Decorative Surfaces Conference 2019

Nachhaltigkeit rückt an die Oberfläche

Dekorative Oberflächen für Fußböden und Möbel nähern sich der kundenindividuellen Massenproduktion - auch weil digitale Prozesse immer besser ineinandergreifen. Auf der Decorative Surfaces Conference tauschte sich die Branche über den aktuellen Stand der Technik sowie über aktuelle Designtrends und künftige Nachhaltigkeitsstrategien aus.

Auf der diesjährigen Decorative Surfaces Conference sorgten rund 170 Vertreter aus Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette erneut für ein volles Haus - der Branchentreff gilt als fester Termin im Branchenkalender von Möbel- und Bodenbelagsherstellern, Holzwerkstoffverarbeitern, Dekordruckern, Oberflächenbeschichtern, Maschinenherstellern, Softwareentwicklern und Werkstoffzulieferern. In Berlin brachten sich die Fachleute an zwei Tagen auf den neuesten Stand hinsichtlich Designtrends, Materialentwicklungen und Produktionstechnik.

Was in diesem Jahr auffiel: Die drängenden Aspekte der Nachhaltigkeit erhielten auf dem Podium themenübergreifend mehr Raum und wurden konkreter benannt als in der Vergangenheit. Immer mehr Unternehmen realisieren offenbar, dass die möglichst positive Öko-Bilanz ihrer Aktivitäten künftig zu einem essentiellen Verkaufsargument wird. Denn die Schüler der "Fridays for Future"-Bewegung sind die Konsumenten von morgen, so das Argument pro Umwelt aus wirtschaftlicher Perspektive.

Was in Berlin noch auffiel: Während in Fragen aktueller und künftiger Produktionstechnik in den letzten Jahren meist schwerpunktmäßig die fortschreitende Entwicklung des industriellen Digitaldrucks ausgelotet wurde, ging es jetzt stärker ganzheitlich um die Integration, Stabilität und Qualität digitaler Produktionen. Schlüsseltechnologien beinhalten ein durchgängiges Farbmanagement und integrierte Workflow-Lösungen, die im besten Fall explizit auf die Anforderungen der Herstellung von Möbel- und Fußbodendekoren zugeschnitten sind.

Welche Schwerpunkte die Industrie in der Praxis setzt, zeigten drei für ihre jeweiligen Segmente schlagkräftige Branchengrößen auf: Egger für die Holzwerkstoffverarbeitung, Surteco für den Bereich Dekor-Lösungen und Tarkett für die Bodenbelagsherstellung. Alle drei eint ein Ziel: die kundenindividuelle Massenproduktion im Sinne der sogenannten "Industrie 4.0". Wobei sich ihre Umsetzung im Möbelbereich aufgrund der komplexen Teilefertigung grundsätzlich herausfordernder gestaltet als für die Produktion von Bodenbelägen.

Verlässliche Farben für
dekorative Oberflächen

Um im Sinne eines professionellen Farbmanagements vorhersehbare, standardisierte und qualitativ hochwertige Ergebnisse zu erzielen, ist die Definition von Farbe und Licht Pflicht. Dazu noch komplett unterschiedliche Substrate wie Papier, Kork oder PP-Kantenmaterialien einzubeziehen, ist die Kür. Gerade dann, wenn es sich bei dem Sujet auch noch um ein klassisches Holzdekor handelt. Für Royce Doods, innerhalb der Egger-Gruppe von Beginn an mit dem Auf- und Ausbau des Digitaldrucksegments befasst, basieren gute Ergebnisse zunächst auf guter Teamarbeit - die im Idealfall von optimaler Technik unterstützt wird. "Technische Werte sind großartig, aber wir Menschen haben keine Augen, die morgens kalibriert werden, bevor wir mit der Arbeit beginnen", bringt er die Crux bei der Beurteilung von Farben auf den Punkt.

Egger hat in den letzten Jahren ein für seine Zwecke zugeschnittenes, durchgängiges Farbmanagement auf Basis der Spektralmessung integriert und erzielt mit der kontinuierlichen Überwachung aller Prozesse über die verschiedenen Produktgruppen hinweg nun verlässliche Ergebnisse. Genutzt wird das Farbmessgerät Advanced Color Measurement System (ACMS) von IPAC (Improve Process Analytics and Control), einem Tochterunternehmen von Fagus-Gre-Con. Zu den Anwendern der Branchenlösung gehören auch die Dekorlieferanten Impress, Interprint und Surteco. "Wir können bestätigen, dass wir Dekorpapiere erhalten, die dem Original in nichts nachstehen", sagt Royce Doods, "die Lieferkette funktioniert reibungsloser, und es für alle Beteiligten einfacher geworden, weil wir uns statt auf visuelle Beurteilung auf definierte Regeln verlassen können."

Auf dem Weg zur individuellen Massenproduktion

Der Digitaldruck ist ein wesentlicher Treiber, um kundenindividuelle Massenproduktionen realisieren zu können, weiß Jörg Dietz, Leiter Design bei Surteco, und leitete damit nahtlos zu einem Haupttrend in der Dekorbranche über. Anders als bei Bodenbelagsproduktionen geht es in der Möbelfertigung in der Regel um sehr viele Einzelteile, zum Beispiel können für eine Küche schnell 14.000 Einzelkomponenten zusammenkommen. Individualität bedeutet hier, wie in anderen industriellen Produktionen auch, eine möglichst breitgefächerte Kombination von Einzelteilen, um eine Vielzahl verschiedener Varianten zu erreichen. In welcher durchaus beachtlichen Dimension das beim Bau von Möbeln inzwischen funktionieren kann, ist bei dem Anbieter "deinSchrank.de" zu sehen. Des Weiteren gewinne der Megatrend Nachhaltigkeit für die Möbelbranche Priorität - "der Trend ist nicht neu, aber wir erleben zurzeit einen Wandel", unterstrich Dietz. Beleg dafür sei etwa der jetzt erstmals vorgelegte Nachhaltigkeitsbericht des Möbelkonzerns Ikea.

"Bei Tarkett sprechen wir nicht von der Zukunft mit digitalen Technologien, wir praktizieren sie", konstatierte Thorsten Beinke, Senior Design-Manager Tarkett, selbstbewusst. "Wir haben bereits die Massenindividualisierung." Für digitale Designs können Muster, Formate, Farben, Fasen, Prägungen und Oberflächenfinishs beliebig kombiniert werden. Für den international agierenden Bodenbelagshersteller ist der Digitaldruck, auch wenn er derzeit noch kein Selbstläufer ist, in vielerlei Hinsicht ein "Problemlöser": Neu aufgelegte Kollektionen können schnell vermarktet, Trends flexibel aufgegriffen und einzigartige, auf die Märkte abgestimmte Produkte kreiert werden. Bedarfsgerechte Produktionen kommen nicht zuletzt der Umwelt zugute, weil sie Lageraufwand und Abfall vermeiden.

Apropos Umwelt: Neben den aktuellen Designtrends rücken Hersteller wie Tarkett die Nachhaltigkeit ihrer Produkte beim Kunden immer gezielter in den Vordergrund: "Zukünftig werden Kaufentscheidungen aufgrund des ökologischen Fußabdrucks, der Recyclebarkeit und die Wertigkeit der Materialien getroffen", unterstrich Thorsten Beinke den Anspruch der Bodenbelagskunden von morgen. | Imke Laurinat
aus Parkett Magazin 04/19 (Bodenbeläge)