Bauaufsichtliche Zulassung

Gerichtsurteil sorgt nicht für Klarheit

Bei Bauprodukten, für die es nach der Bauproduktenrichtlinie (Richtlinie 89/106/EWG vom 21.12.1988) europäisch harmonisierte Normen gibt, fordert das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) zusätzlich zu der europaweit geforderten CE-Kennzeichnung eine nationale Zulassung. In der Regel ist das eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung, die vom DIBt erteilt und vom Hersteller oder Importeur durch das Ü-Zeichen dokumentiert wird. Nach Auffassung des DIBt dürfen Bauprodukte ohne diese nationale Zulassung in Deutschland nicht eingebaut werden.

In einem kürzlich veröffentlichten Urteil hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen entschieden, dass neben der CE-Kennzeichnung aufgrund einer europäisch harmonisierten Norm nicht noch zusätzlich das Ü-Zeichen als Zeichen der Übereinstimmung mit einer nationalen bauaufsichtlichen Zulassung verlangt werden kann.

Urteil noch nicht rechtskräftig

Zur Begründung führt das Verwaltungsgericht aus, dass Bauprodukte nach § 20 Abs. 1 S.1 BauO NRW für die Errichtung, Änderung und Instandhaltung baulicher Anlagen verwendet werden dürfen, wenn sie für den Verwendungszweck nach den Vorschriften des Bauproduktengesetzes in den Verkehr gebracht und gehandelt werden dürfen, insbesondere die Konformitätskennzeichnung der Europäischen Gemeinschaft (CE-Kennzeichnung) tragen und dieses Zeichen die nach Abs. 7 Nummer 1 festgelegten Klassen und Leistungsstufen ausweist. Eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung komme daher für EU-rechtskonform auf den Markt gebrachte Bauprodukte nicht in Betracht.

Bei dem Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen handelt es sich um das - soweit bekannt - erste Urteil eines deutschen Gerichts über die Zulässigkeit nationaler Anforderungen, die über die Anforderungen der europäisch harmonisierten Normen hinaus gehen. Da es sich bei der vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen entschiedenen Frage um eine in der Rechtsprechung bislang noch nicht geklärte Rechtsfrage handelt, hat das Verwaltungsgericht die Berufung zugelassen.

Verbände verunsichert

Allerdings hat das Urteil nicht dafür gesorgt, dass alle Unsicherheiten und Fragen zu Kennzeichnungen und Zulassungen geklärt wären. Im Gegenteil, denn selbst auf Verbandsebene gibt es weiterhin völlig gegensätzliche Meinungen, wie mit diesem Thema umgegangen werden soll. Entsprechend unterschiedlich sind die Stellungnahmen des Verband der Deutschen Parkettindustrie (VdP) und des europäischen Dachverbandes, der Föderation der europäischen Parkett-Industrie (FEP), zu diesem Urteil.

Der Verband der Deutschen Parkettindustrie (VdP) weist ausdrücklich auf die Gültigkeit ergänzender nationaler Anforderungen hin. Sie können in Deutschland für Zusatzmaterialien erhoben werden, die für Parkett und Holzfußböden eingesetzt werden. "Von anderer Seite vorgebrachte Argumentationen, wonach eine Erweiterung europäischer Regelungen durch zusätzliche nationale Konkretisierungen nicht rechtens sei, gehen fehl und führen zu einer unnötigen Verunsicherung der gesamten Branche", erklärt VdP-Geschäftsführer Dirk-Uwe Klaas.

Parkett und Holzfußböden fallen unter die europäisch harmonisierte Norm DIN EN 14342 "Holzfußböden - Eigenschaften, Bewertung der Konformität und Kennzeichnung". Die Norm definiert die maßgeblichen Eigenschaften und Anforderungen sowie geeignete Prüfverfahren. Sie dient auch als Grundlage für die Bewertung der Konformität und enthält Anforderungen an die CE-Kennzeichnung.

An Bauprodukte werden laut Bauproduktenrichtlinie sechs wesentliche Anforderungen gestellt. Die dritte Anforderung umfasst die Bereiche Umwelt, Hygiene und Gesundheit. "Die Anforderung ER 3 ist bislang, auch nach Aussage der EU-Kommission, nicht harmonisiert", erläutert Klaas. Auf dieser Grundlage hat das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) die bauaufsichtliche Zulassung im Bereich Gesundheitsschutz für Bodenbeläge - und damit auch für Parkett sowie Holzfußböden - übernommen. Die Zulassungspflicht gilt auch für Zusatzprodukte wie Beschichtungen, Kleber und Verlegeunterlagen, da sie die Innenraumluft-Hygiene beeinträchtigen können.

In einer vom VdP beim DIBt angeforderten Stellungnahme wurde ebenfalls ausgeführt, dass die dritte wesentliche Anforderung an Bauprodukte auf Grundlage der Bauproduktenrichtlinie noch nicht europäisch harmonisiert sei. Auch die europäisch harmonisierte Norm DIN EN 14342 weise auf ergänzende nationale Anforderungen hin, die gegebenenfalls angewendet werden müssten. "Wir sehen insoweit keine Notwendigkeit, von diesen Regelungen abzuweichen. Das in diesem Zusammenhang zitierte Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen, welches sich inhaltlich mit der Thematik der Koexistenz von europäischem CE-Kennzeichen und nationalem Ü-Zeichen beschäftigt, ist noch nicht rechtskräftig und damit untauglich für die aktuellen Diskussionen."

Es stelle laut Aussage des DIBt eine klare Ordnungswidrigkeit dar, wenn Bodenbeläge in Deutschland ohne bauaufsichtliche Zulassung verlegt werden. Die Konsequenzen seien erheblich: Laut Musterbauordnung lege die Bauaufsicht die Baustelle still. Außerdem könne die Entfernung des nicht gekennzeichneten Holzbodens angeordnet werden. "Dazu kommen Geldbußen von bis zu 500.000 Euro. Außerdem muss der Verleger die Zulassungen auf Verlangen vorlegen können. Insoweit tun Branchenunternehmen gut daran, auch in nächster Zukunft nicht auf die Nutzung des Ü-Zeichens zu verzichten."

FEP gegen nationale Sonderwege

Endre Varga, Generalsekretär der Föderation der Europäischen Parkettindustrie (FEP) betont dagegen, dass das Urteil der Gelsenkirchener Richter und die geltenden europäischen Normen von seinem Verband natürlich respektiert und mitgetragen werden. "Wenn wir ,Ein Europa wollen, dann sollten wir auch die europäischen Normen akzeptieren und keine nationalen Sonderwege gehen. Natürlich bedauern wir, das unsere Mitglieder aus Deutschland, aber auch aus Österreich und der Schweiz, viel Mühe auf sich genommen haben, damit ihre Produkte das Ü-Zeichen bekommen. Wir wissen, dass dafür viele Tests nötig waren und dementsprechend viel Geld investiert wurde", erläuterte Varga telefonisch gegenüber dem ParkettMagazin. Er lies aber auch keinen Zweifel daran, dass die FEP jederzeit auf der Seite der Europäischen Kommission steht und sich für die Anerkennung des CE-Zeichens als voll ausreichendes bauaufsichtliches Zertifkat einsetzt. "Natürlich hat jeder Verband seine spezifische Auslegung, dennoch sind wir der Meinung, dass man solche Regeln in einem europäischen Rahmen harmonisieren sollte. Genau das ist mit dem CE-Kennzeichen gewährleistet. Im CE-Kennzeichen steckt viel Gutes. Da sollte man auf nationaler Seite nicht katholischer sein als der Papst", so Varga weiter.

Das mit dem Urteil ein Schlussstrich unter die Debatte gezogen wird, glaubt aber auch Varga nicht. "Es besteht ja die Möglichkeit der Berufung. Wenn diese genutzt wird, dann müssen wir wieder abwarten, was passiert", sagte Varga abschließend.
aus Parkett Magazin 04/13 (Recht)