Ereignisreicher Deutscher Maler- und Lackierertag 2004 in Karlsruhe
Hauptverband will umstrukturieren und sich verschlanken
Es wehte ein stürmischer kalter Wind auf dem Deutschen Maler- und Lackierertag 2004. Nicht nur, dass der Wettergott der gastgebenden Karlsruher Innung einen Strich durch die Rechnung machte, Popkonzerte und Weindorf im Regen versinken ließ: Heftigem Gegenwind musste sich auch Dieter Philipp stellen, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, der am nichtöffentlichen ersten Tag die Verantwortung für das Scheitern von www.handwerk.de übernahm und als Konsequenz daraus seinen Rücktritt ankündigte.
Der Zorn und die Fokussierung auf die Person Dieter Philipp resultieren aus einer engen Verknüpfung der Kostenstrukturen, denn der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) finanziert sich aus den Kammern und Verbänden der Branche. Wer Geld gibt, will auch wissen, was damit passiert. So soll es im internen Kreis beim diesjährigen Deutschen Maler- und Lackierertag in Karlsruhe ziemlich lautstark zugegangen sein, wie BTH Heimtex zugetragen wurde.
Die Pleite der Internet-Plattform www.handwerk.de hätte den ZDH fast die Existenz gekostet, war bereits im Vorfeld zu hören. Problematisch stellte sich auch dar, dass die Homepage www.farbe.de des Hauptverbands Farbe, Gestaltung, Bautenschutz, der Seite handwerk.de hinterlegt war und im Zugang neu aufgestellt werden musste. Inzwischen wurde handwerk.de von einem privaten Investor aufgefangen und soll mit dem Schwerpunkt Ausschreibungsdatenbank fortgeführt werden.
Aber das Thema ist noch nicht ausgestanden. Bei der Vollversammlung des ZDH Anfang Juni erklärte Dieter Philipp nach unseren Informationen, dass "die Belastungen aus der Insolvenz von www.handwerk.de von ca. 8,7 Millionen EUR von den Organisationen des Handwerks getragen würden. Insider rechnen 2 EUR pro Betrieb. Wenige Wochen zuvor beim Maler- und Lackierertag in Karlsruhe hatte Werner Loch, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands Farbe, Gestaltung, Bautenschutz dagegen noch versprochen: "Im Zusammenhang mit dem Scheitern von handwerk.de wird es keine Beitragserhöhungen oder Umlagen geben."
Nach außen hatten sich die Wogen am zweiten Tag des Maler- und Lackierertags geglättet.
Loch machte in seiner launigen Moderation nur wenige Anmerkungen zur "Streitkultur", die man pflege und kündigte an, dass im Hauptverband Farbe, Gestaltung, Bautenschutz entscheidende Veränderungen anstünden. Schon in den nächsten Wochen sei mit einem Verschlanken zu rechnen. "Unsere Organisationsstrukturen sind nicht mehr die modernsten."
Generell ist hinter den Kulissen Disharmonie zu spüren. Wer aufmerksam hinschaut, registriert Nebenschauplätze des Ärgers, Kompetenzgerangel zwischen den einzelnen Innungsverbänden, den Landesverbänden und dem Hauptverband. Nicht zu übersehen ist auch, dass sich die einzelnen regionalen Verbände unterschiedlich stark engagieren - unter anderem daran zu erkennen, wie wenige Malre den Weg nach Karlsruhe fanden; das ist nämlich ein Resultats des unterschiedlichen Engagements der Innungen. Unverhohlen sprechen manche von machthungrigen Funktionären und "Schlafpillen" in der eigentlichen Verbandsarbeit.
Überhaupt sind nur etwas mehr als die Hälfte der Maler- und Lackiererbetriebe in Deutschland Mitglied einer Innung. Dabei verpassen die nicht-organisierten Unternehmen viel, sagt Hauptverbands-Vizepräsident Karl-August Siepelmeyer, nicht nur ein breites Angebot an Informationen, sondern auch an Sondervereinbarungen mit Auto- oder Werkzeugherstellern, Telefonanbietern, Banken und Versicherungen.
Unter dem Motto "Mit den Trends der Zeit Markt machen" wandte sich der Branchentreff der Maler und Lackierer schließlich anderen, durchaus als aktuell und wichtig erkannten Dingen zuw: Wie sollte das Maler- und Lackiererhandwerk auf die Marktsituation reagieren? Wie lauten die Trends für das 21. Jahrhundert? Welche Marktchancen und Positionierungsmöglichkeiten gibt es für Maler und Lackierer? Jürgen Hinz, der Präsident des Hauptverbandes Farbe, Gestaltung, Bautenschutz, referierte über "Das Maler- Lackiererhandwerk: Handeln im schnelllebigen Wandel der Märkte".
Der emotionale Wert der Farbe
Es folgten die Gastredner: Professor Axel Venn versuchte in seinem kurzweiligen Vortrag, den Malern den emotionalen Wert der Farbe nahezubringen. "Farben haben keine Nummer, sie haben einen Begriff". Eine kleine Geschichte, ein Mythos schaffe erst die Identität, den Wert. "Bilder ohne Titel verkaufen sich nicht." Und: "Mit Farbe kann man Geld generieren". Er sieht die Wohnungen als neues Neidobjekt und erinnert die Maler an die Tatsache, dass zu 80% von den Frauen entschieden werde, wie eingerichtet wird. "Wir werden Frauendesign, Frauenfarben bekommen." Er erläuterte ausführlich die Trends und fasste zusammen: Keine glatten Flächen, die Oberfläche "verletzt", mit Gebrauchsspuren; das Ornament kommt zurück; Farbe spielt mit allen Sinnen; papierähnliche, natürliche Produkte; starker Asien-Einfluss: "Die Gartenzwerge von gestern sind heute die Terracottatöpfe im mediterranen Look - morgen werden es Buddha-Figuren sein".
Der 6k-Markt
Mit Höllerer-Schritten stürmte Markus Behles auf die Bühne, "Wie geht's Deutschland?". Er stellte "Den 6k-Markt / Power, Wellness / Careness-Trends" vor und das in den 20er-Jahren beschriebene Prinzip des russischen Ökonomen Nikolai Kondratieff (1892 bis 1938) vor. Wirtschaftszyklen seien langfristig. Seit 1750 hätte es fünf Wellen gegeben, wobei die letzte den Bereich Eletronik und IT-Kommunikation darstellte. Der sechste Zyklus werde jetzt von Glück, Gesundheit, Geborgenheit, einem umfassenden, aktiven Wohlbefindens-Gedanken geprägt. Während in der Gesellschaft die Unordnung, der alltägliche Stress wachse, sei dies der Zukunftsmarkt. "Der sechste Zyklus macht den Menschen zum Mittelpunkt, das wird die nächsten 50 Jahre anhalten." Primäres 6k-Potential sieht Behles bei Ärzten, Fitness und Food - und im gesamten Bereich Bauen und Wohnen.
Anti-Graffiti-Mobil
Über ein interessantes Projekt berichtete Volker Weingardt von der Pforzheimer Polizei. Das "Anti-Graffiti-Mobil" ist eine Initiative von Bürgerverein, Malerinnung und Polizei in Pforzheim. Schäden werden von den Ertappten und Malerbetrieben beseitigt, die Kosten vom Bezirksverein für Soziale Rechtspflege getragen (rekrutieren sich aus Geldstrafen, Spenden). Ein erfolgreiches Projekt, es gibt inzwischen deutlich weniger Graffiti im Stadtgebiet. Geschädigte erleben, dass sie schnell, unbürokratisch und kostenlos Hilfe erhalten. Diese positive Stimmung könne auch der Maler nutzen. Er stehe im direkten Kontakt zum Kunden und biete sich auch für Folgeaufträge an.
Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen
Die gelichteten Reihen am Nachmittag rüttelte Joachim Bullermann gehörig auf: Der Verkaufs- und Marketingberater gab sich mit seinem Thema "Gewinn machen in schwieriger Zeit" als dynamischer Anwalt der kleinen Unternehmer und des Fachhandwerks. "Wer erfolgreich sein will, muss Weltmeister in der Beherrschung von Kleinigkeiten sein."
Das fange in der Telefonzentrale an und höre nicht bei sich selber auf: "Mein Personaaal", zitiert er langgezogen und nasal, "Wenn ich das schon höre. Wer davon redet, befindet sich noch im tiefsten Mittelalter." Bullermann unterhält die Männerrunde mit entsprechenden Witzchen, scheut nicht vor deftigen Worten zurück und auch nicht vor akrobatischen Übungen auf Stühlen und Tischen, wenn er eindringlich seine Botschaften formuliert.
"Viele flüchten in Endzeitmarketing. Wenn einem nichts mehr einfällt, bleiben noch: Preise, Preise, Preise." Das Gleichheitsprinzip müsse überwinden, "wer Geld machen will". Besser sein im Detail, schließlich gelte: "Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten in Kröpfchen."
Aktuelle Zahlen aus dem Malerhandwerk
Wo steht das Maler- und Lackiererhandwerk heute? Für 2003 wird ein weiterer Rückgang gemeldet, 39.778 Betriebe gegenüber 39.928 im Vorjahr, 212.000 Beschäftigte (2002: 223.000) mit einem Umsatz von 11,5 Milliarden EUR (2002: 12,0). "In den letzten drei Jahren haben wir rund 40.000 Arbeitsplätze verloren", resümiert Werner Loch, "Der Rückgang der Beschäftigten liegt bei 7,8% und deckt sich mit den Zahlen des Großhandels." Das heißt: "Do it yourself läuft besser". Als stabil gilt eher das Privatkundengeschäft, im Objektbereich seien die Probleme größer. "Die Betriebe haben sich weiter kräftig verschlankt, führt der Hauptgeschäftsführer weiter aus, "über 60% der Betriebe beschäftigen nur noch unter fünf Mitarbeitern."
Auch die Öffnung der osteuropäischen Märkte wirke sich stärker auf das Objektgeschäft als den Privatbereich aus. "Verwerfungen können wir nur vermeiden, wenn unsere Betriebe flexibel bleiben." Allerdings gebe es eine neue Konjunkturumfrage, die eine deutliche Umkehr der Stimmung aufzeige, viele Betriebe seien voller Optimismus. Man rechne damit, dass seit langem anstehende Sanierungen endlich umgesetzt würden.
Vielleicht gibt es ja irgendwann auch eine Verständigung zwischen den Gestaltern der Branche - die im vielbeschworenen Kommunikationszeitalter eigentlich doch selbstverständlich sein müsste: Auf die Terminüberschneidung mit der Messe "Ausbau & Fassade" in Friedrichshafen angesprochen, meinte Werner Loch nur: "Wir sind nicht eingeladen worden".
aus
BTH Heimtex 07/04
(Wirtschaft)