KOMMENTAR: Zeit ist Geld

von Stefan MIelchen

Er ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft und steht, wie das gesamte Land, vor einer Bewährungsprobe gewaltigen Ausmaßes. Wann und wie die riesigen Hilfspakete von Bund und Ländern im Mittelstand wirken, ist ungewiss. Liquidität ist das Thema der Stunde. Zeit ist Geld - selten war dieser Spruch so wahr. Denn die Unternehmen brauchen die Mittel von KfW und ihren Hausbanken sofort, nicht erst in sechs oder acht Wochen. Was gut gemeint ist, droht im Gerangel um Bürokratie und Bonität zu verpuffen. Hier lohnt der Blick zu den Nachbarn: Die Schweiz hat eine zu 100 Prozent vom Staat garantierte Haftungsübernahme eingerichtet - verbunden mit einer sofortigen Auszahlung durch die Hausbank des Mittelständlers vor Ort. So unkompliziert muss es auch hierzulande gehen.

Die Dauer des angeordneten Stillstands ist kaum absehbar. Wie schnell der existenziell bedrohte stationäre Einzelhandel wieder auf die Beine kommt, hängt aber nicht alleine davon ab, wann wieder Kunden in die Geschäfte gelassen werden. Die Verbraucherstimmung ist angesichts einer bevorstehenden Rezession im Keller. Da ist es allenfalls ein schwacher Trost, dass die Menschen sich in schwieriger Zeit gern aufs Cocooning verlegen. Wer in der Vergangenheit durch Minuszinsen fürs Sparen bestraft wurde, hat seine Reserven meist anderweitig verplant. Und wer von Kurzarbeit oder drohender Entlassung betroffen ist, hat ohnehin zu wenig Geld.

Noch beschwören viele die Gemeinsamkeit. Aber nicht alle halten sich daran. So klagen Textil- und Möbelhersteller bereits, dass Großkunden ihre Zahlungsziele eigenständig neu definieren, frei nach dem Motto: friss oder stirb. Handelsunternehmen mit großer Marktbedeutung können im Zweifel so handeln. Kleine Händler, inhabergeführte Geschäfte nicht. Sie klammern sich an jeden Strohhalm, nicht zuletzt die Unterstützung ihrer Einkaufsverbände. Doch auch dort wird man früher oder später entscheiden müssen, wen man durch die Krise trägt, und wer im Interesse aller zurückgelassen werden muss. Es stehen schmerzhafte Zeiten bevor.

Um so wichtiger ist es, ein Szenario für die Zeit nach Corona zu entwerfen. Die Schwarze Null ist bereits gefallen, Konjunkturprogramme dürften folgen. Gleichzeitig ist klar, dass wir dies alles irgendwann bezahlen müssen. Nach einer Rezession 2020 prognostizieren die Wirtschaftsweisen allerdings einen deutlichen Aufschwung für das kommende Jahr. Immerhin das ist ein Silberstreif am Horizont.
aus Haustex 04/20 (Handel)