Kleiner Fehler - Großer Schaden | Dynamische Lasten unterschätzt: Planerische Fehler führen zum Versagen des Estrichs

Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und am höchsten belasteten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich im Schadensfall erst anhand der Ursachenforschung, worauf ein Verleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es um einen Neubau eines Autohauses mit dazugehörigen acht Werkstattbereichen sowie zwei Direktannahmen, die einen besonders schnellen Reparaturservice versprechen.

Ein Estrichleger erhielt den Auftrag, einen Zementestrich auf Trittschalldämmung in den Neubau eines Autohauses sowohl in den Verkaufsflächen als auch in den Büros sowie der Werkstatt zu verlegen. Sämtliche Leistungen wurden exakt in dem Leistungsverzeichnis beschrieben. Aufgrund des sehr gehobenen Erscheinungsbildes des Autohauses und der Verkaufsräume wurden sämtliche Estrichflächen mit einer hochwertigen Mineralfaserdämmung ausgeschrieben.

Bei dem zweistöckigen Gebäude handelt es sich um eine Stahlbetonkonstruktion mit Glasfassade und raumhohen Fenstern. Im Innenraum wurde das gleiche Konzept fortgesetzt, sodass die insgesamt acht Werkstattbereiche lediglich mit Glastrennwänden von den Bürobereichen separiert wurden.

Nach Aussagen der Bauleitung und des Bauherren wurde sehr großer Wert auf die schalltechnische Trennung zwischen den Werkstätten sowie den angrenzenden Kundenräumen und Büros gelegt. Aus diesem Grund wurden sämtliche Estriche nach dem Höhenausgleich aus XPS-Dämmung auf einer Mineralfaserdämmung DES-sm CP3 mit einer Zusammendrückbarkeit von 3 mm, die für Einzellasten von 4 kN und Flächenlasten bis 5 kN/m2 zugelassen ist, ausgeschrieben. Gemäß der Tabelle 4 der DIN 18560 Estriche im Bauwesen - Teil 2: Estriche und Heizestriche auf Dämmschichten (schwimmende Estriche) - wurde passend zur Trittschalldämmung der Zementestrich seitens des Planers in 65 mm mit der Biegezugfestigkeitsklasse F5 vorgesehen.

Die Ausführung der Estricharbeiten entsprachen exakt den planerischen Vorgaben, sodass im Anschluss der Trocknungsphase des Zementestrichs der Fliesenleger mit den Belagsarbeiten begann. Verlegt wurden wunschgemäß anthrazitfarbene Feinsteinzeug-Fliesen im Format 60 x 60 x 1,2 cm.


Schaden

Risse in den Fliesenfugen
und Absenkung der Fußbodenkonstruktion

Bereits wenige Wochen nach der Eröffnung des Autohauses konnten sowohl in den Direktannahmen als auch an sämtlichen Toren der einzelnen Werkstattbereichen Risse in den Fliesenfugen festgestellt werden. Es war zudem erkennbar, dass eine Absenkung der Fußbodenkonstruktion am Übergang von der starren Rinne zu dem schwimmenden Estrich stattgefunden hatte, da nach den besagten wenigen Wochen die Fliesenkante 2 bis 3 mm tiefer als die Rinne war.

Der Sachverständige wurde, nachdem eine Direktannahme bereits saniert und mit einer druckstabileren Mineralfaserplatte (DES-sg CP2 Zusammendrückbarkeit von 2mm) neu verlegt wurde, gerufen, weil sich nach wenigen Tagen auch dort wieder Abrisse mit Absenkungen zeigten. Beim Ortstermin waren Absenkungen beim Befahren mit einem normalen Auto bereits von ungefähr 5 mm am Übergang zur starren Rinne feststellbar.
Auf Anfragen des Sachverständigen wurde die gleiche Werkstatteinfahrt mit einem rund 3 t schweren SUV befahren. Hier betrug die Absenkung am Estrichrand sage und schreibe 8 bis 10 mm. Der Bruch in der Konstruktion lag exakt in einer Fliesenfuge 1,2 m (zwei Fliesenreihen) innerhalb der Fläche. Behelfsmäßig wurde diese Fuge mittlerweile elastisch verfugt, sodass augenscheinlich der Schaden annähernd unsichtbar wirkte.


Ursache

Planerische Fehlberechnung
der zu erwartenden Lasten

Die Ursache der im Bauvorhaben entstandenen Schäden liegt eindeutig in der fehlerhaften Planung. Die verbaute Konstruktion war nicht für dynamische Lasten ausgelegt. Beim ersten Ortstermin gingen der Architekt sowie der Bauherr davon aus, dass der Estrichleger eine zu geringe Estrichdicke oder -güte verbaut habe. Dieser teilte jedoch mit, dass er bei der Reparatur der Direktannahme nicht wie angeboten, eine 3 cm dicke MFP-Platte (jetzt DES sg CP2) sondern eine 2 cm Platte und einen ternären Schnellzement in 75 mm Dicke als F7 verbaut habe.

Der Tatsache geschuldet, dass sich in diesem Bereich nur Kleinstflächen an Estrich befinden, da neben der Hebebühne noch ein Bremsenprüfstand steht, konnte auch dieser Estrich den Belastungen nicht standhalten. Beim genauen Lesen der Datenblätter der Trittschalldämmung wurde klar, dass sowohl die sm- als auch die sg-Dämmung nicht für Fahrbeanspruchung vorgesehen waren. Bei der Annahme, dass wirklich nur Lasten bis 5 kN in diesem Fall jedoch als dynamische Radlast (Einzellast) anzunehmen wären, so müsste die Estrichdicke des Zementestrichs als F5 bei ca. 98 mm liegen.


Verantwortlichkeit

Planer haftet und muss
die Kosten übernehmen

In diesem Fall ist die Zuordnung für die Schadensursache sehr eindeutig. Der Planer ging davon aus, dass die Lasten in den Tabellen 1 bis 4 der DIN 18560-2 auch für Estriche mit Fahrbeanspruchung (dynamisch) gelten würden.

Aufgrund der Tatsache, dass man davon ausgehen kann, dass in einem Autohaus, speziell in den Werkstätten, nicht nur lotrechte Lasten gemäß DIN 18560-2 auftreten werden, liegt die Verantwortung ganz klar in der Planung. Aus Sachverständigensicht hingegen war es schon etwas verwunderlich, dass der Estrichleger eine Reparatur ohne eine Diskussion auf seine Kosten durchführte.

Als Sanierungskonzept wurden die Direktannahmen im Verbund auf einer Kunstharzhaftbrücke (wegen der Stahlrahmen der Einbauten) verbaut. In den acht Werkstätten wurde auf die 3 cm Trittschalldämmung gänzlich verzichtet und der schwimmende Estrich in 95 mm als ternärer Schnellzement verwendet. Die Arbeiten mussten in acht Teilabschnitten an den Wochenenden durchgeführt werden.


Georg Kuntner - der Autor
Gutachter Georg Kuntner ist von der HWK Manhheim Rhein-Neckar-Odenwald ö.b.u.v. Sachverständiger für das Estrichlegerhandwerk.

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aus FussbodenTechnik 02/20 (Handwerk)