Cocooning stimuliert die Tapetennachfrage

Durch Homeoffice und den Verzicht auf Reisen werden Wohnungen als gemütlicher Rückzugsraum neu gestaltet. Die deutsche Tapetenindustrie profitiert von diesem Trend, der durch Corona verursacht wurde.

Infolge der Corona-Pandemie bekommt Cocooning neuen Schwung. Homeoffice, Verzicht auf Reisen ins Ausland und die Angst vor Infektionen mit Covid-19 sorgen für einen Rückzug in die eigenen vier Wände. Damit sie sich zu Hause wohl fühlen, gestalten viele Menschen ihre Wohnungen derzeit neu. Das spürt auch die deutsche Tapetenindustrie, die sich über steigende Nachfrage nach ihren Produkten freut.

"Nachdem der Lockdown in relevanten Ländern und die damit verbundene Schließung der Geschäfte im März und April zu einem erheblichen Umsatzrückgang geführt hat, setzt ab Mai ein spürbarer Nachholeffekt ein", sagt Dietmar Everding, der für Marketing und Vertrieb zuständige Geschäftsführer des Tapetenherstellers Erismann in Breisach. Insbesondere die Vertriebsschiene Baumärkte und der Onlinehandel hätten kräftig zugelegt, aber auch in anderen Vertriebskanälen seien Umsatzzuwächse zu verzeichnen. Nach Angaben von Wolf Kappen, Geschäftsführer der Marburger Tapetenfabrik in Kirchhain, legte nicht nur der Inlandsmarkt zu, sondern auch der Export drehte in vielen Ländern ins Plus.

Neues Bewusstsein für
die heimischen vier Wände

Stefan Gauger sieht ein neues Bewusstsein für die eigenen vier Wände. "Auch wenn in den Sommermonaten sicherlich der Außenbereich von dieser Entwicklung stärker profitiert hat, werden auch Inhouse-Projekte zunehmend umgesetzt", betont der Marketingleiter von A.S. Création in Gummersbach. Dazu gehöre auch die Wandgestaltung, für die neue, außergewöhnliche Ideen mit Tapete entwickelt würden.

Dr. Frederik Rasch, Geschäftsführer der Tapetenfabrik Gebr. Rasch in Bramsche, mahnt jedoch: "Aktuell kann nicht ausgeschlossen werden, dass die hohe Nachfrage auch einen Nachholeffekt darstellt." Gleichwohl hofft er, dass die erhöhten Absatzmengen in Westeuropa und insbesondere in Deutschland darauf zurückgeführt werden können, dass das eigene Zuhause einen höheren Stellenwert bei den Konsumausgaben eingenommen habe.

Sicher sind sich die Vertreter der Tapetenindustrie, dass der Cocooning-Trend anhalten wird. "Weil die Leute in Krisen das Geld zusammenhalten. Da entfällt der (Zweit-)Urlaub eher als in den vergangenen Jahren des Wirtschaftsbooms", begründet Wolf Kappen seine Einschätzung. Matthias Häusler, Assistent der Geschäftsführung bei Fototapetenhersteller Komar in Kolbermoor, sieht eher das Homeoffice als Treiber der Entwicklung. Die Unternehmen hätten zum Teil weder Kosten noch Mühen gescheut, um das Büro zu Hause während der Pandemie für ihre Mitarbeiter zu ermöglichen. "Wir gehen davon aus, dass die Bedeutung des eigenen Zuhauses im Zusammenhang mit Homeoffice auf lange Sicht noch wachsen wird", ist Häusler überzeugt.

Stefan Gauger stimmt seinen Kollegen zu: "Die Besinnung auf die eigenen vier Wände führt dazu, dass sich die Menschen mit neuen Einrichtungsideen beschäftigen. Auf dieser Ideenreise entdecken viele Renovierungsbegeisterte - und das als gesamte Familie - das schöne Produkt Tapete vielleicht sogar neu. Nicht als Produkt mit angestaubtem Image, sondern modern, frisch, außergewöhnlich." Dietmar Everding äußert in diesem Zusammenhang die Hoffnung, dass sich die positive Entwicklung fortsetzt. Dann würden sich die Umsätze auf einem guten Niveau normalisieren. Dr. Frederic Rasch geht noch weiter: "Wir glauben, dass die Interior-Branche vor einer Renaissance steht."

Digitaldrucktapeten
sehr beliebt

Die Designs, die sich in der Krise größter Beliebtheit erfreuen, sind sehr vielfältig. Nach Auskunft von Matthias Häusler sind es Muster rund um Urlaub, Sehnsuchtsorte und ferne Länder, die der Verbraucher derzeit bevorzugt. Bei A.S. Création spielen Digitaldruckthemen mit ihren ausdrucksstarken Motiven und Formaten eine große Rolle. "Im Bereich der herkömmlichen Rotation erfreuen sich Themen wie Industrial, aber auch florale Motive großer Beliebtheit", erläutert Stefan Gauger. Aus dem Sortiment der Marburger Tapetenfabrik werden tropische Motive und üppige rapportlose Digitaldrucktapeten nachgefragt, während sich Dietmar Everding über den Absatz der Guido-Maria-Kretschmer-Kollektion freut.

In Verbindung mit dem Designer als Testimonial hat Erismann ein ganzheitliches Konzept für eine große Baumarktgruppe entwickelt. Es sieht vor, am Point of Sale Tapeten, Stoffe und Kissen zu präsentieren. "Wir sind sehr zufrieden mit den Umsätzen und können uns vorstellen, dieses Thema weiter auszubauen", sagt Everding über den Cross-Selling-Ansatz: "Ganzheitliches Wohnen ist ein wichtiges Thema. Wir zeigen in unseren Kollektionen viele Lösungsansätze, die richtige Farbauswahl zu treffen und stimmungsvolle Wohnwelten zu schaffen", erzählt Stefan Gauger. Das helfe bei der Planung und gebe Stilsicherheit. Zudem biete A.S. Création über die Stoff-Tochter Indes Fuggerhaus abgestimmte Konzepte von Tapeten und Stoffen an.

"Die Kombination verschiedener Einrichtungsprodukte ist sinnvoll und wünschenswert", macht Dr. Frederik Rasch deutlich. Bei Rasch werde darauf geachtet, dass Farbe, Boden, Stoff, Stuck, Fußbodenleisten und anderen Interior-Produkte Bestandteil der Bildsprache seien.

Auch die Marburger Tapetenfabrik geht mehr und mehr in die Richtung der Einrichtungsbeispiele. Die neue App wird eine solche Funktion nach Angaben Kappens bald erhalten. Bei Komar liefern Interieuraufnahmen Ideen.
cornelia.kuesel@snfachpresse.de
Cocooning stimuliert die Tapetennachfrage
Foto/Grafik: Komar
Florale Muster liegen im Trend.
Cocooning stimuliert die Tapetennachfrage
Foto/Grafik: Tapetenfabrik Gebr. Rasch
Die Tapetenfabrik Gebr. Rasch stellt sich mit der Kollektion Kimono dem Japan-Trend.
aus BTH Heimtex 11/20 (Tapeten, Wandbeschichtungen)