Ammoniak-Verfärbung in alter Mühle

Das Unheil lauerte in der Wand

Wie Ausdünstungen aus der Wand Parkett verfärben können - von solch einem interessanten und teuren Schadensfall berichtete auf dem Sachverständigentag in Köln Nico Schattke, Sachverständiger aus Leipzig. Teuer vor allem deshalb, weil vom Parkettleger verlangt worden war, rund 3.500 m2 verlegten Holzboden auf eigene Kosten zu ersetzen.

Bei dem Bauprojekt handelte es sich um eine große, alte Getreidemühle, die saniert und mit Eigentumswohnungen ausgebaut worden war. Der Bodenaufbau im Inneren erhielt einen beheizten Zementestrich und anschließend ein werkseitig versiegeltes Zweischichtparkett aus Eiche. Die Außenwände des dekorativen Gebäudes bestehen aus Ziegelstein mit Dämmputz, die Innenwände ebenfalls aus Ziegelstein mit einem Kalk-Zementputz.

Einige Wochen nach Ende der Bodenarbeiten traten am Parkett im Bereich der Kopfstöße Verfärbungen auf. Das Gleiche geschah an den Stößen und Nagellöchern der Sockelleisten. Obendrein war ein stechender Geruch wahrzunehmen. Die Projektleitung hatte bald einen Verdacht: Es muss das Formaldehyd im Parkettklebstoff sein! Vom Parkettleger wurde verlangt, 3.500 m2 frisches Parkett auszubauen und auf eigene Kosten mit neuem Klebstoff wieder zu verlegen. Der setzte sich zu Wehr und beauftragte einen Sachverständigen.

Die darauf folgende Untersuchung zeigt, wie leicht man auf eine falsche Fährte geraten kann. Erstaunlicherweise wurde mittels Laboruntersuchung tatsächlich Formaldehyd im Klebstoff gefunden. Und das, obwohl der Hersteller bestätigte, dass sein Produkt bei Auslieferung 0 % Formaldehyd enthalten würde. Ein Fachmann vermag das Rätsel zu lösen: "Klebstoff kann Formaldehyd aus der Umgebung aufnehmen und speichern, doch Formaldehyd für sich alleine ruft keine Verfärbungen an Eiche hervor." Ein weiteres Indiz entlastete den Klebstoff. Nico Schattke: "Es wurden Produkte zweier unterschiedlicher Hersteller verwendet, wobei die Geruchsbildung und Verfärbung unabhängig von der Wahl des Klebstoffes auftrat. Das heißt, es ließ sich hier kein Muster für den Klebstoff als Ursache erkennen."

Dafür schälte sich ein anderes Muster heraus. Und das betraf die Lage der Wohnungen. Das Zentrum der Parkettschäden befand sich nämlich in dem Teil des alten Gebäudes, in dem früher Getreidesilos standen. Schattke: "Je weiter die Wohnungen davon entfernt lagen, desto weniger Geruchsbildung und Verfärbungen konnten festgestellt werden."

Organische Substanzen
können Ammoniak freisetzen

Nun ist es für die Branche kein Geheimnis, dass Verfärbungen an den Kopfstößen von Eiche-Deckschichten oft durch eine Reaktion der Gerbsäure der Eiche mit einem Amin bzw. Ammoniak (NH4) entstehen. Es gilt, die Quelle des Ammoniaks zu finden. Verdächtig sind bestimmte Zemente und Zusätze von Zementestrichen, die Ammoniak freisetzen können. Aber auch als Zersetzungsprodukt beim Abbauprozess von organischen Materialien - etwa von Proteinen im Getreide - entsteht Ammoniak. Dass dies hier der Fall sein konnte, lag in einer ehemaligen Getreidemühle nahe. Und schließlich kam auch noch der Innenputz in Betracht.

Nachdem aus allen Bereichen - auch der Raumluft - Proben entnommen und mit den Ammoniakfänger-Methoden der Gasdiffusion und Flüssigauswaschung untersucht worden waren, lag ein eindeutiges Laborergebnis vor: "Die Ziegelwand in Wohnung A stellt aufgrund ihrer höchsten Werte eine bedeutende Emissionsquelle von Ammoniak und/oder gasförmigen Aminen dar und diese sind hinsichtlich Höhe und Art geeignet, die aufgetretenen Holzverfärbungen am Parkett und an den Sockelleisten zu verursachen."

Der Parkettleger war damit aus dem Schneider. Denn auch der Wandputz zeigte erhöhte NH4-Werte. Die Erklärung des Sachverständigen: "Während des Mühlenbetriebes wurden pflanzliche Stoffe an der Ziegelwand von Wohnung A deponiert. Beim Abbau von Proteinen und Aminosäuren, wie sie in Getreide vorhanden sind, können Ammoniak und gasförmige Amine entstehen. Diese Reaktion wird durch erhöhte Temperaturen oder hohe pH-Werte, wie hier durch direkten Kontakt mit frischem, stark basischem Kalk-Zementputz, ausgelöst oder verstärkt." | Henrik Stoldt
aus Parkett Magazin 06/19 (Handwerk)