Prof. Gerrit Heinemann: Digitalisierung: "Wir sind wir erst beim Gruß aus der Küche"



"Die Bedrohung, die auf uns zukommt, kommt aus China und den USA." Professor Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach redete nicht lange um den heißen Brei herum. Sein Thema: "E-Commerce und Digitalisierung - alternativlos für Handel und Inudstrie?" Wobei es eines Fragezeichens gar nicht bedurft hätte. Denn: "Deutschland ist in der Defensive, der Tiger ist längst aus dem Tank." Der Wirtschaftswissenschaftler rechnete vor: 90 Prozent der über 14-Jährigen nutzen in Deutschland regelmäßig das Internet. Und: "50 Mio. Erwachsene kaufen regelmäßig online ein. 70 Prozent der Kunden, die in Ihr Geschäft kommen, sind auch Online-Kunden."

Heinemann hatte weitere interessante Zahlen im Gepäck: 53 Prozent der Artikel, die hierzulande auf Amazon verkauft werden, kommen aus dem Ausland. "Wir importieren Einzelhandel", so Heinemann. Weltweit werde sich der E-Commerce-Umsatz in den kommenden Jahren verdoppeln. "Betten, Fahrräder, Autos: Das kann man alles online verkaufen."

60 Prozent des Internet-Umsatzes wurden 2018 über mobile Endgeräte generiert. "Der Kunde fängt auf dem Smartphone an zu suchen, kauft aber noch mehrheitlich am Desktop", so Heinemann. "Sie müssen also mobil optimal präsent sein." In zehn Jahren würden bereits 60 Prozent aller Kaufentscheidungen online getroffen - aber nicht unbedingt online ausgeführt. "Nähe, Preis und Verfügbarkeit sind die entscheidenden Faktoren, damit sich der Kunde vom Laptop aus auf den Weg in die Innenstadt macht", erklärte Heinemann, um gleich wieder einzuschränken: "Die beste Verfügbarkeit bietet Amazon." Es gebe eine Amazonisierung des Handels, allein durch 15 Mio. Prime-Kunden des Handelsriesen.

Und da kommt noch mehr, wie der Wirtschaftsprofessor anhand vieler Beispiele aus China und den USA den VDB-Mitgliedern verdeutlichte: "Wenn wir die Digitalisierung mit einem Restaurantbesuch vergleichen, sind wir erst beim Gruß aus der Küche." China drohe Deutschland abzuhängen: "Wir sind die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt, aber bei der Digitalisierung im OECD-Vergleich nur auf Platz 18. Wir lassen uns die Butter vom Brot nehmen."

Eine Umerziehung des Kunden sei nicht möglich, betonte Heinemann - der kauft, wo er es für richtig hält und wo es ihm attraktiv erscheint. Kundenzentrierung heiße daher die Erfolgsformel: "Kundenorientierung bedeutet heute, digital basiert den stationären Einkauf vorbereiten zu können." Dem Kunden sei der Kanal egal: "Zu sagen, der Lead-Channel ist stationär, das reicht nicht mehr. Das Sortiment muss online das Größte sein, nicht im Laden." Die Digitalisierung sei erst am Beginn, sagte Heinemann mit Blick auf die anwesenden Bettenfachhändler: "Es ist nie zu spät, damit anzufangen."
aus Haustex 05/19 (Handel)