StoCretec: Interview des Monats
"Erfolgreich durch Diversifizierung und Technologieführerschaft"
StoCretec gehört zu den beiden großen Beschichtungsanbietern auf dem deutschen Markt. Der Vollsortimenter beschäftigt sich intensiv damit, wie Bodenbeschichtungen von morgen aussehen könnten. Dabei kommt der Vertriebsgesellschaft die Stärke des Konzerns Sto AG zugute. FussbodenTechnik sprach mit Geschäftsführer Jan-Karsten Meier und Marketing-leiter Frank Nuske darüber, was den Beschichtungsmarkt 2012 bewegt.
FussbodenTechnik: Wie groß schätzen Sie den Bodenbeschichtungsmarkt in Deutschland ein?
Jan-Karsten
Meier: Die genaue Einschätzung ist etwas schwierig, da Beschichtungen auch in Wohnungen, Kellern und Garagen zum Einsatz kommen. Wir hingegen beschäftigen uns primär mit dem Einsatz im gewerblichen Bereich. Diesen Markt schätzen wir auf rund 220 Mio. EUR, wobei er in den vergangenen Jahren erheblichen Schwankungen unterworfen war. Bis 2008 gab es ein stetiges Wachstum. Die Finanzkrise sorgte für einen totalen Investitionsstopp und große Unsicherheit bei Industrieobjekten. Gerade erleben wir einen imposanten Nachholeffekt. Ich denke, große Ausschläge werden sich zukünftig ausgleichen und nivellieren, so dass wir von einem jährlichen Marktwachstum zwischen 3 und 5 % ausgehen. Das Geschäft lebt von den Innovationszyklen in der Industrie und ist relativ konjunktursensibel.
Frank Nuske: Man kann den Markt auch als Fläche beschreiben. Wir unterstellen eine Größe von ungefähr 30 Mio. m
2. Die beziehen sich ausschließlich auf Industrieflächen plus Parkhäuser also gewerblich genutzte Flächen. Wir erzielen im Geschäftsfeld Bodenbeschichtungen und Betoninstandsetzung zusammen über 100 Mio. EUR überwiegend in Europa. Der deutsche Markt umfasst dabei knapp die Hälfte.
FT: Wo sehen Sie sich in einem Hersteller-Ranking bei den Beschichtungen?
Meier: Nach unseren Marktuntersuchungen gibt es zwei große Anbieter, zu denen auch wir gehören. Auf den weiteren Plätzen gibt es eine Handvoll weitere Wettbewerber, die sich um Platz drei streiten und die regional unterschiedlich stark vertreten sind.
Nuske: Obwohl es immer um die Anwendung von Flüssigkunststoffen geht, segmentieren wir den Markt in unserer Betrachtung zusätzlich nach Geschäftsfeldern.
FT: Welche Geschäftsfelder sind das?
Nuske: Unsere Geschäftsfelder sind Gewerbe und öffentliche Einrichtungen, die Schlagworte dazu sind AgBB-konforme Beschichtungen. Beispiele sind Schulen und Krankenhäuser. Weiter geht es mit der Elektro- und Elektronikindustrie, wo es häufig um Ableitfähigkeit und Leitfähigkeit geht. Bei der Produktion von Mikrochips muss beispielsweise verhindert werden, dass elektrische Ladungen aufgebaut werden, weil die Bauteile ansonsten beschädigt werden könnten. Dafür gibt es leitfähige Beschichtungen.
Ein weiteres Geschäftsfeld ist die Chemie- und Pharmaindustrie. Da geht es um die entsprechenden Beständigkeiten der Materialien. In der Automobil- und Maschinenbauindustrie kommen überwiegend Standardbeschichtungen zum Einsatz. Das sind die Klassiker. Ähnliches gilt für Lagerflächen.
Meier: Ein spannendes Thema ist der Reinraum bzw. Sauberraum. Das ist ein tolles Betätigungsfeld, bei dem wir auch über die passenden Systeme verfügen.
Nuske: Beim Reinraum profitieren wir von der Gruppenkompetenz der Muttergesellschaft im Bereich der Wand- und Deckenbeschichtungen. Jeder Raum besteht aus horizontalen und vertikalen Flächen, die zu beschichten sind. Wir können dem Investor das gesamte Paket aus einer Hand anbieten.
Meier: Wir sehen uns als Vollsortimenter. Je nach dem, in welchem Marktsegment wir uns bewegen, liegt unser Marktanteil zwischen 20 und 25%. Mit Ausnahme bei Parkhausneubauten bzw. Parkhausbeschichtungen, da dort ein ruinöser Preiskampf tobt. Wir engagieren uns lieber in der Sanierung von Parkhäusern, da wir dort auch unser Vollsortiment im Bereich der Betonsanierung zum Einsatz bringen.
FT: Wie "tickt" die Beschichtungsbranche, was zeichnet sie aus?
Meier: Die Beschichtungsbranche ist professionell aufgestellt. Da es keine zusätzlichen Handelsstufen dazwischen gibt, ist das Geschäft für uns sehr betreuungsintensiv. So befassen sich zum Beispiel die Eigentümer und Investoren von Immobilien immer stärker mit der Lebensdauer ihres Gebäudes. Es geht um die Frage, für welche Nutzung man es vorhalten will. Selbst wenn bei der aktuellen Nutzung eine relativ einfache Bodenbeschichtung ausreicht, so können sich die Anforderungen an das Objekt zukünftig verändern. In einem solchen Fall kann eine höherwertige universell nutzbare Beschichtung sinnvoll sein. Das gilt es vorher in der Beratung auszuloten.
Nuske: Wir müssen den Markt eigentlich in drei Zielgruppen aufteilen und uns fragen: Wie tickt der Verarbeiter-, der Planer- und der Investorenmarkt? Neben Standardbeschichtungen beobachten wir eine verstärkte Nachfrage nach Beschichtungen, die besondere technische und gesetzliche Anforderungen erfüllen. Das gab es vor 20 Jahren so noch nicht.
Durch die Spezialisierung in der Industrie müssen wir exakt abgestimmte Bodenbeschichtungen entwickeln. Bei Aufenthaltsräumen sind die AgBB-Richtlinien einzuhalten. Das kann man mit einem Standardprodukt nicht erreichen. Wir brauchen die passende Kombination von Beschichtung, Versiegelung und Grundierung, um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden. Da wir uns selbst als Technologieführer sehen, nehmen wir diese Herausforderung gerne an.
Der Verarbeiter hingegen muss sehen, dass er für einen vernünftigen Preis eine gute Flächenleistung erbringt. Das Material muss sich also entsprechend leicht, schnell und sicher verarbeiten lassen.
FT: Sie nannten die fehlenden Handelsstufen. Wie vertreibt StoCretec seine Produkte?
Meier: Wir verkaufen unsere Produkte, System und Dienstleistungen direkt an den professionellen und ausgesuchten Verarbeiter.
Nuske: Wir haben dabei den Vorteil, dass wir über zwei parallele Logistikschienen verfügen: Einmal nutzen wir die mehr als 80 Standorte unserer Muttergesellschaft Sto AG und sind damit beim Verarbeiter vor Ort. Bei Standardware und kleinen Mengen erreichen wir so eine kurze Lieferfähigkeit. Wenn wir über das Objektgeschäft sprechen, liefern wir vom Werk direkt auf die Baustelle. Das ist sicherlich ein immenser Vorteil für unsere Kunden.
FT: Wie ist das Verhältnis zwischen Niederlassungsgeschäft und Direktgeschäft?
Meier: Etwa ein Drittel zu zwei Drittel direkt. Ab einer Größenordnung von 800 kg Ware sind wir bestrebt, direkt ab Werk auf die Baustelle zu liefern.
FT: Wie ist der Vertrieb bei Ihnen aufgestellt? Und gibt es getrennte Vertriebsmannschaften von Sto AG und StoCretec?
Nuske: Ja, die Außendienste in Deutschland sind organisatorisch getrennt. Die Außendienstmannschaft von StoCretec umfasst rund 70 Mitarbeiter. Sie kümmert sich um Bodenbeschichtungen und Betoninstandsetzung. Der Außendienst der Sto AG deckt mit 280 Mitarbeitern die Themen Fassade und Innenraum ab. Das ergibt ein dichtes Vertriebsnetz.
Meier: In der Akquise von Objekten haben wir enorme Vorteile. Der Verarbeiter hat ein Interesse, dass wir ihn für bestimmte Bauvorhaben empfehlen. Dabei hilft uns unser enger Kontakt durch besonders qualifizierte Projektmanager zum Planer, der unsere Produkte ausschreibt. So entsteht für beide Seiten eine Win-Win-Situation.
FT: Wie profitiert StoCretec noch von der Muttergesellschaft?
Meier: Bei der Logistik, bei der Designberatung der Architekten und durch die internen Services. Wir nutzen die gesamte Infrastruktur. Das reicht von der EDV-Abteilung, Personalabteilung bis zu Forschung & Entwicklung. Wir haben in der Firmenzentrale große Laboratorien, die sich mit neuen Produkten beschäftigen. Dort werden unsere Produktideen so umgesetzt, wie wir es vorgeben. Das ist für uns ideal.
Nuske: In dieser Konstellation profitieren wir auch von der Weitergabe von Informationen. Das Labor, das sich z.B. mit Kunstharz beschäftigt, kann eine Empfehlung für eine besondere Eigenschaft eines Stoffes weitergeben. Diese Information erhalten auch die anderen Labors. Von der Größe der Abteilung F & E profitiert die gesamte Gruppe.
FT: Wie hoch ist die Innovationsquote bei StoCretec?
Meier: Wir generieren ein Achtel unseres Umsatzes mit Produkten, die fünf Jahre alt oder jünger sind. Das zeigt, dass wir ständig versuchen, Innovationen und Verbesserungen der Produkte in den Markt zu bringen.
Nuske: Wir bringen häufig Produkte auf den Markt, die bei der Einführung ein Alleinstellungsmerkmal haben. Beispiel ist eine wässrige volumenleitfähige Dickbeschichtung, die ESD-konform ist. Irgendwann ziehen die Wettbewerber dann nach. Wichtig ist, dass wir immer einen Schritt voraus sind.
FT: Auf welche neuen Produkte sind Sie besonders stolz?
Nuske: Beispielsweise die Versiegelung StoPhotosan Nox, die Oberflächenschutz und variable optische Gestaltung mit photokatalytischen Eigenschaften kombiniert: Das Produkt reduziert gefährliche Stickoxide und Ozon in der Umgebungsluft.
Besonders umweltschonend sind die wässrigen Beschichtungsprodukte. Sie sind geruchsneutral, lösemittel- und weichmacherfrei und sorgen für ein angenehmes Klima bei der Verarbeitung und der späteren Nutzung. Sie sind TÜV-geprüft und erfüllen darüber hinaus die Prüfkriterien für VOC-Emissionen in Aufenthaltsräumen gemäß AgBB (Ausschuss zur gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten, d. Redaktion).
Meier: Stolz sind wir auch auf den neuen Leitlack StoPox WL 118. Mit diesem Leitlack ist es erstmalig möglich einen Beschichtungsaufbau zu wählen, der alle Anforderungen des Personen-, Explosionsschutzes und dem Schutz von elektronischen Bauteilen unabhängig von der verwendeten Deckschicht erfüllt. Beim Einsatz von StoPox WL 118 mit wässrigen Deckschichten wird der Personenschutz sogar mit diffusionsoffenen Systemen, z.B. bei feuchten Untergründen, gewährleistet.
Nuske: Die Forschungsabteilung von Sto hat schon früh auf wässrige Epoxidharzbeschichtungen gesetzt. Das erleichtert die Zulassung nach AgBB erheblich.
Meier: Nennen müssen wir auch unsere selbst verlaufende Beschichtung StoPox BB T 200, die Terrazzo in der Pharmaindustrie ersetzt. Der neue Boden ist sehr dekorativ und es entfallen viele Arbeitsschritte eines konventionellen Terrazzos.
FT: Wie funktioniert die Logistik an den Baustellen?
Meier: Je nach Bedarf. Wenn es eine große Baustelle ist, haben die Kunden in der Regel Stapler oder Kräne vor Ort. Falls nicht, wird ein Fahrzeug mit Entladekran oder mit einem Huckepackstapler angefordert. Da sind wir flexibel.
FT: Wie entsteht das Design von Beschichtungen? Welche Möglichkeiten und Grenzen gibt es? Wie weit geht die Individualität?
Meier: Grundsätzlich können Sie alles machen. Sie können Firmenlogos einbetten, ich habe schon Stadtpläne eingesiegelt gesehen. Die Frage ist immer: Wenn man in einem Privathaus ein Wohn- oder Esszimmer beschichten möchte, ist das zwar grundsätzlich möglich. Für industrielle Hersteller wie uns ist der Beratungsaufwand allerdings sehr hoch. Im gewerblichen Bereich dagegen steht die funktionelle Fläche im Vordergrund. Da kommt es vorrangig auf die Nutzung und die technischen Eigenschaften an.
FT: Nimmt der ästhetische Anspruch im gewerblichen Bereich zu?
Meier: Ja, das kann man sagen. Gerade in unserem hochwertigen Segment nimmt auch der ästhetische Anspruch zu. Wir tragen dem durch eine vielfältige Variantenpalette bei Farben und Oberflächen Rechnung, die besonders in der täglichen Beratung von Architekten, Innenarchitekten, Investoren und Bauherren mit großem Erfolg angenommen wird.
FT: Wie gewährleisten Sie den Kontakt zum Verarbeiter?
Meier: Durch die enorme Außendienstdichte können wir einen sehr engen Kontakt zum Verarbeiter halten. Wir veranstalten Seminare und Fortbildungen und informieren über neue gesetzliche Regeln. Für wichtige Partner führen wir auch Schulungen vor Ort durch. Es sind mindestens 30 Veranstaltungen im Jahr, es dürften so 1.500 bis 2.000 Teilnehmer sein.
FT: Auf welche Berufsgruppen treffen Sie?
Meier: Wir haben es zu tun mit Beschichtern, Bautenschützern, Malern und sogar mittlerweile mit Estrichlegern.
FT: Ein Blick in die Zukunft: Wie können Beschichtungen von morgen aussehen?
Meier: Wir wollen zunehmend mineralische Bodenbeschichtungen entwickeln. Wir glauben, dass dies ein zukünftiger Trend für industrielle Anwendungen werden wird. Vor dem Hintergrund von REACh und anderen Verordnungen bieten mineralische Systeme eine gute Alternative.
Nuske: Wir werden nicht drum herum kommen, dass wir bisher erfolgreich eingesetzte Stoffe ersetzen müssen. Zum einen, weil manche Materialien demnächst die Kennzeichnung mit einem Totenkopf erfordern, was wir vermeiden wollen. Zum anderen, weil wir bei manchen Stoffen deutliche Verknappungstendenzen feststellen. So könnten mineralische Beschichtungen die Beschichtungen von morgen sein. Wir sind durch unsere mineralische Kompetenz an Decke und Wand gut aufgestellt, so dass wir diese Erfahrungen auch bei den Beschichtungen umsetzen können.
FT: Wo wollen Sie mit StoCretec in den kommenden fünf bzw. zehn Jahren stehen?
Meier: Das kann man in zweierlei Hinsicht sagen: Einmal wollen wir uns deutlich internationaler aufstellen. Wir wollen organisch wachsen, können uns aber auch Wachstum durch Akquisitionen vorstellen. Auch auf dem deutschen Markt wollen wir noch Marktanteile dazu gewinnen. Die Märkte werden sich in den billigen Massenmarkt und die Spezialisten diversifizieren und wir wollen zu den Letzteren gehören.
Insgesamt wollen wir in den nächsten fünf Jahren im Gesamtunternehmen ein Umsatzwachstum von 20 bis 25 % realisieren. Das ist das strategische Ziel, bei dem zusätzliche Auslandsaktivitäten eine Rolle spielen werden.
StoCretec im Überblick
StoCretec GmbHGutenbergstraße 6
65830 Kriftel
Tel.: 06192/401-0
Fax: 06192/ 401-325
info.stocretec.de@stoeu.com
Internet: www.stocretec.de
Profil: Vertriebsgesellschaft im Direktvertrieb an das Handwerk Mitarbeiter: 110, davon 70 im Außendienst
Niederlassungen: 87 Sto-Verkaufscenter
Produktionsstandorte: Stühlingen, Donaueschingen, Kriftel und Rüsselsheim
Geschäftsführer: Jan-Karsten Meier
Marketingleiter: Frank Nuske
Eckdaten der Firmengeschichte-1975 gegründet als Abteilung der Sto AG in Stühlingen mit drei Beschäftigten
-1992 der Name StoCretec wird in den Markt eingeführt
-1996 Umwandlung in eine eigenständige Gesellschaft, 100-prozentige Sto-Tochter
-2003 Verschmelzung mit Ispo Concretin (Sparte Bodenbeschichtung der Ispo GmbH) und Umzug nach Kriftel bei Frankfurt/Main
aus
FussbodenTechnik 02/12
(Wirtschaft)