Forschung im Schlaflabor: Schlafstörungen verstehen, analysieren und beheben

Immer mehr Menschen schlafen schlecht. Die Ursachen von Schlafproblemen sind vielfältig, aber nicht immer leicht zu erkennen. Wo der Allgemeinmediziner, Berater, Coach oder Bettenhändler nicht weiter weiß, kann mit Hilfe eines Schlaflabors das Problem untersucht werden. Dank verschiedener Messinstrumente wird der Schlaf im Labor ausführlich analysiert und die Schlafqualität gemessen. Doch was genau passiert imSchlaflabor?

Ein Schlaflabor ist eine schlafmedizinische Praxis, oft auch nur einige Zimmer als Teil einer Praxis oder eines Krankenhauses. Hier wird der Schlaf über Nacht analysiert. Mit Hilfe verschiedener Messinstrumente kann untersucht werden, was mit dem Schlaf eines Patienten nicht stimmt und wo die Ursache seiner Schlafprobleme liegt. In einem Schlaflabor arbeiten speziell für die Schlafmedizin ausgebildete Ärzte, aber auch Psychologen, Neurologen oder Ärzte für innere Medizin. Schließlich ist Schlaf ein sehr komplexer Vorgang, und Störungen können von verschiedenen Körperregionen verursacht werden.

Aber: Nicht für jedes Schlafproblem ist das Schlaflabor die richtige Anlaufstelle. Ein Besuch beziehungsweise eine Nacht im Schlaflabor kommt in der Regel in drei wichtigen Situationen in Frage:
•bei Verdacht auf Schlafapnoe (Atemaussetzer in der Nacht)
•bei Verdacht auf Narkolepsie (Schlafkrankheit, unkontrollierbares Schlafen)
•bei anhaltenden Schlafproblemen ohne körperliche oder psychische Ursache.

Das Schlaflabor kommt also erst dann in Frage, wenn vorher Untersuchungen bei einem Allgemeinmediziner oder Facharzt keine vollständige Aufklärung gebracht haben.

Der Tag/die Nacht
im Schlaflabor

Vereinfacht gesagt, wird der Schlaf im Schlaflabor mit Messinstrumenten überwacht und aufgezeichnet. Auf Basis der Aufzeichnungen können die Ärzte die Schlafprobleme behandeln. Meist werden Patienten gebeten, einige Tage oder eher Wochen ein Schlaftagebuch zu führen. Damit werden die jeweiligen Schlafgewohnheiten dokumentiert. Das ist meist der einzige Weg, sich einen vollständigen und längerfristigen Überblick über die Schlafsituation des Patienten zu verschaffen. Zusätzlich wird ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten, gegebenenfalls auch dem Partner, geführt. Für die Nächte im Schlaflabor braucht man nur ganz normales "Gepäck". Am Tag der ersten Nacht solltest ab dem frühen Mittag kein Koffein und Alkohol konsumiert werden.

Das Bett, in dem der Patient die Nacht verbingt, steht in einem Zimmer mit verschiedenen Messinstrumenten. Das Haupt-Messinstrument ist das EEG (Elektroenzephalogramm), das Gehirnströme und Gehirnwellen misst. Dafür werden Elektroden an Kopf und Kinn befestigt. Das ist wichtig, weil damit die Schlafphasen aufgezeichnet werden. Ob alles im normalen Rahmen bleibt, wird mit weiteren Messinstrumenten festgestellt. Dafür findet im Schlaflabor ein weiteresVerkabeln statt. Folgende Aufzeichnungen werden dabei unter anderem vorgenommen:

•EOG Elektrookulographie = Augenbewegungen
•EKG Elektrokardiographie = Herzströme
•EMG der Kinnmuskulatur Elektromyographie = Erfassung der Muskelspannung
•EMG der Beinmuskulatur Erfassung von Beinbewegungen
•Schnarchgeräusche über ein Mikrophon
•Atemfluss über eine Nasenstaudruckbrille
•Atembeobachtung des Brustkorbes
•Atembeobachtung des Bauches
•Körperlage
•Sauerstoffgehalt im Blut.

Die Erfassung all dieser Werte wird Polysomnographie genannt. Aufgrund dieser Messwerte kann am Morgen danach ein sehr genaues Schlafprofil (Hypnogramm) der einzelnen Schlafstadien erstellt werden. Dieses Schlafprofil lässt Rückschlüsse auf die Schlafqualität und die Ursachen zu, welche die Schlafqualität gegebenenfalls beeinträchtigen.

Besteht ein Verdacht auf Schlafwandeln,epileptische Anfälle in der Nacht, Schlafparalysen oderandere in der Nacht auftretende Schlafkrankheiten, kann es auch sein, dass der Schlaf per Video aufgezeichnet wird. Das Ergebnis beziehungsweise die Auswertung der Messinstrumente können sich die Schlafmediziner während des Schlafes in einem Nebenzimmer ansehen. Von dort sind viele Geräte auch steuerbar.

Während der Nacht besteht jederzeit die Möglichkeit per Klingel Personal zu kontaktieren, etwa um auf Toilette zu gehen.Voll verkabelt und in einer neuen Schlafumgebung schläft es sich anders als zu Hause. Für aussagekräftige Ergebnisse wird man daher meist zwei Nächte im Schlaflabor verbringen müssen.Anschließend beginnt die Auswertung der Ergebnisse. Gemeinsam mit Schlafmedizinern und anderen Fachärzten werden die Patienten über die Ergebnisse der Aufzeichnungen aufgeklärt und über den weiteren Verlauf der Behandlung beraten.

Neu und anders gedacht:
Das NeuroTec-Loftin Bern

Der bekannte Autor und Schlafforscher Albrecht Vorster ("Warum wir schlafen") arbeitet am NeuroTec in Bern, das als Labor für angewandte Forschung zur Universitätsklinik für Neurologie gehört. Dessen Ziel ist es, eine Brücke zu schaffen zwischen Wissenschaft, Technologiespezialisten und Industrie. Gerade im Bereich der Schlafforschung besteht hier eine riesige Lücke. Das NeuroTec will aber auch die Verbesserung der Schlafumgebung im Krankenhaus gewährleisten. Denn es ist ja verrückt, dass der Ort, an dem wir den Schlaf am meisten brauchen, auf genau dieses Bedürfnis keine Rücksicht nimmt.

Momentan läuten Wearables (tragbare Sensoren), Nearables (kontaktlose Sensoren) und verschiedene Arten von Sleep-Trackern eine neue Ära der Schlafmedizin und Diagnostik ein. Ziel des NeuroTecs ist es, diese Technologien medizinisch sinnvoll nutzbar zu machen. Das Know-how dazu in Bern ist da: Das Universitätsklinikum Bern ist eines der führenden Zentren in der Behandlung von Schlafstörungen. Am Schlaf-Wach-Epilepsie-Zentrum arbeiten dafür alle schlafmedizinischen Fachrichtungen Hand in Hand: Neurologen, Pneumologen, Psychologen, Chronobiologen. Eine Seltenheit, denn meistens werden Schlaflabore entweder von einem Pneumologen oder Neurologen geleitet. In Bern erwartet jeden Patienten zunächst eine 45 minütige schlafmedizinische Anamnese, dann erst wird er an die für ihn entsprechenden Fachärzten weiterbetreut.

Dieses Wissensspektrum steht auch dem NeuroTec zur Verfügung. Eine zentrale Infrastruktur ist das NeuroTec Loft - eine instrumentierte Wohnung zur Überwachung des menschlichen Verhaltens, Schlafes und des Einflusses neurologischer Störungen auf das tägliche Leben. In einem Real-Life Setting kann der Schlaf mit modernster Sensor-Technik in all seiner Tiefe bewertet werden: Partner können nebeneinander schlafen und vorher wie gewohnt einen Film im Wohnzimmer schauen. Dennoch kann anschließend in entspannter Umgebung der Schlaf mit High-Density EEG verfolgt werden, oder Veränderungen in Körpertemperatur, Atmung und Puls.

Die letzten drei genannten ohne dass es der Proband dank Matratzensensortechnologie und Radarsensoren merkt. Der Einfluss des Lichtes, insbesondere des Blaulichtes, kann kontrolliert getestet werden, denn die Wohnung ist mit LED-Technik, die dem Human Centric Lighting Konzept zugrunde liegt, ausgestattet. Schlafmedizinisches Fachwissen und High-Tech: Im NeuroTec Loft findet beides in der Anwendung zusammen.


Schlafexperte Markus Kamps
Seit mehr als 20 Jahren widmet sich Präventologe Markus Kamps als Schlaf-Experte, Schlafcoach, geprüfter Präventologe und Vortragsredner der Schlaf- und Rücken-Gesundheit. Auch Online ist Kamps sehr aktiv auf www.schlafkampagne.de sowie in der gemeinsam mit Fabian Dittrich und Joe Sartor geführten Sleep Performance Academy.
www.sleep-performance.academy
aus Haustex 10/20 (Handel)