2. Roundtable Digitaldruck

Alexa, druck mal digital!

Beim zweiten Digitaldruck-Roundtable des SN-Verlags identifizieren die Teilnehmer vier Kernthemen, auf die sich der interdisziplinäre Kreis zukünftig fokussieren will: Produktion, Qualitätskontrolle, Fachkräfte und Schutzrechte.

Schon mit der zweiten Auflage hat sich der von Unternehmensberater und Bodenbelagsentwickler Karl-Heinz Scholz initiierte und vom SN-Verlag ausgerichtete Roundtable Digitaldruck etabliert. In etwas anderer Zusammensetzung als bei der ersten Veranstaltung kamen im November zwölf Experten aus Maschinenbau, Oberflächen-, Tinten-, Fliesen- und Bodenbelagsindustrie zusammen, um zu diskutieren, Erkenntnisse und Einblicke zu gewinnen und voneinander zu lernen - salopp gesagt: eine "Erfa-Gruppe" der verschiedenen Komponenten des Digitaldrucks.

Dabei hat sich klar herauskristallisiert: Die Zulieferer haben das Ziel, die Bedürfnisse der Kunden besser zu verstehen, ihnen Berührungsängste zu nehmen, sie möglichst früh abzuholen und Hilfestellung beim Markteintritt zu leisten. Das soll helfen, mehr Investoren und mehr Anwender zu gewinnen und damit dem Digitaldruck eine größere Bedeutung und mehr Präsenz zu verschaffen.

Die Digitaldruckanwender aus der Bodenbelagsindustrie wiederum wünschen sich mehr Unterstützung - und das nicht nur bei den Investitionen, sondern auch danach: bei der Optimierung des Workflows, der Sicherstellung der Produktionsstabilität und der Gewinnung qualifizierten Personals.

Vorsicht vor zu hohen Erwartungen

Obwohl die Digitaldruck-Technologie per se gar nicht mehr so jung ist - auf Textilien, Papier und keramischen Fliesen wird das Verfahren schon seit vielen Jahren praktiziert -, lassen sich Erfahrungen aus anderen Branchen nicht eins zu eins übertragen. Die Produktionsprozesse und Anforderungen unterscheiden sich teilweise sehr. Das wurde spätestens deutlich, als Norbert von Aufschnaiter von Anlagenbauer Durst aus der Fliesenindustrie berichtete (siehe Kasten Seite 87).

Matthias Grundt, Europa-Vertriebsleiter von Oberflächenspezialist Klumpp, warnte vor zu hohen Erwartungen. Er beobachtet, dass Digitaldruck häufig zu einfach dargestellt werde: "Viele meinen, Digitaldruck lässt sich mit gleicher Tinte auf allem anwenden. Dem ist aber nicht so. Allein im Bodenbereich gibt es viele verschiedene, auch neue Substrate mit unterschiedlichen Anforderungen." Für ein erfolgsversprechendes Ergebnis brauche es daher einen langen Atem. Zudem sei Digitaldruck kein Rund-um-Problemlöser: "Wir müssen ehrlich zueinander sein und zugeben, wenn wir an Grenzen stoßen. Ein Uni-Druck beispielsweise ist analog besser herzustellen."

Standardisierung notwendig

Da die Bodenbelagsbranche also nur begrenzt von anderen Wirtschaftszweigen lernen kann, bietet sich eine engere Zusammenarbeit im eigenen Lager an. So wurde auf dem Roundtable beschlossen, dass die Vertreter der Bodenbelags- und Holzwerkstoffindustrie bis zum dritten Roundtable die dringendsten Problemfelder und Fragen in Sachen Digitaldruck formulieren, um diese dann in großer Runde vorzulegen. Außerdem ist vorgesehen, den Gesprächskreis um Vertreter der Bereiche Software und Qualitätskontrolle zu erweitern, weil die Reproduzierbarkeit von Dekoren und die Prozesssicherheit des Druckvorgangs zwei der größten Herausforderungen des Digitaldrucks sind, die dringend einer Verbesserung bedürfen.

Als wichtig erachtet werden auch Maßnahmen zur Standardisierung und Normung, die Investoren mehr Sicherheit bieten. So steht die Firma Swisspearl derzeit vor der Entscheidung, in den Digitaldruck zu investieren. Chief Technology Officer (CTO) Pietro Mariotti wünschte sich eine "verlässliche Kompatibilitätsliste der verschiedenen Komponenten; so als wenn ich mir ein Auto zusammenstelle."

Digitaler Strukturdruck
einfacher als Dekordruck

Als Weiterentwicklung des digitalen Dekordrucks gilt das digitale Aufbringen von Strukturen. Ist das noch komplizierter? "Nein", sagte Sebastian Wendel, Leiter Strategisches Marketing der Classen-Gruppe, die die Technologie am Standort Kaisersesch für Polymerprodukte erprobt und erste Ergebnisse im Januar präsentieren will. "Im Gegenteil. Das ist viel einfacher, weil das Farbmanagement entfällt und stattdessen die Strukturtiefe das entscheidende Parameter ist." Die ist in der Regel etwas flacher als bei analogen Strukturgebungsverfahren. Doch seien tiefe Strukturen aufgrund der Reinigungsproblematik ohnehin rückläufig, stellten mehrere Gesprächsteilnehmer fest.

Einen kurzen Überblick über den digitalen Strukturdruck gab Carsten Brinkmeyer von Hymmen (siehe Kasten Seite 88). Ganz unkompliziert ist die Technik nicht: Die Herausforderung ist die Generierung der Druckdaten. "Man kann nicht einfach die Daten von Strukturblechen übernehmen", merkte Brinkmeyer an.

Welcher Weg führt zum Digitaldruck-Spezialisten?

Ein weitgehend automatisierter Produktionsprozess verspricht beim Digitaldruck mehr Sicherheit und geringere Fehlerquellen als bei manueller Bedienung. Ist die Perspektive für den Digitaldruck also "Alexa, druck mal!"? Dies wurde von den Anwesenden ganz klar verneint: "Ausbildung und qualifiziertes Personal sind enorm wichtig", betonte Scholz.

Der Weg zum Digitaldruck-Spezialisten kann unterschiedlich sein. Scholz kann sich eine akademische Ausbildung vorstellen, etwa mittels einer Stiftungsprofessur, die von der Industrie gemeinsam gesponsert wird. Dazu gibt es Prasixbeispiele aus verwandten Branchensegmenten. Vorteil: Die Stifter können Einfluss auf Lehrplan und Lehrkörper nehmen. Scholz hatte bereits zu diesem Thema an der Fachschule Rosenheim vorgefühlt, die Interesse signalisiert. Andere Möglichkeiten wären die Fachhochschule Darmstadt, die Stuttgarter Fachschule für Farbe und Gestaltung oder Fachschulen für Druck- und Medientechnik.

Mit einer akademischen Ausbildung konnten sich allerdings nicht alle anfreunden. "Das geht zu weit", argumentierte Klaas Kackmann-Schneider von MS Printing Solutions, "wir müssen weiter unten anfangen." Eine Alternative wäre, entsprechende Ausbildungsinhalte oder Fortbildungen zum Beispiel an den "Mediengestalter Digital und Print" oder den "Medientechnologen Druck" anzukoppeln.

Wichtig ist darüber hinaus, die Anwender gezielt auf ihre eigenen Anlagen einzuarbeiten. MS Printing Solutions hat dazu eigens ein Schulungszentrum gebaut und bietet seinen Kunden Crashkurse bei ihnen vor Ort direkt an den Anlagen an. Hymmen lädt seine Kunden zwei Wochen vor der Auslieferung der Maschinen in das Werk ein, die letzte Bauphase ihrer Maschinen zu begleiten.

Kein
"Freedom to operate"

Wie kompliziert und komplex das Thema Schutzrechte ist, kennt die Branche aus den schon seit Jahrzehnten währenden Auseinandersetzungen um Patente für Klickverbindungen bei Bodenbelägen - und den entsprechenden Lizenzkosten. Im Bereich Digitaldruck ist das Eis noch dünner, da viele verschiedene Komponenten des Produktionsprozesses patentrechtlich geschützt sein können: Das fängt bei der Tintenformulierung an, geht über Maschinen und Verfahren für den Digitaldruck auf bestimmten Substraten bis hin zu Endprodukten. Erschwerend hinzu kommt, dass der Patentschutz von Land zu Land unterschiedlich sein kann. "Keiner hat einen Überblick", schilderte Edwin Lingg, Inhaber von Lico, das Dilemma. Es gebe kein "Freedom to operate" - also keine so genannte Ausübungsfreiheit beim Digitaldruck.

Zwar gibt es Einzelinitiativen wie von Hymmen, die sich eine Datenbank zu Maschinenbau und Bodenbelägen aufgebaut haben, um mögliche Patentverletzungen zu vermeiden; eine zentrale Informationsstelle fehlt aber. Karl-Heinz Scholz will hier zum nächsten Roundtable Digitaldruck versuchen, etwas Licht ins Dunkel zu bringen.

Fazit:
"Konkreter und weitermachen"

Das abschließende Fazit der Teilnehmer war positiv. "Das war wieder ein kleiner Schritt in die richtige Richtung", resümierte Lingg, der als einer der wenigen Teilnehmer beide Roundtables vergleichen konnte. "Ohne Zusatzinfos geht hier keiner nach Hause. Wenn wir über unsere Schatten springen und unser Wissen zusammenbringen, kommen wir schneller weiter." Besonders begrüßte er, dass die unterschiedlichen Komponenten des Digitaldrucks vertreten sind. "Bislang agieren sie größtenteils isoliert voneinander. Wenn wir alle näher zusammen arbeiten, ist uns viel gelungen."

Dem schloss sich René Schavoir von Durst an. "Was wir beim letzten Mal angerissen haben, hat sich bestätigt." Er wünschte sich wie andere auch: "Konkreter werden und weiter machen." Wendel lobte die Gesprächsbereitschaft innerhalb des Kreises: "Das ist aber auch der einzige Weg, wie wir vorankommen können."

Der nächste Roundtable Digitaldruck ist für das Frühjahr 2019 vorgesehen.


2. Roundtable Digitaldruck - Die Unternehmen
Die Classen-Gruppe entwickelt und produziert Laminat- und Designböden. Am Hauptsitz Kaisersesch entstehen Designböden auf mineralischer und Polymersubstratbasis. In Baruth verfügt das Unternehmen über 80 Mio. m2 Laminat-Kapazität. Classen ist 2013 mit dem industriellen Digitaldruck gestartet, betreibt heute fünf Single Pass-Anlagen und produziert bereits zu 100 % digital.

Durst Phototechnik aus Brixen in Südtirol ist Hersteller von digitalen Drucksystemen mit Niederlassungen in der ganzen Welt, unter anderem in Ratingen. Das Unternehmen ist schon Anfang der 2000er-Jahre in den Fliesen-Digitaldruck eingestiegen. Erste Versuche im Holzbereich vor zehn Jahren wurden wieder abgebrochen; nun wollen die Verantwortlichen ihr Know-how in der Fliese auf andere Segmente übertragen.

Die Homag Group mit Sitz in Schopfloch sieht sich als weltweit führender Anbieter von integrierten Lösungen für die Produktion in der holzverarbeitenden Industrie. Das Unternehmen versteht sich als Systemhersteller und -integrator mit Komplettlösungen für eine digitalisierte Fertigung.

Digital lassen sich nicht nur Dekore, sondern auch Strukturen drucken. Maschinenbauer Hymmen, Bielefeld, befasst sich bereits seit 2008 mit Digitaldruck auf verschiedenen Substraten, der auch mit weiteren Veredelungsschritten wie Verpressung und Lackierung kombiniert werden kann. Inzwischen hat das Unternehmen 40 Single Pass-Anlagen in der Branche installiert.

Klumpp Coatings aus Stuttgart bietet Lösungen für die industrielle Beschichtung von Holz-, HDF-, Mineralfaser-, Folien- und Kunststoffoberflächen in der Fußboden-, Paneel- und Möbelindustrie. Für den Digitaldruck reicht das Angebot von Haftprimern über Druckgrundierungen bis zu 3D-Struktur- und Decklacken.

Bodenbelagshersteller Lico, 1998 von dem Südtiroler Edwin Lingg im Schweizer Müstair gegründet, gilt als einer der Innovationstreiber der Branche und ist ausschließlich als Zulieferer unterwegs. Lico verfügt über Know-how im Digitaldruck, denn das Unternehmen hat früh - schon 2006 - und viel in die Technologie investiert.

1983 gegründet, beansprucht
MS Printing Solutions aus dem italienischen Bergamo eine führende Position in Entwicklung und Fertigung von Digitaldruckanlagen inklusive Software - vor allem für die Textilbranche, aber auch für die Applikation auf anderen Substraten wie Papier und Kunststoff.

Die Marke Eternit kennt jeder. Das Unternehmen, das dahinter steht, heißt Swisspearl. Von der Außenanwendung streben die Schweizer nun mit ihrem Fußbodenkonzept Eternit Floor in den Innenraum. Der mineralische Designboden wird digital bedruckt - aber noch nicht im eigenen Haus.

Die finnische Teknos-Group mit deutscher Niederlassung in Fulda führt ein umfangreiches Produktportfolio an Lacken und Beschichtungen für die Holz- und Metallindustrie.

Tiger Coatings aus dem österreichischen Wels ist spezialisiert auf Primer, Tinten und Pulverlacke für industrielle Drucksysteme im Innen- und Außenbereich. Die Firmengruppe in privater Hand betreibt Produktions- und Vertriebsstandorte auf der ganzen Welt und hat 2017 mit 1.300 Mitarbeitern einen Umsatz von 309 Mio. EUR erlöst.
aus BTH Heimtex 01/19 (Bodenbeläge)