Neue EU-Bauprodukteverordnung gilt ab Juli 2013

Industrie, Handel und Handwerk betroffen

In einem Jahr tritt in der EU eine neue Bauprodukteverordnung in Kraft. Das bringt Änderungen für die CE-Kennzeichnung und neue Pflichten für Hersteller, Importeure und Händler von Bodenbelägen, Bauklebstoffen sowie Wand- und Deckenbekleidungen mit sich. BTH Heimtex hat zwei Experten gebeten, sich das neue Regelwerk einmal anzusehen: Hans Joachim Schilgen, Geschäftsführer des Fachverband der Hersteller elastischer Bodenbeläge (FEB), und Dr. Jens-Christian Winkler, Leiter der Überwachungsstelle am Aachener Textiles & Flooring Institute.

Wenn am 1. Juli 2013 die neue EU-Bauprodukteverordnung 305/2011/EWG in allen Mitgliedstaaten in Kraft tritt, löst sie die seit 1989 geltende Bauprodukterichtlinie 89/106/EWG ab. Damit ändern sich nicht nur der Name, sondern auch einige Vorgaben für die CE-Kennzeichnung und Pflichten für Industrie, Handel und Handwerk.

Die neue EU-Verordnung behandelt:

-Bauprodukte,
-deren Vermarktung,
-die Schaffung harmonisierter Bedingungen und
-die Aufhebung des bisherigen Regelwerkes.

Hierzu ist sie in neun Kapitel und fünf Anhänge gegliedert (Abb. 1) und hat 44 Artikel mehr als ihre Vorgängerin, in denen nun aber auch bislang unklare Begriffe definiert und die Pflichten der Wirtschaftsakteure festgelegt sind. Hier sorgt die Verordnung für mehr Klarheit und ist sicherlich praxisnäher als die alte Richtlinie.

Emissionen und Nachhaltigkeit neu im Regelwerk

Bauwerke und die zur Herstellung eingesetzten Bauprodukte müssen für ihren Verwendungszweck tauglich sein. Dazu formuliert die EU-Bauprodukteverordnung (BauPVO) in Anhang I insgesamt sieben Grundanforderungen (Abb. 2). Neu sind die Berücksichtigung von Emissionen aus Bauprodukten in der Grundanforderung 3 "Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz" sowie der komplette Teil 7 "Nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen".

Die Messung und Beurteilung von Emissionen aus Bauprodukten ist heute schon Bestandteil der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen in Deutschland und der Kennzeichnung von Emissionsklassen in Frankreich. Neu ist nun deren Berücksichtigung im Rahmen der zukünftigen CE-Kennzeichnung und damit einer europaweiten Anwendung.

Ebenso sind Systeme zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Bauwerken im Objektgeschäft bereits bekannt (DGNB, LEED, BREEAM). Sie sind aber bislang ebenfalls nicht Gegenstand in harmonisierten Normen, die die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben in die Praxis regeln.

Die Neuerungen bei den Grundanforderungen führen ab Juli 2013 nicht automatisch zu neuen Kriterien bei der Zulassung von Bauprodukten. Diese werden sich erst ändern, wenn die bestehenden harmonisierten Normen angepasst oder neue harmonisierte Normen für weitere Bauprodukte erstellt werden. Bis dahin gelten die jetzigen Regelungen erst einmal weiter.

Bodenbeläge, Deckenbekleidungen und Bauklebstoffe betroffen

Betroffen von der neuen BauPVO sind insgesamt 35 Produktbereiche. Drei davon sind für unsere Branche von besonderer Bedeutung:

-Bodenbeläge (Bereichscode 19)
-Innen-, Außenwand- und Deckenbekleidungen (Bereichscode 21)
-Bauklebstoffe (Bereichscode 25).

Damit ist die EU-BauPVO für die nachfolgende Produktarten relevant, die heute schon Gegenstand harmonisierter Normen sind:

-elastische, textile und Laminat-Bodenbeläge (EN 14041)
-Parkett und Holzbeläge (EN 14342)
-Sportböden (EN 14904)
-dekorative Wand- und Deckenbekleidungen (EN 15102)
-Estrichmörtel und Estrichmassen (EN 13813).

Für Klebstoffe gibt es bislang keine harmonisierte europäische Norm, es wird aber bereits daran gearbeitet.

Unterschiedliche Pflichten für Hersteller, Importeure und Händler

Die neue EU-BauPVO legt Bedingungen für das Inverkehrbringen und die Bereitstellung von Bauprodukten auf dem europäischen Markt fest. Also Anforderungen, die ein Produkt erfüllen muss, damit es verkauft werden darf. Dabei ist das Inverkehrbringen definitionsgemäß nur eine spezielle Art der Bereitstellung; es beschreibt die erstmalige Bereitstellung auf dem Markt.

In den Prozess der Bereitstellung sind unterschiedliche Partner eingebunden. In der Verordnung werden diese unterschieden in Hersteller, Importeur, Händler und den hier zu vernachlässigenden Bevollmächtigter.

Der Hersteller ist zum einen derjenige, der ein Bauprodukt tatsächlich herstellt, zum Beispiel ein europäischer Produzent von elastischen Bodenbelägen. Zum anderen zählen aber auch solche Unternehmen dazu, die ein Produkt entwickeln oder herstellen lassen und unter eigenem Namen oder eigener Marke vertreiben. Bringt also ein Großhändler eine eigene Kollektion auf den Markt, gilt er im Sinne der EU-BauPVO als Hersteller.

Importeur ist derjenige, der ein Bauprodukt aus einem Land außerhalb der Europäischen Union importiert und in Verkehr bringt.

Schließlich gilt jeder als Händler, der nicht Hersteller oder Importeur ist und ein Bauprodukt auf dem Markt bereitstellt. Dies können Großhändler und Einkaufskooperationen sein, Einzelhändler, aber auch Bodenleger, die nicht nur die Dienstleistung anbieten sondern den Bodenbelag auch beschaffen.

Die Zuordnung zur richtigen Gruppe der Wirtschaftsakteure ist deshalb von besonderer Bedeutung, da hiervon die Pflichten nach EU-BauPVO abgeleitet werden. Die untenstehende Tabelle gibt einen allgemeinen Überblick und eine Zuordnung der Pflichten zur jeweiligen Gruppe. Dabei stellt der letzte Punkt besondere Anforderungen an die Chargenverfolgung auch bei Handel und Handwerk und wird sicherlich den einen oder anderen kurzfristig vor Probleme stellen.

Leistungserklärung ersetzt CE-Konformitätserklärung

Die dort ebenfalls aufgeführte Leistungserklärung wird die bislang geforderte CE-Konformitätserklärung ersetzen. Da die EU-BauPVO keine Übergangsfristen vorsieht, muss die Leistungserklärung sehr wahrscheinlich ab dem 1. Juli 2013 bereitgestellt werden. Ähnlich wie bei der CE-Konformitätserklärung übernimmt der Hersteller mit Erstellung der Leistungserklärung die Verantwortung für die Konformität des Bauproduktes mit den erklärten Leistungen, z.B. für Brandverhalten, Gleitreibung, PCP- oder Formaldeydgehalt.

Die Umstellung dürfte nicht sehr schwierig werden, da in Anhang III der EU-BauPVO klare Textvorgaben genannt sind. Zudem bleiben die bisherigen harmonisierten Normen die Basis für die Leistungserklärung. Neue Produktprüfungen sind daher nicht erforderlich.

Vereinfachte Verfahren

Besonders interessant in der EU-BauPVO erscheint der Hinweis auf Ausnahmen (Kapitel II, Artikel 5) und auf vereinfachte Verfahren (Kapitel VI). Hier werden individuelle Fertigung, besondere Beauftragung oder Sonderanfertigung genannt, um entweder die Vorgaben der EU-BauPVO gar nicht oder nur teilweise und vereinfacht erfüllen zu müssen.

Der Schluss liegt nahe, dass etwa bei Sonderfarben, Aufdrucken von Logos oder individueller Konfektion diese vereinfachten Verfahren angewendet werden und somit große Bereiche des Objektgeschäfts aus dem Regelungsbereich der EU-BauPVO herausfallen könnten.

Eindeutige Definitionen, wann etwas eine individuelle Fertigung oder Sonderfertigung ist, gibt die EU-BauPVO leider nicht. Als Orientierung kann jedoch der Begriff der industriellen Fertigung herangezogen werden. Für alle Produkte, die im industriellen Maßstab auf Maschinen hergestellt werden, die auch zur Serienfertigung genutzt werden können, wird die EU-BauPVO in vollem Umfang gelten und die vereinfachten Verfahren dürfen nicht angewendet werden. Es ist somit davon auszugehen, dass kundenspezifische Dessinierungen und Konfektionen nicht ausreichen, um ein vereinfachtes Verfahren zu begründen.



Was Sie wissen müssen


-Emissionen aus Bauprodukten und Nachhaltigkeit sind neue Bestandteile in der EU-Bauprodukteverordnung.
-Basis für die CE-Kennzeichnung von Produkten bleiben die harmonisierten EU-Normen. Bis zu deren Umsetzung behalten bestehende Normen ihr Gültigkeit. Sie können vorerst für die CE-Kennzeichnung herangezogen werden.
-Ab dem 01.07.2013 müssen die Hersteller ihre CE-Konformitätserklärungen wohl durch neue Leistungserklärungen ersetzen. Auch wenn dieser Punkt rechtlich noch nicht endgültig entschieden ist, so sollten sich Hersteller und Handel hierauf vorbereiten.
-Aufgrund der klaren Formulierung der Pflichten besonders in Bezug auf Rücknahme und Rückruf von fehlerhaften Produkten ist auf die Chargenrückverfolgung vom Hersteller bis zum Endverwender besondere Aufmerksamkeit zu richten.



Die Wirtschaftsakteure laut BauPVO


Hersteller
-Industrie
-Großhändler, Einkaufskooperationen und Händler, wenn sie ein Produkt entwickeln und herstellen lassen, um es unter eigener Marke zu vertreiben

Importeur
-Industrie, Großhändler und Händler, die Produkte aus einem Nicht-EU-Land importieren und innerhalb der EU vertreiben

Händler
-Großhändler (exklusive Eigenmarkengeschäft)
-Einkaufsgkooperationen (exklusive Eigenmarkengeschäft)
-Einzelhändler
-Handwerker
aus BTH Heimtex 07/12 (Recht)