Fachanwalt Andreas Becker informiert

Teilt der Auftraggeber Bedenken nicht, ist die Arbeit auszuführen

Nach der Erfahrung des Fachanwalts Andreas Becker werden Bedenken von Seiten des Handwerkers gegenüber dem Auftraggeber zu selten angemeldet. Geschieht dies doch, kann der Betrieb allerdings nicht automatisch die Ausführung der vereinbarten Leistung verweigern, wenn der Auftraggeber trotz Bedenken zum Beginn der Arbeiten drängt. Das folgende Beispiel aus der juristischen Praxis schildert dieses Problem deutlich.

Sachverhalt
Ein Unternehmer wurde mit Parkettarbeiten in einer Wohnanlage mit einem Auftragswert von 60.000EUR beauftragt. Im Verhandlungsprotokoll war angegeben, dass der Ausführungsbeginn am 19.11.2017 sein sollte. Ein Endtermin für die Arbeiten war für den 21.12.2017 vereinbart.

Der Parkettlegebetrieb meldete mit Schreiben vom 19.11.2017 Bedenken an und gab eine Behinderungsanzeige ab. In seinem Schreiben führte der Unternehmer auf, dass keine verlegungsfähigen Flächen zur Verfügung stehen würden, da die Luftfeuchtigkeit 80 % betrage.

Der Auftraggeber teilte ihm mit Schreiben vom 21.11.2017 mit, dass in einem Hausder Anlage die Wohnungen 1, 2, 3, 5 und 6 von Seiten des Malers fertiggestellt seien, sodass mit den Parkettarbeiten begonnen werden könne. Der Auftraggeber schrieb, dass die Luftfeuchtigkeit gemessen worden sei und diese lediglich 60 % betrage. Er schlug vor, den Starttermin auf den 3.12.2017 zu verlegen.

Der Parkettleger antwortete hierauf nicht, da er der Auffassung war, dass besagte Arbeiten nicht möglich seien. Der Auftraggeber wies die Bedenken zurück und forderte den Betrieb auf, die vereinbarte Leistung zu erbringen. Der Handwerker weigerte sich. Der Auftraggeber kündigte nach einer Fristsetzung zur Arbeitsaufnahme den Vertrag.

Der Parkettleger war nun der Auffassung, dass er einen Entschädigungsanspruch in Höhe von 50.000EUR habe und versuchte, die Summe einzuklagen.

Urteil
Das Gericht wies die Klage des Parkettlegers jedoch ab. Es war der Auffassung, dass der Handwerker die Arbeiten hätte ausführen müssen. Wenn der Auftraggeber die vom Betrieb angemeldeten Bedenken nicht teilt, gelten grundsätzlich die Vorgaben des Auftraggebers. Das Gericht meinte, dass dem Parkettleger kein Nachteil daraus entstehen könne, wenn er auf Anweisung des Auftraggebers die Arbeiten ausführe, nachdem er Bedenken angemeldet habe.

Sind die Bedenken richtig und wird deshalb das Gewerk mangelhaft, trifft den Parkettlegebetrieb keine Verantwortlichkeit nach den Gewährleistungsvorschriften. Das heißt, der Auftragnehmer muss Leistungen immer dann ausführen, wenn der Auftraggeber deren Umsetzung trotz einer Bedenkenanmeldung fordert. Die Verantwortung, dass es zu Mängeln kommen kann, geht dann auf den Auftraggeber über - der Handwerker haftet in diesem Fall nicht. Dieser wäre nur berechtigt, die Leistungen einzustellen, wenn die Arbeiten gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoßen. Dies wäre der Fall, wenn Dritte zu Schaden kommen könnten, so z. B. beim nicht standsicheren Aufbau eines Gerüstes.

Dem Parkettlegebetrieb stand somit keine Entschädigung in Höhe von 50.000EUR zu. Das Unternehmen hatte einen Entschädigungsanspruch geltend gemacht. Dies ist eine Art Schadensersatzanspruch, der nach einer Kündigung des Bauvertrages geltend gemacht werden kann. Wenn ein Bauvertrag ohne einen Rechtsgrund gekündigt wird, hat der ausführende Betrieb grundsätzlich einen Anspruch auf die Zahlung der gesamten Vergütung abzüglich der Aufwendungen, die er erspart hat (z. B. Materialkosten) oder abzüglich Aufwendungen, die er hätte ersparen können (z. B. Annahme eines Füllauftrages).

In diesem Fall hatte der Parkettlegebetrieb vor Weihnachten keinen anderen Auftrag mehr und hat deshalb seinen Anspruch auf den vollen Werklohn in Höhe von 60.000EUR, abzüglich Materialkosten in Höhe von 10.000EUR, also 50.000EUR geltend gemacht. Die Summe beinhaltet Personalkosten, entgangenen Gewinn und so weiter. Ein solcher Anspruch muss in der Regel rechnerisch nachgewiesen werden. Der Gesetzgeber hat jedoch eine Vermutungsregel eingeführt, nach der 5 % der noch fälligen Auftragssumme als Entschädigung betrachtet werden.

Praxishinweis
Bedenkenanmeldungen (Hinweispflicht) werden viel zu selten abgegeben. Ein großer Teil der Schäden ist darauf zurückzuführen, dass keine ausreichende Prüfung der zu bearbeitenden Flächen stattgefunden hat und keine Bedenkenanmeldungen abgegeben werden - das zeigt die Erfahrung. Im Zuge einer kooperativen Erledigung der Baumaßnahme wird auf eine Bedenkenanmeldung oft verzichtet.

Dies rächt sich, wenn Mängel auftreten, die vorhersehbar waren. Die Kooperation und das Zusammenwirken enden dann, wenn der Auftraggeber einen Schaden hat. Der Betrieb muss in der Regel die Mängel beseitigen. Aus diesem Grunde sollten immer, wenn Bedenken vorliegen, entsprechende Anzeigen an den Auftraggeber übermittelt werden. Im Zuge eines Bauvorhabens macht so jede Partei nur die Rechte geltend, die auch im Gesetz (oder der VOB) vorgesehen sind.

Teilt der Auftraggeber die Bedenken nicht, ist die Leistung jedoch auszuführen - soweit keine Gefahr für Leib und Leben und ein Verstoß gegen öffentliche Vorschriften besteht.


Andreas Becker
zur Person
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau-
und Architektenrecht

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