Großes Thema Keimschutz im Objekt

Produkte, die Keime und Bakterien abtöten, spielen im Objekt eine zunehmend wichtige Rolle. Die Hersteller von Boden-, Wandbelägen, Farben sowie Sonnenschutz und Stoffen reagieren auf die steigende Nachfrage. Sie vereinen Optik mit Zusatzfunktionen.

Corona lenkt die Aufmerksamkeit verstärkt auf Gesundheitsschutz und erhöht die Sensibilität für Oberflächen. Zwar spielt die Optik an Wand, Decke, Boden und Fenster im Objekt weiterhin eine große Rolle. Aber Produkte, die zusätzlich Keime und Bakterien abwehren können, gewinnen in Pandemie-Zeiten rasant an Bedeutung. "Die Nachfrage nach einer neuartigen antiviralen Funktion ist riesig", betont Hubert Reinermann, Vertriebsleiter bei Heimtextilienspezialist Drapilux.

Das Marktforschungsinstitut Ceresana aus Konstanz bestätigt die zunehmende Bedeutung von funktionalen Produkten. Es prognostiziert in seiner "Marktstudie Farben und Lacke - Europa" eine steigende Nachfrage nach Farben mit antibakteriellen Eigenschaften sowohl für Innenräume als auch die Fassade (siehe Kasten Seite 30). Die Hersteller haben sich längst darauf eingestellt wie Zero-Lack mit seinem Produkt Health Tec und CD-Color mit Lucite Multiresist Pro.

Das aufsehenerregendste Wandprodukt mit Schutzfunktion kommt von der Marburger Tapetenfabrik. Inhaber und Geschäftsführer Ullrich Eitel und sein Sohn Paul entwickelten gemeinsam den antibakteriellen Wandbelag Keimex, der höchste Hygienestandards gewährleisten soll. Die Tapete bekämpft mit Silberionen in der Oberfläche Keime und Bakterien. Vater und Sohn stellten ihre Erfindung kürzlich in der TV-Show "Die Höhle der Löwen" vor und ernteten Anerkennung.

Weniger Angriffsflächen für Keime

Aber nicht nur die Wand kann vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen schützen. "Seine große Oberfläche macht einen Bodenbelag zu einem wichtigen Element für Hygiene und Infektionskontrolle in allen Risikobereichen von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen", ist Franziska Herrmann, PR- und Marketingreferentin bei Kährs Deutschland, überzeugt. Je dichter und geschlossener die Oberfläche der Beläge sei, desto weniger Möglichkeiten biete sie Keimen, sich festzusetzen.

Herrmann verweist insbesondere auf die Wannenverlegung, die Planern auch mit den Enomer-Belägen von Kährs möglich ist und Keinem sowie Bakterien weniger Angriffsfläche bietet. Das Prinzip der fugendichten Sockelausbildung erfülle die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes.

Die Kautschukböden von Nora Systems liegen seit Jahrzehnten in Hunderten von Krankenhäusern weltweit. 2002 wurden sie bereits während der Sars-Pandemie in chinesischen Kliniken verlegt. Auch in der jüngsten Krise setzten die Chinesen auf die bewährten Beläge und verwenden sie in der Klinik in Wuhan, die in Rekordzeit für die Behandlung von Covid-19-Patienten gebaut wurde.

Nora unterstützt als Industriepartner auch das deutsche Forschungsprojekt KARMIN (Krankenhaus, Architektur, Mikrobiom und Infektion). Die Untersuchung ging der Frage nach, wie eine neue Raumplanung Infektionen in Kliniken verhindern kann. Das Ergebnis ist der Prototyp eines neuartigen, infektionspräventiven Patientenzimmers, das während des aktuell für Oktober 2020 in Berlin geplanten World Health Summit präsentiert werden soll.

Für Felix Hummel, Segment Marketing Manager D/A/CH Healthcare, Agedcare und Education bei Tarkett, steht fest: "Die Unterstützung von Krankenhaushygiene beginnt bauseitig und kann mit verschiedensten Maßnahmen schon in der Planungsphase berücksichtigt werden." Er macht auf die Studie "Bauliche Hygiene im Klinikbau" der Forschungsinitiative Zukunft Bauen aufmerksam, die von Tarkett als Industriepartner unterstützt wurde (als PDF unter bit.ly/3dJV5xE). Nach Ansicht Hummels bieten elastische Bodenbeläge als Bahnenware gegenüber modularen Lösungen den Vorteil, dass schwer keimfrei zu machende Fugen durch sie vermieden werden.

Die elastischen Bodenbeläge von Gerflor weisen nicht nur eine hohe Beständigkeit gegenüber Flächendesinfektionsmitteln auf, sondern auch gegenüber den in der Corona-Krise verwendeten nichtfärbenden alkoholhaltigen Handdesinfektionsmitteln. Darüber hinaus hat der Hersteller passende SPM-Wandschutzplatten im Sortiment, die antibakteriell und beständig gegen Reinigungs- und Desinfektionsmittel sowie Antiseptika sind.

Thema bleibt Branche erhalten

Ein neues Geschäftsfeld mit Zukunftspotential ist durch Corona für die Sonnenschutzhersteller entstanden: Statt vor Sonne und Hitze zu schützen, verhindern die von einigen Firmen entwickelten Folienrollos die Übertragung von Keimen über Tröpfcheninfektion. "Mit der schnellen Entwicklung unseres Folienrollos möchten wir auch zukünftig mit unserer Produktentwicklung dazu beitragen, die bestmöglichen Produkte zum Thema Hygieneschutz anbieten zu können", sagte Ingo Fahl, geschäftsführender Inhaber von Ifasol und Vorsitzender im Verband innenliegender Sicht- und Sonnenschutz (ViS). Er geht davon aus, dass das Thema Hygiene der Branche erhalten bleibt.

Das meint auch Gordon Boddenberg, Marketingleiter bei Teba. Das Unternehmen hat ebenfalls ein Folienrollo lanciert. "Wir verfolgen in dieser Produktlinie einen ganzheitlichen Ansatz und erwarten zukünftig auch eine starke Nachfrage zur Grippesaison."

Davon geht auch Drapilux-Vertriebsleiter Hubert Reinermann aus. "Da wird sich in der nächsten Zeit einiges tun. Gemeinsam mit unseren Lieferanten arbeiten wir mit Hochdruck daran, bald eine antivirale Ausrüstung für unsere Stoffe anzubieten. Die Arbeit daran begann lange vor dem Ausbruch von Covid-19." Bislang wurden das bakterienabtötende Produkt Drapilux Bioaktiv sowie die luftreinigende Zusatzfunktion Drapilux Air in erster Linie im Healthcare-Bereich angewendet. "Jetzt gehen wir davon aus, dass diese Funktionen vermehrt in der Hotellerie und im Kreuzfahrtschiff-Bereich nachgefragt werden."

Anke Vollenbröker, Director Marketing & Business Development bei Faserhersteller Trevira, mahnt zu umweltverträglichen Lösungen: "Diese können zum Beispiel dadurch erreicht werden, dass man inhärent wirksame Materialien einsetzt, bei denen die Wirkstoffe wie Silber nicht durch Nutzung und Reinigung in die Umwelt abgegeben werden." Sie verweist auf die schwer entflammbaren Stoffe Trevira CS Bioactive mit antimikrobiellen Eigenschaften.

Antivirale Eigenschaften sind aber nicht alles, worauf es derzeit und in Zukunft im Objekt ankommt. Das zeigen die Objektberichte und Produktvorstellungen auf den nachfolgenden Seiten. Ein beispiel dafür, dass auch die Optik nicht zu kurz kommen darf und muss ist etwa der Sinnestunnel in Chemnitz. Dort können Besucher erfahren, wie sich alters- sowie krankheitsbedingte Einschränkungen anfühlen und wie eine anspruchsvolle Farb- und Oberflächengestaltung - in diesem Fall von Caparol - zum Wohlbefinden beitragen kann. | cornelia.kuesel@snfachpresse.de



Studie prognostiziert steigenden Absatz für Farben mit antibakteriellen Eigenschaften

Farbbeschichtungen dienen nicht allein der Optik. Sie können auch von schützender Wirkung sein. So werden Wände von sensiblen Räumen und Einrichtungen wie Krankenhäusern und Altenpflegeheimen zunehmend mit antibakteriellen Eigenschaften versehen. Nach der "Marktstudie Farben und Lacke - Europa" des Marktforschungsinstituts Ceresana wurden im vergangenen Jahr 9,1 Mio. t dieser Produkte mit funktionalem Zusatznutzen verbraucht.

Aber nicht nur Innenwandfarben mit antibakteriellen Eigenschaften sind gefragt, auch an der Fassade soll die Beschichtung mehr sein als nur bunt. Dazu gehören Anstriche, die den Lotus-Effekt nutzen und sich bei Regen selbst reinigen. Andere Beschichtungen können zum Beispiel Materialien vor Rost schützen oder zur Wärmedämmung beitragen.

Bautenfarben sind nach der Studie das größte Anwendungsgebiet von Farben und Lacken. Sie werden als Fassaden- und Innenwandfarben für den Wohnungsbau eingesetzt, aber auch für große Wirtschaftsbau- und Infrastruktur-Projekte. Die Ceresana-Marktforscher prognostizieren, dass im Jahr 2027 rund 58 % aller Farben und Lacke in die Bauindustrie gehen werden.

Beim Absatz pro Produkttyp ermittelten die Experten Acryl- und Vinylfarben als Nummer eins. Sie machen derzeit mit rund 53 % den größten Teil des europäischen Markts aus. Doch werde der verstärkte Fokus auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz die Nachfrage nach Farben und Lacken auf Wasserbasis sowie andere umweltfreundliche Alternativen steigen lassen. Wasserbasierte Farben und Lacke erreichten bereits einen Anteil von rund 58 % des europäischen Markts.
aus BTH Heimtex 06/20 (Handel)