"Hamburger Gespräche" zum Thema Nachhaltigkeit

Gemeinsam nachhaltig Wert schöpfen


Nachhaltigkeit - jeder propagiert sie, aber fast jeder versteht darunter etwas anderes und mancher nutzt das Thema lediglich als Marketinginstrument. Im Rahmen der "Hamburger Gespräche" hat BTH Heimtex Vertreter der Bodenbelagsbranche zum "Round Table Nachhaltigkeit" nach Hamburg eingeladen. In den Räumen des Anglo-German-Club wurde schnell klar, dass sich alle - von den Bodenbelagsherstellern über die Verlegewerkstoffindustrie bis zu den Objekteuren - mehr Transparenz und Vergleichbarkeit bei vermeintlich nachhaltigen Prozessen und grünen Produkte wünschen. Man war sich einig, dass nur der Dreiklang aus Qualität/Langlebigkeit, Innovation und Nachhaltigkeit zu einer soliden Wertschöpfung für die umfassende "Dienstleistung Boden" - von der Produktion über die Verlegung bis zum Recycling - führt.


Karsten Krause

Geschäftsführender Gesellschafter K+R, Objekteur
"Im heutigen Objektmarkt sind unsere Auftraggeber oft in wenigen Jahren nicht mehr die Nutzer. Deswegen sind sie weniger sensibilisiert für Nachhaltigkeit, die sie heute mehr kostet, ihnen aber vielleicht erst bei der Zweitverwertung in zehn Jahren oder unter Umständen überhaupt keinen konkreten Nutzen bringt. Wir müssen es schaffen, Ihnen trotzdem die Vorteile einer Zertifizierung nach DGNB zu erklären. Hochwertige Produkte sind der Schlüssel beim Thema Nachhaltigkeit. Aber diese bringen uns nichts, wenn wir als Verleger bei der Ausschreibung von Billiganbietern unterboten werden und die Produkte verramscht werden. Deswegen müssen wir auch den Mehrwert einer hochwertigen Profiverlegung besser kommunizieren."


Henning Schmidt

Vertriebsleiter D/A/CH, Schönox
"Ich sehe zwei Probleme, die wir nur gemeinsam als Branche lösen können. Durch neue, bessere Produkte produzieren wir als Unternehmen pro Jahr 1.600 t weniger Klebstoff. Der muss nicht mehr transportiert werden und belastet dadurch die Umwelt weniger. Das ist gut. Weniger gut und nachhaltig aus unternehmerischer Sicht ist, dass wir 1.600 t Klebstoff weniger verkaufen. Gemeinsam müssen wir deswegen beweisen, wie innovativ die Branche tatsächlich sein kann. Die zweite Herausforderung ist, dass das Thema Nachhaltigkeit noch immer ein stark erklärungsbedürftiges ist - sowohl beim Verleger als auch beim Endverbraucher."


Alexander Israel

Geschäftsführer Wulff
"Ich fordere bei der Diskussion zum Thema Nachhaltigkeit allgemein mehr gesunden Menschenverstand und weniger Marketing. Produktionsabfälle nicht wegzuschmeißen, Energie einzusparen - das sind wichtige Dinge. Sie sind aber nicht die entscheidenden. Bei der Herstellung von Spachtelmasse beispielsweise kann ich lediglich 5 % der Energiebilanz beeinflussen. Der Rest wird bei der Produktion der Vorprodukte eingesetzt. Das bedeutet: Jeder für sich allein ist in seinen Möglichkeiten beschränkt. Wir müssen zusammenarbeiten, auch wenn wir Wettbewerber sind. Wichtig ist, dass der Verarbeiter Nachhaltigkeit versteht und sie dem Endkunden erklären kann."


Dominik Wichert

Commercial Sales Manager, Amtico
"Amtico verwertet schon lange den Produktionsabfall, spart Energie bei der Produktion und ist mit den wichtigsten Labels zertifiziert. Darüber wurde aber extrem wenig gesprochen. Ich sehe viel mehr ein Problem darin, dass unsere Kunden sehr kurzfristig denken. Wenn ein Produkt wenig kostet, wird kaum hinterfragt, ob es nachhaltig ist. Auch wird über die Kosten der Rohstoffe und deren Endlichkeit nicht nachgedacht."


Alexander Friesen

Vertriebsleiter Norddeutschland, Interfaceflor
"Wir müssen bei allen Überlegungen immer an denjenigen denken, der am Ende des Tages den Bodenbelag bezahlen muss. Der Kunde verlangt Transparenz in Bezug auf Nachhaltigkeit. Diese müssen wir ihm durch nachvollziehbare Prozesse und Zertifikate liefern, die von unabhängigen Dritten begutachtet und vergeben werden. Damit erlangen wir dann zwar einen Wettbewerbsvorteil. Aber momentan nimmt Design und Innovation noch einen wichtigeren Stellenwert ein. Deswegen müssen wir alles drei miteinander verknüpfen."


Karlheinz Werker

Leiter Nachhaltige Unternehmensentwicklung, Anker
"Die Herausforderung ist, die Balance zwischen Ökonomie, Ökologie und Sozialem auch in wirtschaftlich schlechten Zeiten zu halten. Denn wir müssen erst das Geld verdienen, um dann die sozial und ökologisch nachhaltigen Aspekte hineinzubringen. Dann erst können wir auch nachhaltige Produkte als Wettbewerbsvorteil nutzen. Der einzige Weg, um sich aus der Klemme zwischen Massenware und den immer geringer werdenden Margen im Teppichbodensegment zu befreien, sehen wir in hochwertigen Produkten. Nur so erkennt der Käufer diesen Wert an und ist bereit, unseren Verkaufsargumenten zu folgen."


Stephan Naacke

Geschäftsführer Marketing und Vertrieb, Findeisen
"Handel und Handwerker sind meiner Meinung nach überfrachtet mit Marketingaussagen zu Nachhaltigkeit und ,grünen Produkten. Sie können nicht mehr überblicken, was wirklich nachhaltig ist und was lediglich so aussieht. Um Transparenz zu schaffen, müssen wir eine gemeinsame Plattform in der Branche schaffen, auf der sich Unternehmen zu einer gemeinsamen Vorgehensweise und Verantwortung beim Thema Nachhaltigkeit zusammenfinden. Das muss münden in einen Dreiklang aus Qualität beziehungsweise Langlebigkeit, Innovation und Nachhaltigkeit."


Uwe Bauer

Anwendungstechniker, Nora Systems
"Lediglich ein Produkt zu verkaufen ist aus meiner Sicht eine Sache der Vergangenheit. Wir müssen in Systemen denken und diese mit einem hohen Maß an Service für Handel, Handwerk und Endverbraucher versehen, damit ein reklamationsfreies Produkt angeboten werden kann. Denn nur festgelegte Prozesse schaffen ein hohes Maß an Sicherheit, die allen in der Wertschöpfungskette zu Gute kommt. Ein Bodenbelag ist beispielsweise immer nur so gut, wie seine fachgerechte Verlegung und Reinigung es zulässt."


Roberto Martinez

Vertriebsleiter D/A/CH, Vorwerk
"Beim Thema Nachhaltigkeit springen viele zu kurz, weil sie es lediglich mit Ökologie übersetzen. Jeder hat sich den für sein Unternehmen passenden Aspekt herausgepickt, schmückt sich mit Labels und Zertifikaten und ist damit relativ engstirnig auf eigene Faust losmarschiert. Für uns ist Nachhaltigkeit aber eine Geisteshaltung, die wir daran koppeln, was heute technisch möglich und im Markt ökonomisch sinnvoll umzusetzen ist. Denn nur dann kann die unternehmerische Tätigkeit auch ökologisch und sozial nachhaltig gestaltet werden. Für diesen ganzheitlichen Ansatz sehen wir im Markt ein immer stärkeres Bewusstsein."


Bernhard Lübbers

Geschäftsführender Gesellschafter Lübbers, Objekteur
"In Sachen Nachhaltigkeit sind viele Dinge dem Zufall überlassen, weil es keine systematisierte Herangehensweise gibt. Niemand hat den Wertstoffkreislauf vollkommen geschlossen, denn dazu gehören auch Parameter wie Qualität, Funktionalität, Installation, Pflege und Rückführung der Produkte. Wenn wir alle Produktionsstufen als zertifizierten Prozess zusammenführen, betreiben wir einerseits eine Werterhaltung der endlichen Rohstoffen und andererseits stellen wir betriebswirtschaftlich ergiebige Wertschöpfungsketten sicher."
aus BTH Heimtex 11/11 (Nachhaltigkeit)