"Der erste Handwerker bei Myster war ein Raumausstatter"


Wer online nach Handwerkern sucht, soll sie bei Myster.de finden. Gründer Mirco Grübel kümmert sich mit seiner Onlineplattform um die komplette Abwicklung einschließlich Beratung, Material und Abrechnung. Dazu sucht er die Partnerschaft von Industrie und Großhandel.

BTH Heimtex: Zum ersten Mal führen wir in BTH Heimtex ein Gespräch mit einem Start-up aus der Branche.

Mirco Grübel: In Berlin wäre Myster wahrscheinlich eines. Aber wir kommen aus Dortmund und ich bezeichne uns nicht als Start-up, sondern als junges, aufstrebendes, dynamisches Unternehmen - nicht als rein digitales. Wir haben mit unserem Showroom in Dortmund und dem Myster-Spot in Unna, ja auch physische Standorte.

BTH Heimtex: Dennoch ist Myster zunächst einmal ein Angebot im Internet.

Grübel: Ich hatte 2016 die Idee für eine Onlineplattform, die Handwerker und Verbraucher zusammenbringt. Aber nicht wie etwa Myhammer, wo es nur um die Vermittlung von Aufträgen geht. Das wäre wieder die alte Customer journey, bei der Anfragen gegebenenfalls spät oder gar nicht beantwortet werden, weil Handwerksbetriebe in ihren Abläufen und Ressourcen gar nicht darauf eingestellt sind, sie zeitnah zu beantworten. Stattdessen bieten wir das komplette Paket inklusive Produkten und Abrechnung. Denn der Verbraucher sagt nicht, ich brauche einen Malermeister oder einen Bodenleger - er sagt: Ich möchte ein neues Wohnzimmer. Das bekommt er bei uns.

BTH Heimtex: Das heißt, für den Auftraggeber sind Sie der einzige Ansprechpartner?

Grübel: Richtig. Wir machen eine Kalkulation und ein Angebot und haben dann auch schon eine Handwerksressource reserviert. Wir nehmen den Auftrag an, beauftragen einen Handwerksbetrieb mit der Ausführung und stellen nach getaner Arbeit die Rechnung. Und sollte der Kunde einmal nicht zufrieden mit dem Ergebnis sein, kümmern wir uns auch darum und bilden gewissermaßen einen Puffer zum Handwerker, der dann noch einmal zum Nacharbeiten kommt.

BTH Heimtex: Wie laufen die Auftragsvergabe und die Ausführung konkret ab?

Grübel: Auf myster.de findet der Verbraucher einen Raumplaner, mit dem er selber Gestaltungsvarianten auf dem Boden und an der Wand ausprobieren kann.

BTH Heimtex: Davon gibt es inzwischen viele

Grübel: Wir gehen aber beim Service wesentlich weiter, indem wir Online- und Offline-Welt miteinander verbinden. Wenn der potenzielle Auftraggeber uns seine Wünsche mitgeteilt hat, rufen wir ihn an - durchschnittlich nach zwei bis drei, maximal nach 48 Stunden. Wir gehen gemeinsam alle Parameter durch, die wir für die Erstellung der Kalkulation brauchen. Es gibt eine Maß-Toleranz von 5 %; alles was darüber hinaus geht, wird vor Ort neu kalkuliert. Wenn es eine komplexere Baustelle ist, kommt unser Handwerkspartner zu einer Vor-Ort-Besichtigung. Auch da wird noch beraten, und so kommt es unter Umständen zu einer Erweiterung des Auftrags oder zu Folgeaufträgen.

BTH Heimtex: Welche Kompetenz haben die Mitarbeiter am Telefon?

Grübel: Aktuell sind die Mehrzahl unserer Mitarbeiter keine Handwerker. Aber alle Mitarbeiter sind in das Thema hineingewachsen und haben sich die nötige Expertise erarbeitet.

BTH Heimtex: Bei der telefonischen Beratung ist der ausführende Handwerker demnach nicht eingebunden?

Grübel: Das ist richtig, doch das ist kein Nachteil. Wir haben immer ein offenes Ohr für Vorschläge oder Hinweise auf Alternativen oder neue Produkte und bauen die dann auch in unsere Beratung ein. Die Entwicklung lässt sich an unserem Kalkulationstool nachempfinden, das ständig verändert und um neue Leistungen erweitert wird.

BTH Heimtex: Wo und mit welchen Gewerken arbeiten sie derzeit zusammen?

Grübel: Myster ist ein urbanes Geschäftsmodell. Wir sind nicht im Sauerland, denn noch heißt dort die Handwerkerplattform: Schützenfest. Wir sind in Berlin, München, Hamburg, im Ruhrgebiet bis runter nach Köln und Frankfurt aktiv sowie in Göttingen und Münster. Dort arbeiten wir mit Betrieben zusammen, die insgesamt rund 350 Mitarbeiter haben. Der Schwerpunkt liegt derzeit auf Arbeiten an der Wand, aber Bodenarbeiten gewinnen an Volumen.

BTH Heimtex: Also eher Aufträge für Maler und Bodenleger, nicht unbedingt Raumausstatter.

Grübel: Mit unserem Angebot sind wir nicht die Experten für die 20 % Spezialfälle, sondern für die 80 % des Marktes, bei denen die Wände zum Auszug gestrichen werden oder ein neuer Bodenbelag im Flur verlegt werden soll. Es stimmt, dass wir etwa für den Bereich Deko/Gardine noch keine Aufträge vergeben. Aber unser erster Handwerkspartner war ein Raumausstatter. Und das Leistungsspektrum wächst in andere Gewerke hinein. Wir bringen schon den Schalter an der Wand an, haben Terrassen gemacht.

BTH Heimtex: Was sind das für Betriebe, mit denen Sie zusammenarbeiten?

Grübel: Es sind durchschnittliche Handwerksbetriebe mit sagen wir fünf Mitarbeitern, aber auch schon größere sowie der sogenannte Man in the Van. Entweder sprechen wir Firmen direkt an, weil wir einen Auftrag in einer Region haben. Oder wir bitten Handwerker, die bereits mit uns zusammenarbeiten, um eine Empfehlung. Da wird natürlich nicht unbedingt ein Konkurrent genannt, aber ein anderes Gewerk oder ein kompetenter Betrieb in einer anderen Stadt. Und es gibt inzwischen Firmen, die von sich aus Interesse an einer Zusammenarbeit bekunden; übrigens auch aus benachbarten Gewerken, die noch nicht zu unserem Angebot gehören.

BTH Heimtex: Wie stellen Sie die Qualität der Handwerksleistung sicher?

Grübel: Betriebe, die mit uns zusammenarbeiten wollen, schauen wir uns genau an, betreiben Hintergrundrecherche und besuchen sie vor Ort. Neue Partner bekommen auch nicht gleich die größten Aufträge. Der zweite Teil der Qualitätssicherung ist dann der Auftraggeber mit seiner Bewertung, um die wir ihn nach Abschluss der Arbeiten bitten. Das durchweg positive Echo bestätigt unser Geschäftsmodell.

BTH Heimtex: Das Handwerk hat gerade Hochkonjunktur. Wo liegt die Motivation der Firmen, trotz voller Auftragsbücher mit Myster zusammenzuarbeiten?

Grübel: Handwerker sind grundsätzlich interessiert an einem Konzept von der Geschäftsanbahnung bis zur gesicherten Bezahlung. Und es gibt immer mal wieder Lücken, die wir füllen können - eine Baustelle fällt aus oder ein zusätzlicher Mitarbeiter wurde eingestellt.

BTH Heimtex: Handwerk und online - ist das kein Gegensatz?

Grübel: Ganz im Gegenteil. Ich muss heute niemandem mehr erklären, dass Geschäftsmodelle auch online funktionieren. Die Frage an den Handwerker ist, ob sein Geschäftsmodell online funktioniert: Kannst Du dir vorstellen, dass ein Verbraucher, der auf seinem Sofa sitzt und sich über einen neuen Bodenbelag oder eine neue Wandgestaltung Gedanken macht, sofort auch wenigstens eine finanzielle Größenordnung haben möchte? Die Antwort ist: ja. Das kann sich jeder vorstellen, der privat im Netz unterwegs ist, dort einkauft oder Filme streamt - auch die über 50-Jährigen.

Und noch etwas spricht für uns: 2018 wurden vom Volumen her 15 % der Anfragen über die Webseite tatsächlich zu Aufträgen. Im E-Business ist eine Conversion von 3 % schon sehr, sehr gut. So wie die Menschen verstanden haben, dass man Schuhe oder Möbel im Internet bestellen kann, werden sie auch verstehen, dass sie über diesen Kanal ein schöneres Zuhause bekommen können.

BTH Heimtex: Sie kümmern sich um die Geschäftsanbahnung, das Material, die Abrechnung. Was kostet das den Handwerker?

Grübel: Beim Arbeitswert behalten wir 10 % des Rechnungsbetrags für uns. Das Haupt-Material kaufen wir oft direkt beim Hersteller, haben eine bessere Marge als der Handwerker und geben ihm davon auch etwas ab. Wenn der Kunde das Abnahmeprotokoll unterschreibt, geht am nächsten Tag das Geld zum Handwerker raus. Dabei treten wir teilweise auch in Vorleistung.

BTH Heimtex: Mit welchen Herstellern arbeiten Sie zusammen?

Grübel: Mittlerweile arbeiten wir mit diversen Herstellern zusammen. In unserem Raumgestalter finden Sie beispielsweise bereits Parador, A.S. Création, Marburger oder Infloor. Weitere werden aktuell angebunden.

BTH Heimtex: Wie kommen deren Produkte auf die Baustelle?

Grübel: Die Baustellen werden direkt vom Hersteller beliefert.

BTH Heimtex: Sie selbst haben kein Lager?

Grübel: Nein. Das wollen wir auch gar nicht. Logistik können andere besser als wir.

BTH Heimtex: Zum Beispiel der Großhandel.

Grübel: Daran arbeiten wir. Unser Ziel ist Folgendes: Neben den eigentlichen Boden- und Wandbelägen gibt es pro Baustelle zusätzlich eine Materialbox mit Klebstoffen, Schrauben etc., die im Großhandel zusammengestellt und auf die Baustelle gebracht wird. Da ist drin, was der Handwerker sich auf einer Budgetposition zusammengestellt hat. Dazu sind wir derzeit auch in Gesprächen mit dem Großhandel.

BTH Heimtex: Sie sind zwar nicht flächendeckend, aber bundesweit aktiv. Suchen Sie einen großen oder mehrere kleine Großhändler als Partner?

Grübel: Beides ist möglich. Es macht jedenfalls keinen Sinn, eine Spachtelmasse von Hamburg nach München zu transportieren. Deshalb brauchen wir den Großhandel als regionalen Partner.

Die Fragen stellten Cornelia Küsel, Jochen Lange und Thomas Pfnorr. | thomas.pfnorr@snfachpresse.de


Ehrgeizige Ziele
Mirco Grübel hat Myster 2016 gegründet. Nach dem Aufbau der Strukturen (Lieferanten, Handwerker) ist die Plattform seit 2017 online. "Unser Kunde ist nicht der Verbraucher, sondern der Handwerker, und mit dem wollen wir langfristig gut zusammenarbeiten. Aber denken wollen wir aus der Sicht des Verbrauchers, um so unter Umständen auch verkrustete Strukturen aufbrechen zu können", sagt der Unternehmer.

Kamen die Aufträge zunächst vorwiegend von Privatleuten, gibt es inzwischen zunehmend auch institutionelle Auftraggeber, etwa aus dem Bereich Facilitymanagement. Aktuell hat Myster zehn Mitarbeiter, der über die Plattform generierte Außenumsatz liegt im sechsstelligen Bereich. Für 2020 wird ein mittlerer siebenstelliger Betrag angepeilt. Die dafür nötigen Investitionen in Systeme, Vertriebswege und Markenaufbau sollen über zwei Kapitalrunden finanziert werden. Das Unternehmen wird laut Grübel derzeit mit 7,9 Mio. EUR bewertet.


Unterschiedliche Geschäftsmodelle
Myster, Crafty, Blauarbeit, Myhammer - auf den ersten Blick machen die Onlineplattformen alle dasselbe: Sie vermitteln Handwerksleistungen. Aber es gibt Unterschiede. Myhammer und Blauarbeit vermitteln tatsächlich nur einen Handwerker. Die Einzelheiten zum Auftrag, Materialien, Termine etc. muss der Auftraggeber dann mit dem jeweiligen Betrieb klären. Anders bei Myster und dem ähnlich gelagerten Angebot von Crafty. Sie fungieren gewissermaßen als Generalunternehmer, beraten, kalkulieren und schicken ein Angebot, kümmern sich um die Ausführung, rechnen ab und sind auch der Ansprechpartner, wenn der Kunde nicht zufrieden ist. Während Crafty dabei eigene Handwerker einsetzt, hat Myster einen Pool an Partnerfirmen, die mit den Arbeiten beauftragt werden.

Handwerk und online sind kein Gegensatz mehr. Das Internet ist zu einem weiteren Vertriebskanal für Handwerksleistungen geworden. Dabei reicht das Angebot von bloßen Branchenverzeichnissen bis zu Komplettangeboten wie dem von Myster. Auch für branchenfremde Anbieter scheint das attraktiv. Dass es dabei aber mehr braucht als Know how bei der Programmierung von Webseiten, zeigt das Beispiel Weissmaler: 2015 gegründet, musste das Start-up (Eigendarstellung: "deutschlandweit tätiger Handwerksbetrieb mit über 150 Mitarbeitern") Mitte 2019 Insolvenz anmelden.

"Im Rahmen der verfolgten Wachstumsstrategie, insbesondere im Geschäftskundenbereich, wurden teilweise nicht adäquate Preise kalkuliert. Die parallel verfolgte Weiterentwicklung von Softwareprodukten erforderte zusätzliche Investitionen, was letztlich zur Zahlungsunfähigkeit führte", hieß es anschließend vom beratenden Rechtsanwalt.


Mirco Grübel - zur Person
Mirco Grübel (43) hat für Unternehmensberatungen gearbeitet und war bei den Energieversorgern E.On und RWE im Business Development tätig, auch international. Seit 2007 ist er Mitinhaber des Beratungsunternehmens Perpetuo, hat zwischen 2010 und 2015 für den Autoteile-Großhändler Stahlgruber dessen tschechische Tochter in die Gewinnzone geführt, dabei die Idee für eine Handwerker-Plattform gehabt und diese mit Myster.de verwirklicht.


Daten + Fakten - Myster
Myster GmbH
Europaplatz 7
44269 Dortmund
info@myster.de
www.myster.de

Geschäftsführender Gesellschafter: Mirco Grübel
Gründung: 2016
Mitarbeiter: 10
Charakteristik: Onlineplattform für Handwerksleistungen
"Der erste Handwerker bei Myster war ein Raumausstatter"
Foto/Grafik: SN-Verlag
Mirco Grübel: "Unser Kunde ist nicht der Verbraucher, sondern der Handwerker, und mit dem wollen wir langfristig gut zusammenarbeiten. Aber denken wollen wir aus der Sicht des Verbrauchers."
aus BTH Heimtex 11/19 (Handwerk)