Prospekt-Werbung: "Print ist alles andere als tot"

Köln. Der Prospekt ist aus deutschen Haushalten nicht wegzudenken: 87 Prozent der Bundesbürger lesen die gedruckten Werbebeilagen oder Online-Prospekte. Eine neue Studie zeigt: Die Prospektlektüre hat maßgeblich Einfluss auf Kaufentscheidung, Kundenbindung und Markenwahrnehmung. Das wissen viele Händler zu nutzen.

Alle reden über Digitalisierung. Doch der gedruckte Prospekt, mit dem Händler ihr Sortiment oder Sonderangebote in bunten Bildern bewerben, gehört zur Lieblingslektüre an deutschen Frühstückstischen, wenn er mit der Lokalzeitung ins Haus kommt. Old School oder am Puls der Zeit? Die gedruckten Werbebotschafter werden von Möblern, Filialisten oder Fachhändlern gleichermaßen genutzt - alle setzen auf Papier, aber auch die Online-Varianten finden zunehmend ihr Publikum.

Wie schnell Prospektwerbung zum Erfolg führen kann, hat Bettenfachhändler Stephan Schulze-Aissen gerade erst erfahren (siehe auch Bericht Seite 46). Mit der Schließung der Karstadt-Filiale in Bremerhaven verlor die Stadt ihr letztes Kaufhaus und damit einen wichtigen Anbieter von Haustextilien. Damit fiel auch die Prospekt-Werbung weg, die das Unternehmen bis dato über die Lokalpresse vertrieb.

Eine Situation, von der Schulze-Aissen profitierte: "Wir haben Ende Mai den Bettwäsche-Prospekt des Bettenrings breit gestreut, nachdem Karstadt seine Werbung eingestellt hat", so Schulze-Aissen, der sich in der Folge über spürbare Umsatzzuwächse bei der Bettwäsche freute. "Wir haben auf diesem Weg viele Karstadt-Kunden zu uns ins Geschäft holen können." Neben dem zusätzlichen Umsatz auch ein schöner Image-Gewinn, zumal in der Phase nach der Corona-bedingten Zwangsschließung.

Dass der Prospekt ein wichtiger Kontaktpunkt für den Handel zu seinen Kundinnen und Kunden ist und nicht nur über Kaufabsichten entscheidet, sondern auch erheblichen Einfluss auf das Image einer Händlermarke hat, zeigt die neue Studie "Der Prospekt als Markenbotschafter" des Kölner Instituts für Handelsforschung (IFH) in Zusammenarbeit mit Media Central. Sie analysiert, ob und wie der Prospekt als Markenbotschafter wirken kann.

"Der Prospekt bietet Händlern eine attraktive Möglichkeit der direkten Kundenansprache - auch über die reine Angebotskommunikation hinaus. Der Prospekt - egal ob gedruckt oder digital - kann Kundinnen und Kunden nicht nur an eine Marke binden, sondern sogar das Markenimage maßgeblich prägen, wie unsere Studienergebnisse eindeutig belegen", unterstreicht Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer am IFH Köln.

Der Händler als Marke vor Ort: So positioniert sich auch die Gilde der Bettwarenmanufakturen in Deutschland, einem Zusammenschluss von knapp 20 inhabergeführten Traditionsgeschäften in ganz Deutschland. Sie geben einmal im Jahr die Kundenzeitschrift "Schlafen Spezial" heraus, die weit mehr ist als ein herkömmlicher Prospekt mit reiner Produktwerbung. "Nachdem die harte Phase des Lockdown beendet war und die Geschäft wieder öffnen durften, ging es auch hier wieder weiter, sogar mit gesteigerter Auflage", erzählt Jens Rosenbaum, der für Erstellung und Vermarktung des Heftes verantwortlich ist. "Lagen wir 2019 bei einer Auflage von etwas über 400.000 Exemplaren, kommen wir jetzt auf fast 640.000", so Rosenbaum. 14 Fachhändler von Kiel bis Lörrach haben sich bis jetzt für diesen zusätzlichen Weg entschieden, durch Kompetenz auf sich aufmerksam zu machen." Auch hier wird über die Lokalpresse gestreut.

Dabei geht es weniger um Produktwerbung als vielmehr darum, die Leistungsfähigkeit des jeweiligen Händlers herauszustellen und durch thematisch passende Artikel die Kompetenz des Fachhandels zu unterstreichen. Im aktuellen Fall steht die Matratze thematisch im Fokus. Aufklärung statt Preis-Dumping nennt Rosenbaum das Prinzip mit Blick auf den Inhalt: "Wer Qualität hat, sollte das auch zeigen. Wir haben dabei das Thema Online-Handel ebenso angefasst wie die Stiftung Warentest. Und natürlich alles zum Thema Matratze, sachlich, neutral und ausgewogen."

Eine sinnvolle Verknüpfung. Denn das Image von Prospekten ist bei den Konsumentinnen und Konsumenten branchenübergreifend eng mit dem Image der Marke verbunden, und sei es der des Händlers selbst. Die IFH-Studie beweist: Unter der Voraussetzung der generellen Nutzung von Prospekten hat der Prospekt nicht nur eine Relevanz für die Kaufentscheidung, sondern auch für die Kundenbindung und die Bedürfniserfüllung der Konsumenten - vom klassischen Wunsch Geld zu sparen bis hin zu Inspiration - und fungiert ebenso als Vermittler von Imageattributen. Für das Image einer Händlermarke könne der Prospekt somit eine ähnliche Rolle einnehmen wie die Erfolgsfaktoren Kundenerlebnis, Sortiment, Warenverfügbarkeit, Mitarbeiter und Preis, so das IFH.

Das bestätigt auch Dr. Martin Süß, Geschäftsführer des Bettenrings. "Print ist in jedem Fall imagebildend", so Süß. Dies gelte trotz des Auflagenschwundes, den insbesondere Lokalzeitungen zu verkraften haben. Die jährliche Gesamtauflage der Bettenring-Beilagen lag in früheren Zeiten bei rund 10 Mio. Exemplaren, diese Zahl wird nicht mehr erreicht. Heute liegt sie bei rund 8 Mio. Prospekten - auch noch eine Menge Holz.

Die Werbebeilagen der Einkaufsgenossenschaft haben unlängst einen zeitgemäßen optischen Relaunch erfahren, für den der neue Marketingleiter Mathias Muthny verantwortlich zeichnet. Sechsmal jährlich bietet der Bettenring seinen Mitgliedern die Prospekte an, deren Vorlagen je nach Bedarf individualisierbar sind. Textile Themen zur Sommer- oder Wintersaison stehen dabei ebenso im Fokus wie Kompetenz-Prospekte zum Thema Rahmen und Matratzen oder Sparaktionen, die Anfang und Mitte des Jahres in der klassischen Schlussverkaufszeit gestreut werden.

Muthny spricht von einer guten bis durchschnittlichen Nutzung des Angebotes durch die Händler. "Sie können nahezu alles darin verändern", sagt der Marktingleiter. Spezialsortimente, die Bettfedernreinigung oder eine besondere Verkaufsaktion können so eingebunden werden. Das Bildmaterial bietet der Bettenring den Händlern aber auch zur freien Verwendung an, sei es für einen selbst gestalteten Prospekt oder eine Nutzung für die Homepage. Dabei wird auch auf eine Wiedererkennung Wert gelegt: Was der Endkunde gedruckt in Händen hält, soll sich idealerweise im Schaufenster und der POS-Dekoration des Händlers spiegeln. Auch hierfür hält der Bettenring ensprechende Unterstützung bereit.

"Wir bekommen regelmäßig eine Rückmeldung zum Abverkauf, das fordern wir auch gezielt ein", berichtet Muthny. So wird bei den einzelnen beworbenen Produkten sehr genau analysiert, wie die tatsächliche Wirkung der Prospektwerbung war. Und: Die Druckvorlage steht den Mitgliedern auch als Online-Variante oder Blätter-Version zur Einbindung in deren Shop oder auf der Händler-Homepage zur Verfügung. Auch diese Möglichkeit werde, so Muthny, gut genutzt. Und Dr. Martin Süß ergänzt, was auch die IFH-Studie belegt: "Digitale Prospekte sind ein schönes Add-on. Aber wir stellen seit Jahren fest, dass Print alles andere alt tot ist."
aus Haustex 10/20 (Handel)