etwa die Cersaie in Bologna oder die Cevisama in Valencia. Auch die Hausmessen der Großhändler fanden nicht statt. Von daher bot sich ein digitales Format ideal an, um auf diesem Weg die Neuheiten der Branche zu präsentieren.

Ulrich Griesar: Das Team von 1200 Grad ist in der Digitalisierung sehr weit fortgeschritten. Wir konnten den Ausstellern somit die entsprechende Plattform als Präsentationsmöglichkeit anbieten. Wir sagten bei dem Projekt von Anfang an: Wir gehen ergebnisoffen an die Sache ran. Im Anschluss wollen wir beurteilen, ob ein solches Format funktioniert und Zukunft hat. Wir führen eine intensive Aussteller- und Besucherbefragung durch.

FT: Wie viel Vorlauf war nötig, um solch eine Messe zu stemmen?

Schanze: Etwa ein knappes halbes Jahr. Im September 2020 entdeckten wir, wie gesagt, die Software. Vor Weihnachten wäre die Durchführung der Messe zu knapp geworden. Im Januar 2021 wollten wir der digitalen BAU nicht in die Quere kommen. Von daher bot sich der Zeitraum 19. bis 21. Februar gut an.

Griesar: Viel Energie wurde in die Qualität der Veranstaltung gesteckt. Als neue Messegesellschaft galt es, einen hohen Servicegrad zu gewährleisten. Die Expo 1200 Grad musste ein Qualitätsprodukt sein, da wir den guten Ruf der Marke 1200 Grad nicht beschädigen wollten.

FT: Mit wie vielen Mitarbeitern haben sie die Expo 1200 Grad realisiert?

Griesar: Vier Mitarbeiter haben die Hauptaktivitäten übernommen, vor allem den technischen Part wie die Programmierung und die Erstellung der virtuellen Messestände. Die Gesamtkoordination lag bei Ralf Schanze und mir. Wir übernahmen auch den Kommunikationspart zu den Herstellern. Es galt, deren Vertriebsmitarbeiter für den Messeauftritt zu schulen.

Schanze: Die Hersteller mussten angeschrieben werden, mit der Bitte, die entsprechenden Materialien für die digitalen Messestände zu liefern. Sie hatten etwa exakte Fotogrößen einzuhalten. Wir haben eine digitale Standbegehung durchgeführt, inklusive Abnahme durch den Aussteller. Viel Wert haben wir auf die Kommunikation zwischen Besucher und Hersteller gelegt: Für unser Chat-Modul haben wir eine gute Software eingekauft. So waren damit etwa Video- und Telefonanrufe möglich, ebenso das Hinterlassen einer digitalen Visitenkarte. Der Besucher konnte sich seinen Ansprechpartner vorher auswählen und Termine vereinbaren. Allerdings wurde das Chat-Modul doch recht wenig angenommen.

Griesar: Es ist eine Software auf WhatsApp-Niveau. Der Nutzungsgrad hätte tatsächlich höher sein können.

FT: Woran lag diese Zurückhaltung?

Schanze: Es war ein grundsätzliches Problem. Man konnte nicht sehen, wer gerade den Messestand betrat. Kommunikation war nur möglich, wenn der Besucher von sich aus Kontakt zum Aussteller aufnahm. So befand sich der Hersteller im luftleeren Raum. Künftig soll ihm angezeigt werden, wer sich gerade den Stand anschaut. Wir haben da aber am zweiten Messetag mit einer digitalen Cafeteria nachgebessert. Dort wurde angezeigt, wer diese gerade betreten hatte, sodass man sich dort unterhalten konnte. Wir werden diese Funktion auf künftigen Messen auch weiterhin als Schnittstelle installieren.

FT: Hatten Sie während der Messe mit technischen Problemen zu kämpfen?

Schanze: Es gab zum Glück nur kleine technische Probleme. In 80 bis 90 % der Fälle gingen diese auf ein Fehlverhalten der User zurück. Sprich: zu langsame Datenleitung, veraltete Internet-Browser oder schlicht die falsche Bedienung. Abgesehen von solch kleinen Holperern gab es so gut wie keine technischen Probleme.

FT: Wie war das Feedback auf ihre erste digitale Messe? Sind Sie zufrieden?

Schanze: In Zahlen ausgedrückt hatten wir knapp 1.000 Besucher auf der Messe und 1.055 bei den Vorträgen. Zum Vergleich: Eine digitale Messe von Hagebau im ähnlichen Zeitraum hatte 550 Besucher. Von daher sind wir mit der Resonanz sehr zufrieden. Der Erfolg für den Aussteller liegt aber auch im Vorfeld, in der Berichterstattung: Jeder Aussteller wurde vorab auf 1200 Grad im Videointerview vorgestellt, in unserem Newsletter wurden die Produkte präsentiert. Diese Informationen haben wir über unsere gesamten Social-Media-Kanäle gestreut, sodass jeder Aussteller zwischen 15.000 und 20.000 Kontakte generieren konnte. Zudem sind alle Vorträge auch nachträglich anschaubar über den YouTube-Kanal von 1200 Grad und die Messe-Website.

Griesar: Ich würde die Expo 1200 Grad als eine "Messe der Mutigen" bezeichnen. Die Aussteller sagten uns, dass sie digital mitgereift seien. Ihre Produktvorführungen und -unterlagen sind auch nach der Messe zu Präsentationszwecken nutzbar. Unser Vortragsprogramm bot zudem einen bunten Reigen an technischen Informationen, Produktvorstellungen und gesellschaftlichen Themen, die auch für Außenstehende interessant waren. Wir haben es geschafft, während dieser drei Tage einen Branchentreff zu etablieren. Ein Vorteil für den Aussteller war, dass er seinen Kundenstamm zur Messe einladen konnte und die anderen Hersteller ihre Kontakte ebenfalls: Somit gab es ein großes Neukunden-Potenzial.

Schanze: Wir haben bereits kurz nach der Messe ein Express-Feedback der Aussteller abgefragt. Die Resonanz fiel ausgesprochen positiv aus, was uns sehr froh gestimmt hat. Der Marketingleiter der Ströher-Gruppe nannte die Expo 1200 Grad einen "Digitalisierungsschub für die Branche mit Signalwirkung". Bei Sopro Bauchemie freute man sich über sehr gut besuchte Fachvorträge. Und die PCI Gruppe lobte unsere Expo als eine "super Veranstaltung".

FT: Das hört sich alles sehr positiv an. Wird es eine Neuauflage der Expo 1200 Grad geben?

Schanze: Wir würden es gerne machen. Wir hatten unseren Spaß bei der Veranstaltung. Das Format hat Zukunft - auch nach Corona. Es ist zudem auf andere Branchen übertragbar. Wir haben jetzt sehr viel Detail-Erfahrungen gewonnen. Das Format hat Aufmerksamkeit erzeugt: Wir haben extrem viele Neuanmeldungen für unseren Newsletter und Zugriffe auf die Website verzeichnet.

FT: Zum Abschluss: Wo liegen Ihrer Meinung nach die Grenzen einer digitalen Messe?

Schanze: Eine Digitalmesse kann vor allem eines nicht ersetzen: das Anfassen der Fliese. Das ist in unserer Branche ein fest verankertes Ritual. Ebenso kann sie die persönlichen Live-Gespräche nicht ersetzen.


Die Aussteller

Eine Reihe renommierter Aussteller nahm an der Expo 1200 Grad teil. Im Fliesenbereich waren dies die Unternehmen und Marken Ströher, Gepadi, Nordceram, Kerateam, Grohn, Steuler, Agrob Buchtal, Meissen und Villeroy & Boch Fliesen; im Zubehörsegment die Unternehmen PCI, Dural, Kiesel Bauchemie, Palette CAD, Botament, Sopro Bauchemie und Codex.
Digitalisierungsschub mit Signalwirkung
Foto/Grafik: 1200 Grad
Ralf Schanze – zur Person

Der 58-jährige Ralf Schanze ist Chefredakteur des Onlinemagazins 1200 Grad, in dessen Mittelpunkt keramische Fliesen und Zubehör stehen. Von Texten über Foto-Slideshows bis hin zu Videos versorgt der Kanal alle Interessierten mit Infos aus der Keramik- und Zubehör-Branche. Zudem betreibt Ralf Schanze den YouTube-Kanal "besserfliesen". Er verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung als Bau-Journalist, vor allem bei Fachzeitschriften.
Digitalisierungsschub mit Signalwirkung
Foto/Grafik: Griesar Consulting
Ulrich Griesar – zur Person

Der 55-Jährige ist als selbstständiger Unternehmensberater und Business-Trainer für die Fliesen-Branche tätig. Er ist Geschäftsführer des Unternehmens Griesar Consulting. Seit mehr als 30 Jahren ist er in der Fliesenbranche aktiv, arbeitete schon in Führungspositionen in Industrie und Handel. Ulrich Griesar bezeichnet sich selbst als "Fliesen-Fan". Seit über einem Jahr besteht eine enge Geschäftsbeziehung zwischen ihm und Ralf Schanze von 1200 Grad.
aus FussbodenTechnik 03/21 (Bodenbeläge)